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Medien und Angst

Spannende Podiumsdiskussion bei den „UnAuf-Medientagen 2017“
Podiumsdiskussion

Journalisten und Studierende diskutieren über Angst
durch Medien                                    Foto: Unauf

„Angstpolitik“, „Fremdenangst“ und "Verunsichertes Deutschland".
Die Angst fordert ihre Präsenz in Nachrichten und Social-Media. Doch wer macht dieses Gefühl  bei uns präsent? Sprechen Medien noch über unsere tatsächlichen Sorgen oder reden sie uns vermehrt Ängste ein? Die Frage, wie Journalismus sich im Umgang mit diesem Gefühl positionieren sollte, thematisierte die Studierendenzeitung der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) „UnAufgefordert“ am 4. Mai 2017 bei einer Podiumsdiskussion.

Fünf Medienvertreter diskutierten hier, welche Rolle der journalistischen Berichterstattung angesichts täglicher Nachrichten zu Themen wie Terror, globalen Handelsabkommen, bewaffneter Konflikte und Flucht zukommt. Verunsichern Medien durch eine selektiv sensationsgerichtete Berichterstattung?

Wie entsteht Angst?

Sven Stockrahm, Wissenschaftsredakteur bei Zeit Online, verwies in der Diskussion zunächst darauf, dass Angst grundsätzlich nichts Schlechtes sei, sondern ein Gefühl, allerdings ein ansteckendes. Zudem würden unsere Ängste durch die Bedingungen einer “Post-Erfahrungsgesellschaft“ produziert. Das heißt, wir bekommen vieles mitgeteilt, erfahren es aber selbst nicht mehr.

Karina Henschel, Social-Media-Koordinatorin der Initiative "Kleinerfuenf", kritisierte im Hinblick auf diese „Mitteilungsflut“ die einseitige Themenauswahl und Diskurshoheit eines „Sensationsjournalismus“, der erst diffuse Ängste produziere. Wichtig sei, eine Gegenöffentlichkeit zu schaffen, die eine klare Position, zum Beispiel gegen die AFD, beziehe.

Alexander Kissler, Ressortleiter beim Magazin Cicero, gab hingegen zu bedenken, dass Journalisten keine politischen Kampagnenvertreter sind. Gegenöffentlichkeiten gäbe es in Zeiten von Social-Media bereits genug. Die entscheidende Frage sei vielmehr, welche Art von Öffentlichkeit der Journalismus noch leisten könne. Gerade in der Flüchtlingsdebatte hätte sich zum Beispiel gezeigt, dass es nicht nur um diffuse Ängste der Bevölkerung gehe, sondern um ganz konkrete Probleme.

Der Auffassung, dass Angstmomente der Bevölkerung nicht unbegründet sind, stimmte Sabine Schiffer, Gründerin des Instituts für Medienverantwortung, vorbehaltlos zu. Doch auch sie kommentierte, ähnlich wie Henschel, die Themenauswahl in den Medien kritisch. "Es ist problematisch, dass es kein System gibt, das unabhängigen Journalismus finanziert", erklärte Schiffer. Gerade auch die verwendete Sprache im Journalismus, das „Wording“ von Ereignissen, müsse näher hinterfragt werden. Neben der Einladung zur kritischen Selbstreflexion der einzelnen Journalisten, sieht Schiffer hier auch insbesondere die Presseagenturen in der Pflicht. Ihr Lösungsansatz lässt die Verantwortung allerdings vor allem beim Bürger selbst: Von diesem fordert sie mehr kritische Distanz gegenüber den Medien und dem Dargestellten.

Journalismus und Fakten

Denn über eines waren sich die Teilnehmer einig: Journalismus ist nicht objektiv. So sprach Henschel von einer fragwürdigen Themenauswahl, Kissler von einem Journalismus der sich tendenziell „slightly-left“ bewegt und Sven Becker, Investigativjournalist beim Spiegel, meinte, dass im Journalismus zwar die Fakten stimmen müssen, die Art der Faktenauswahl aber immer subjektiv sei.

Es blieb die Frage, was Journalismus unter diesen Voraussetzungen in Zukunft leisten kann? Welchen Leitlinien sollte journalistische Berichterstattung folgen, um weder in einen Sensationsjournalismus zu verfallen, der bestehende Ängste bestärkt, noch einen Kampagnenjournalismus zu vertreten, der begründete Ängste bekämpft?

Moderator Wolf-Christian Ulrich stellte hierzu abschließend die Frage, ob dem Wissenschaftsjournalismus zukünftig eine entscheidendere Rolle zukommen wird. Kann Wissenschaftsjournalismus Ängste nehmen? Stockrahm formulierte eine klare Antwort: „Nein. Es geht um Aufklärung, nicht darum Ängste zu nehmen“. Im Fokus stehe durch Aufklärung Dinge ins Verhältnis zu setzen. Manchmal könne Aufklärung allerdings auch Ängste mindern.

Ermöglicht wurde die Podiumsdiskussion durch finanzielle Förderung der Humboldt-Universitäts-Gesellschaft (HUG), die kreative studentische Ideen und somit den Bildungsauftrag der HU unterstützt.

Aufgezeichnet von Stefanie Langner

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