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„Wir wollen junge Pioniere des Wandels ausbilden“

Dr. Susanne Neubert und Prof. Markus Hanisch vom Seminar für ländliche Entwicklung (SLE) berichten im Interview über das 60-jährige Bestehen des SLE, Entwicklungspolitik und die Zukunft des Seminars

Das Seminar für ländliche Entwicklung (SLE) am Albrecht Daniel Thaer-Institut für Agrar- und Gartenbauwissenschaften feierte kürzlich sein 60-jähriges Bestehen. Anlass genug, um in die Vergangenheit und Zukunft des Seminars zu schauen, das ein Postgraduiertenstudium, Forschung, Training und Beratung im Programm hat. 

Frau Neubert, das Seminar für Ländliche Entwicklung hat kürzlich sein 60-jähriges Jubiläum gefeiert. Was waren Meilensteine der Entwicklung?

Meilensteine der Entwicklungszusammenarbeit sind, dass viele Länder in den letzten Jahrzehnten im Wohlstand zugelegt haben. Wir leben in einer Konvergenzphase, in der jahrzehntelang Armut zurückgegangen war. Das ist positiv. Seit einigen Jahren ist dies nun leider nicht mehr der Fall, sondern gerade extreme Armut und Hunger nehmen wieder zu. Ursachen hierfür sind insbesondere die Klimakrise, die Pandemie und nun der Ukrainekrieg. Diese globalen Krisen zu bewältigen, ist nun eine Menschheitsaufgabe, die unter anderem auch mit Hilfe des Instruments der Entwicklungszusammenarbeit angegangen werden.

Worauf sind Sie besonders stolz? 

Wir sind stolz auf 60 Jahre SLE-Spirit mit so einer tollen Mitarbeiterschaft. Natürlich sind wir auch stolz auf die Ausbildung so vieler kluger, quirliger und hoch qualifizierter Postgraduierter in den letzten 60 Jahren und dass ihnen die Ausbildung am SLE so wichtig war, dass sie noch heute kommen, wenn wir sie rufen. Auf unserer Jubiläumsfeier haben mehr als 300 Alumni zusammen getanzt und gefeiert. Außerdem sind wir stolz auf Lernen mit Spaß und die gute Teamarbeit, auch wenn dies manchmal nicht einfach ist. Konflikte haben und sie dann lösen gehört da auch dazu. Wir denken auch an die zahlreichen gemeinsamen Forschungsprojekte in aller Welt, die wir gemeinsam mit den Partnern aus dem Globalen Süden mit Erfolg durchgeführt haben. 

Welche Zielgruppe möchte das SLE mit dem Postgraduiertenstudium für „Internationale Zusammenarbeit für Nachhaltige Entwicklung“ erreichen? 

Wir bilden fachlich geeignete, hoch motivierte und kommunikative Masterabsolvent:innen mit erster Auslandserfahrung im Berufsfeld aus, die in in die Entwicklungszusammenarbeit wollen und auch das Zeug dazu haben. Der Auswahlprozess ist komplex und hier machen wir es uns beileibe nicht einfach. Nach einer Vorauswahl bilden wir in einem Hauptauswahlausschuss die jeweils 20 besten Bewerber:innen aus und bilden sie in einem Vollzeitstudium zwölf Monate lang intensiv aus.

In welchen Feldern arbeiten die Absolvent:innen des Studiengangs?

Viele Absolvent:innen des SLE gehen in die klassischen Entwicklungsorganisationen GIZ und beispielsweise Entwicklungsbanken, aber auch in Nichtregierungsorganisationen, in UN-Organisationen oder in Beratungsunternehmen. Einige gehen in die Wissenschaft, wieder einige machen sich als Berater:innen selbständig. Es ist breit gefächert. Schon im ersten Jahr nach Absolvierung des SLE sind über 90 Prozent der Teilnehmenden beruflich im Bereich Entwicklungszusammenarbeit verankert. 

Der Begriff Entwicklungspolitik wird mittlerweile auch kritisch betrachtet. Es sind immer noch die reichen Länder des Nordens, die arme Länder des globalen Südens nach den eigenen Maßstäben und Interessen versuchen zu entwickeln. Wie sehen Sie das aus der Forschungsperspektive?   

Die derzeitigen Menschheitskrisen: „Klima, Pandemie, Krieg“ zeigen, dass wir mit unserem Entwicklungsparadigma falsch lagen. Wohlstand für alle im Sinne des Erfüllens eines nicht endenden Bedürfnisses nach mehr ist unrealistisch und nicht unser Ziel. Wir schauen uns stattdessen die wachsenden Ungleichheiten zwischen Regionen und Bevölkerungsgruppen an und sagen: Der Norden muss sich transformieren, damit sich der Süden noch entwickeln kann (und zwar ebenfalls grün). Unter anderem heißt dies: Wirksamer Klimaschutz, grüne Innovationen, mehr Genügsamkeit und Solidarität praktizieren. Da ist viel zu tun und dies kostet sehr, sehr viel Geld, was wir nun wuppen müssen.   

Jubiläen dienen oft dazu, in die Zukunft zu schauen. Welche Ziele hat sich das SLE gesetzt?

Das SLE hat gemeinsam mit allen Mitarbeiter:innen eine Transformationsagenda entwickelt und Teile davon bereits 2021/ 2022 in die Ausbildung integriert. Diese Agenda optimieren wir nun Jahr um Jahr weiter. Wir wollen junge Pioniere des Wandels ausbilden, die dann im Berufsfeld der Entwicklungszusammenarbeit reale Kooperationen praktizieren, im Süden wie im Norden und am besten zusammen. Wir nennen das „Real Collaboration“.

Solch eine Zusammenarbeit mit dem globalen Süden sollte vor allem paternalismusfrei sein. Denn nach all den Desastern der letzten Jahre ist es nun genug mit dem Narrativ: „Wir wissen wie es geht.“ Für die Ausbildung ist es unser Ziel, ab 2024 einen paritätisch besetzten Lehrgang aus jungen Leuten sowohl aus dem Globalen Süden und aus dem Norden gleichgewichtig zusammenzusetzen. Hierfür fehlen noch die formalen Voraussetzungen, die es gilt in den nächsten eineinhalb Jahren zu schaffen.  

Die Fragen beantwortete Dr. Susanne Neubert, Direktorium des SLE, mit Prof. Markus Hanisch.  

Die Fragen stellte Ljiljana Nikolic.

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