Presseportal

Auf einen (digitalen) Kaffee mit … Michael Borgolte

2017 ist der Mediävist Michael Borgolte zum Gründungsbeauftragten, später -direktor des Instituts für Islamische Theologie ernannt worden. Vom ersten Tag im März 2017 an war die Gründung ein überaus schwieriger Prozess. Widerstände kamen von allen Seiten, nicht zuletzt aus der HU selbst. Die Gründungsphase ist nun erfolgreich beendet.
Prof. Dr. Michael Borgolte

Prof. Dr. Michael Borgolte, Foto: Matthias Heyde

00004. So lautet die laufende Personalnummer von Michael Borgolte. Das bedeutet, dass der Professor der vierte Mitarbeitende war, der nach dem Mauerfall und dem Transformationsprozess an der HU neu eingestellt wurde. Das war 1991, als der Mittelalterhistoriker und fünf andere neue Geschichtswissenschaftler das Parkett der Universität Unter den Linden betraten. „Es war unfassbar aufregend“, erinnert er sich. Da die HU bei laufendem Betrieb umgestaltet wurde, lehrten noch 17, 18 andere Geschichtsprofessor:innen aus der Vorwendezeit. Würden die Studierenden zu den „Neuen“ kommen? Sie kamen. Anfangs waren sie etwas schüchtern und mussten sich an die neue Art des Lehrens gewöhnen. „Geschichtsforschung arbeitet mit offenen Fragen, Modellen, der Phantasie, es gibt nicht die eine richtige Antwort.“

Eine andere bedeutende, herausfordernde und ebenso Phantasie erfordernde Phase in Borgoltes Karriere entwickelte sich infolge der Anfrage von HU-Präsidentin Sabine Kunst, das Berliner Institut für Islamische Theologie (BIT) an der HU zu gründen. Das war 2017 als Borgolte frisch pensioniert war und als Senior Researcher forschte. Er nahm die Arbeit als Gründungsbeauftragter, -direktor und dann Direktor des BIT an.

Stiftertum im Fokus der fachlichen Karriere

In den rund 25 Jahren zwischen diesen beiden prägenden Phasen hat Borgolte gelehrt, geforscht, Nachwuchswissenschaftler:innen betreut, ist zum Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften ernannt worden und hat sehr viel veröffentlicht. Seine Liste der Publikationen umfasst fast 50 Seiten, darunter sind selbstständig verfasste Schriften ebenso wie Herausgeberschaften und Buchbesprechungen, Aufsätze und Artikel in den Medien. Darunter ist auch die „Weltgeschichte als Stiftungsgeschichte 3000 v. u. Z. bis 1500 u. Z.“ und die von ihm editierte dreibändige Publikation „Enzyklopädie des Stiftungswesens in mittelalterlichen Gesellschaften“. Was bewegt Menschen dazu, auf einen Teil ihres Besitzes zu verzichten? Warum geben sie Geld und Gut weg? Was lässt sich an dem Phänomen für die jeweiligen Gesellschaft ablesen? Das mittelalterliche Stiftungswesen ist ein Thema, das Borgolte von Beginn an seiner Karriere beschäftigt, seit seiner Zeit als Doktorand in Münster, wo er zuvor Geschichte, Germanistik und Philosophie studierte. 2011 wurde er mit dem Advanced Grant des European Research Council für das Projekt: „FOUNDMED. Foundations in medieval societies. Cross-cultural Comparisons“ ausgezeichnet, wo es um vergleichende und globalhistorische Fragen des Stiftertums ging. Die Beschäftigung mit dem Stiftungswesen hat ihn auch zu einer privaten Entscheidung bewogen. Zusammen mit seiner Frau gründete er eine eigene Stiftung: die Michael-und-Claudia-Borgolte-Stiftung zur Förderung der Geschichtswissenschaften.

Eine Gründungsphase mit Gegenwird

Unter den Publikationen des Mediävisten finden sich auch Titel, die mit dem Islam zu tun haben, das Verhältnis zwischen Christen und Muslimen im Mittelalter behandeln. Diese Expertise brachte ihm die Bitte ein, sich der Gründung des BIT anzunehmen. In der Gründungsphase hat Borgolte einen starken Gegenwind zu spüren bekommen. Stärker als erwartet. Monatelange Diskussionen begleiteten den Entstehungsprozess. Der Wind kam aus der Universität, aus den Medien, auch aus der Politik. Es gab Vorbehalte gegen die islamische Theologie, es ging um die grundsätzliche Frage, ob Theologien an eine moderne Universität gehören, es ging um den Einfluss konservativer Islamverbände in einem Beirat und anderes mehr. Der Kommentar einer Kollegin, er würde die HU in die Zeit vor der Aufklärung zurückführen, hat Borgolte nicht vergessen. „Ich habe vieles sportlich genommen, habe keine Angst vor Konflikten, aber das ist mir unter die Haut gegangen.“ Und auch wenn er die große Skepsis sogar verstehen kann, warum man der Einführung einer neuen wissenschaftlichen Disziplin feindlich gegenübersteht, ist für ihn nicht nachvollziehbar. „Ohne meine fachwissenschaftliche Arbeit hätte ich das manchmal gar nicht so gut durchgestanden“, sagt Borgolte in der Rückschau. Das Ergebnis wird im Frühjahr 2022 erscheinen, eine Globalgeschichte des Mittelalters unter dem Titel „Die Welten des Mittelalters. Globalgeschichte eines Jahrtausends“ (bei C. H. Beck).

Nur erstklassige Wissenschaftler:innen kommen in Frage

Während die Diskussionen um das Institut liefen, hat Borgolte seine Arbeit gemacht. Er hat sich Hilfe von einem Islamwissenschaftler der Freien Universität geholt, der ihm bei der Profilbildung und Denomination der Professuren beraten hat. Das Institut hat eine historisch-vergleichende Ausrichtung und setzt auf eine „Theologie der Vielfalt“, die sunnitische wie schiitische Lehren vergleichend würdigt, und damit dem Institut ein Alleinstellungsmerkmal gibt. Er konnte sich auf die unbeirrbare Unterstützung von HU-Präsidentin Sabine Kunst und auch von Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach verlassen. „Wir waren uns einig, dass wir nur erstklassige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler berufen und keine Kompromisse in der fachlichen Qualität eingehen wollen.“ Dies sei auch gelungen. „Wir haben junge, kreative, dynamische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für das Institut gewonnen“, sagt Borgolte. Zurzeit laufen die Berufungen für zwei Professuren. Dann ist der formale Gründungsprozess mit sechs besetzten Professuren abgeschlossen. 

Ehrenmedaille im August

Michael Borgolte verabschiedet sich am 30. September von der Universität. Er wird weiter forschen, veröffentlichen und aus der Distanz beobachten, wie sich das BIT entwickelt. Für seinen außergewöhnlichen Einsatz als Gründungsdirektor wurde ihm am 17. August, zusammen mit Prof. Dr. Johannes Helmrath, die Humboldt-Universitäts-Medaille verliehen.

 Autorin: Ljiljana Nikolic

Weitere Informationen

Humboldt-Universitäts-Medaille verliehen