Gibt es Freiheit im digitalen Zeitalter?
Die Princeton University ist Profilpartnerin der HU.
Abbildung: Princeton University, Office of
Communications
„Es kann sicher und es wird hoffentlich eine Freiheit im digitalen Zeitalter geben“, gibt Prof. Dr. Martin Eifert eine erste Antwort auf die Leitfrage „Society 3.0+: Can Liberty Survive the Digital Age?”. „Aber wir müssen uns überlegen, wie diese Freiheit angesichts welcher Gefährdungen gefasst werden soll, und wie wir sie absichern. Dafür muss eine unglaubliche Vielzahl an Variablen abgewogen werden.“ Einige wenige, gleichwohl zentrale Variablen und Begriffe spiegeln sich in der Frage wider, die auf dem diesjährigen Princeton-Fung Global Forum am 20. und 21. März 2017 in Berlin im Mittelpunkt steht.
Internationale Experten aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft werden hier diskutieren, wie sich das Internet als ein Ort von Freiheit und Einheit zu Restriktionen wie staatlicher Überwachung und Bedrohungen wie Cyber-Angriffen verhält. Es geht ferner um Regulierungsmöglichkeiten oder das Internet der Dinge und letztlich um die Frage, wie frei das digitale Zeitalter tatsächlich ist. Als einer von drei HU-Wissenschaftlern nimmt Martin Eifert, seit 2012 Professor für Öffentliches Recht, insbesondere Verwaltungsrecht, an der Juristischen Fakultät, daran teil.
Das Web steigert die Möglichkeiten der Entfaltung
„‚Society 3.0+ “, erläutert der Jurist zunächst, „weist darauf hin, dass die Digitalisierung zu einer umfassenden Transformation des Zusammenlebens der Menschen führt.“ Die Zählung nimmt Anlehnung an die bekannte für das Web. Dort ist „web 2.0“ noch auf die Interaktivität der User bezogen, während es bei „web 3.0“ nun um „das semantische Netz geht, das natürlich-sprachliche Umgangsformen abbildet“.
Das „+“ verdeutlicht, dass die Technik darüber hinausgeht, mit „society 3.0+“ wird herausgestellt, dass die Transformation auf technologischen und auf sozialen Innovationen beruht. Der in der Leitfrage verwendete Freiheitsbegriff nimmt Bezug auf „ein normativ anerkanntes Konzept, auf das sich liberale Gesellschaften geeinigt haben – der Einzelne gestaltet sein Leben in Autonomie“, so Eifert. Das Web steigert hier die Möglichkeiten der Entfaltung, man denke etwa an Facebook oder YouTube, wo man sich verschiedene Identitäten zulegen, sich selbst darstellen und verwirklichen kann. Diese enormen Freiheiten sind aber unmittelbar verknüpft mit ebenso enormen Gefährdungen. Prof. Eifert nennt etwa die Spuren, welche der Einzelne im Netz hinterlässt und die in ausgeweiteten Kontrollzugriffen ausgewertet werden. „Auch droht die Selbstbestimmung zu implodieren, wenn der Einzelne keine Schutzmöglichkeiten ergreift, weil sie zu mühsam sind.“ Eine selbstverschuldete Unmündigkeit wäre die Folge.
Dilemma von Freiheit und Restriktion
Nicht zuletzt reduziert sich die Freiheit durch Big Data. „Wenn Menschen gesammelte Daten intelligent auswerten und so mehr über uns wissen als wir, dann entpuppen sich Handlungsalternativen als von mächtigen Akteuren in der digitalen Welt gesteuert“, erläutert der Rechtswissenschaftler. „Unser Freiheitsverständnis beruht aber auf einer Unverfügbarkeit der Optionenvielfalt für Einzelne“.
Auf dem Fung-Forum wird er im Panel eins zum Thema „The ‚World’ Wide Web? / Das ‚Welt’-weite Netz?“ mit vier anderen Wissenschaftlern und Juristen unter anderem diskutieren, wie einzelne Staaten mit dem Dilemma von Freiheit und Restriktion in der digitalen Welt umgehen. Wie er erklärt, müssen hier genauso wie im Offline-Bereich Interessenkonstellationen angemessen geregelt werden, etwa auf den Ebenen von Urheberrecht und Datenschutz.
Eine Aufgabe für die Rechtswissenschaft
Hierbei kann es „keine pauschale Antwort“ geben, sagt Eifert, weshalb Regulierungen auf globaler Ebene nicht nur schwer möglich sind – sie sind auch nicht unbedingt wünschenswert. „In verschiedenen Rechtskulturen gibt es verschiedene Regelungen, so dass man auf einer sehr hoch aggregierten Ebene Basisprinzipien entwickeln könnte, die in den unterschiedlichen Räumen auf dort operationalisierbare Kriterien heruntergebrochen werden müssen“, überlegt der Jurist. „Von Vorteil wäre dabei die große Einheitlichkeit, von Nachteil die abnehmende Veränderlichkeit, gerade bei einer so dynamischen Materie.“ Wichtig sei stets die Kompatibilität, die aber durch legitime, nationale Besonderheiten herausgefordert werde. Als Beispiel führt Martin Eifert faschistische Symbole und Güter an. In Deutschland ist der Handel mit ihnen historisch bedingt unterbunden, doch in anderen Kulturen wird er verständlicherweise lockerer gehandhabt.
Bei Problemen wie diesen kann die Rechtswissenschaft laut ihm „einen ganz wichtigen Beitrag“ leisten. „Wir können uns angemessene Verfahren und Institutionen überlegen“, schlägt der Jurist vor. „Denn so gehen wir in modernen Gesellschaften Herausforderungen an – es gibt einen politischen Gestaltungsanspruch, der meist in rechtliche Regeln mündet.“
Autor: Michael Thiele
Über das Princeton-Fung Global Forum
„Society 3.0+: Can Liberty Survive the Digital Age?” – mit dieser Frage setzen sich internationale Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft auf dem Princeton-Fung Global Forum auseinander. Die am 20. und 21. März 2017 im Berlin Congress Center stattfindende Tagung wird von der Princeton University, die neben der National University of Singapore und der Universidade de São Paulo eine von drei Profilpartnerinnen der HU ist, veranstaltet. Brad Smith, Präsident von Microsoft und Vint Cerf, gehört zu den Teilnehmern. Mit Prof. Dr. Martin Eifert von der Juristischen Fakultät, Prof. Dr. Björn Scheuermann vom Institut für Informatik und Prof. Dr. Claudia Bruns vom Institut für Kulturwissenschaft sitzen gleich drei Humboldtianer auf den Panels des renommierten Forums.
Weitere Informationen
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