Mehr Strom im Tandem
Forschungsgruppenleiterin Eva Unger untersucht,
wie Perowskit-Solarzellen in großem Maßstab
produziert werden können. Foto: Falk Weiß
„Das ist ja furchtbar, wie das aussieht.“ Prof. Dr. Eva Unger muss ein wenig lachen, als sie sich an diesen Satz erinnert. Eine ältere Dame sagte ihn auf einer Zugfahrt zu ihrer Begleiterin, als sie an einem Solarfeld vorbeifuhren. Unger, die neben den beiden saß, hatte eine völlig andere Wahrnehmung: „Ich freue mich über jedes Solarzellenfeld, das ich sehe“, sagt die Wissenschaftlerin, die zu neuen Materialien forscht, die die Solarenergie weiter voranbringen sollen. Für die Forscherin sind die Anlagen vor allem ein sichtbares Zeichen für eine klimafreundliche Stromproduktion, für eine Abkehr von fossilen Rohstoffen. „Wir lernen aus diesen unterschiedlichen Wahrnehmungen aber auch etwas“, erklärt sie. „Die gesellschaftliche Akzeptanz ist enorm wichtig. Und wir müssen uns überlegen, wie wir die Bausteine der Energiewende gestalten können.“
Solarzellen aus dem Drucker
An einem dieser Bausteine forscht Eva Unger intensiv. Sie ist Professorin für Chemie an der Humboldt-Universität zu Berlin und zugleich Forschungsgruppenleiterin am Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB). Mit ihrem Team untersucht und entwickelt sie sogenannte Perowskit-Halbleiter, die in Solarzellen eingesetzt werden können und aus Sonnenlicht Strom produzieren. Perowskite sind eine Materialklasse, benannt nach einer typischen Kristallstruktur, die aus ganz unterschiedlichen Elementen bestehen können. Die Solarforschung setzt große Hoffnungen in dieses Material, das hohe Stromausbeuten und vielfältige Einsatzmöglichkeiten verspricht.
In ihrem Labor am IRIS Adlershof hält Eva Unger ein Glasgefäß mit einer gelblichen Flüssigkeit in die Höhe: So sieht die Vorstufe von Bleihalogenid-Perowskiten in Lösung aus. In verschiedenen Arbeitsschritten entsteht daraus eine Solarzelle. Zunächst werden verschiedene Pulver, sogenannte chemische Prekursoren, abgewogen und in einem Lösemittel aufgelöst. Die gelbliche Flüssigkeit, die daraus entsteht, kann schließlich mit verschiedenen Methoden verarbeitet werden. Etwa mit einem Tintenstrahldrucker „so ähnlich, wie man ihn von zuhause kennt“. Die Perowskit-Lösung wird hineingefüllt und dann auf eine Platte aus (leitendem) Glas oder einem anderen Material aufgedruckt. Anschließend wird alles bei 100 bis 150 Grad Celsius ausgebacken. „Es ist ein bisschen wie Lego: Wir haben die Bausteine in einem Lösemittel. Und erst, wenn wir sie drucken und alles trocknet, fügen sie sich zusammen“, erklärt Eva Unger. Das Ergebnis ist dann ein hauchdünner Materialfilm, der Sonnenlicht einfangen und daraus Strom erzeugen kann.
Ein Booster für herkömmliche Solartechnologie
Was so einfach klingt, ist in Wahrheit ein hochkomplexer Prozess, bei dem alle Komponenten und Verarbeitungsschritte gut überlegt und analysiert werden müssen. Welches Lösemittel ist am besten geeignet? Wie verhalten sich die verschiedenen Perowskite in der Lösung? Welche Perowskit-Bausteine sind am effizientesten und lassen sich gut kombinieren? Welche Produktionsschritte beeinflussen die Qualität der gedruckten Solarzellen und wie kann man sie optimieren? Es gibt viele kritische Punkte, die einen großen Einfluss darauf haben, wie gut das Endprodukt wird. All das wird hier im Labor an kleinen Mini-Modulen erforscht, die nur wenige Zentimeter Kantenlänge haben, um zukünftig hochwertige Perowskit-Solarzellen in großem Maßstab produzieren zu können. Neben dem Drucken testen die Forschenden auch weitere Herstellungserfahren mit den etwas sperrigen Namen „Schlitzdüsenbeschichtung“ oder „Rotationsbeschichtung“.
Perowskit-Materialien sind nicht mit herkömmlichen Halbleitern wie Silizium zu vergleichen. „Sie sind weicher und dynamischer, sehr defekttolerant und neigen sogar dazu, Defekte selbstständig auszuheilen“, erklärt Eva Unger. Für die Praxis bedeutet das: Solarzellen auf Perowskit-Basis haben eine hohe Ausbeute und regenerieren sich in der Nacht, wenn die Sonne nicht scheint, zu einem gewissen Grad von selbst. Mehrere tausend Stunden Lebensdauer mit minimalem Leistungsabfall wurden bereits nachgewiesen, aber die tatsächliche Zeitspanne dürfte viel länger sein. Die Forschung zu diesen Halbleitermaterialien der neuen Generation stecken noch in den Kinderschuhen – aber schon heute sind sie – in kleinflächigen Labortestsolarzellen – ähnlich effizient wie herkömmliche Silizium-Solarzellen.
Das war die Kurzfassung des Artikels „Strom im Tandem“. Lesen Sie die längere Fassung auf dem Nachhaltigkeitsportal humboldts17.