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Verspielte Ratten

Forschende kitzeln Ratten, um Hirnstrukturen zu identifizieren, die für Lachen und Verspieltheit entscheidend sind.

Um das Spielverhalten von Tieren zu untersuchen, müssen Wissenschaftler:innen in der Lage sein, es im Labor authentisch zu simulieren. Tiere wie Ratten sind weniger zum Spielen geneigt, wenn sie ängstlich sind, und es gibt nur wenige Daten über die Gehirnaktivität von Ratten, die frei spielen können. Nachdem sich die Ratten an einen menschlichen Spielkameraden gewöhnt hatten, wurden sie unter kontrollierten Bedingungen gekitzelt und anschließend die Rufe der Ratten und ihre Gehirnaktivität wurde gemessen. Ein Forscherteam berichtet am 27. Juli in der Zeitschrift Neuron, dass eine Struktur im Rattenhirn, das so genannte periaquäduktale Grau, für das Spielen und Lachen entscheidend ist.

„Wir wissen, dass Lautäußerungen wie Lachen beim Spielen sehr wichtig sind, und dass , das Lautäußerungen dieses Verhalten regulieren“, sagt Michael Brecht, ein Neurowissenschaftler an der Humboldt-Universität zu Berlin. „Kinder prüfen zum Beispiel, ob Spielkameraden lachen, wenn sie miteinander spielen und kämpfen. Wenn ihr Spielkamerad nicht mehr lacht, hören sie mit ihren gespielten Kämpfen auf.“

Bei Spaß geben Ratten Ultraschallrufe von sich

Spielen ist eine der am wenigsten verstandenen Verhaltensweisen, und die Wissenschaftler kennen derzeit nicht die neuronalen Bahnen, die das Spielverhalten von Menschen oder anderen Tieren steuern. Um mehr über die Neurowissenschaften des Spiels zu erfahren, stellten die Forscher zunächst sicher, dass sich die untersuchten Ratten während des gesamten Experiments frei bewegen konnten. Außerdem gaben sie den Ratten ein paar Tage Zeit, um sich an ihre neue Umgebung zu gewöhnen. Sobald sich die Ratten wohl fühlten, spielten die Forscher mit ihnen „Fang die Hand-Spiel“ und kitzelten die Ratten an Rücken und Bauch. Ratten lachen nicht so wie Menschen, aber wenn sie Spaß haben, geben sie Ultraschallrufe von sich, die Menschen nicht hören können. Die Forscher registrierten diese Ultraschallrufe, um sicherzustellen, dass die Ratten Spaß hatten.

Bei der Untersuchung der Gehirnaktivität der Tiere fanden die Forscher starke neuronale Reaktionen sowohl auf Kitzeln als auch auf Spielen in der lateralen Kolumne des periaqueduktalen Grauens (PAG). Wurde dieser Teil des Gehirns gehemmt, spielten die Ratten nicht mehr so viel und lachten nicht mehr so häufig.  Wurden die Ratten dagegen in eine ungewohnte Umgebung gebracht, die Angst auslösen sollte, hörten sie ebenfalls auf zu lachen, und die auf Kitzelnd Spielen reagierenden Zellen in der lateralen Kolumne des PAG verringerten ihre Aktivität.

Das PAG befindet sich im Mittelhirn und war in der Vergangenheit dafür bekannt, dass es Lautäußerungen und die Kampf-oder-Flucht-Reaktion kontrolliert. Auch spielerische Kämpfe können eine Kampf-oder-Flucht-Reaktion auslösen, was eine Erklärung für die Rolle des PAG beim Spielen sein könnte. Frühere Forschungen haben gezeigt, dass das Spielverhalten auch dann anhält, wenn sich der Kortex, der das Bewusstsein steuert, fehlt, was darauf hindeutet, dass das Spiel ein eher instinktives Verhalten ist.

„Spielen wird unterschätzt“

„Viele Leute denken, dass Spielen kindisch oder ein nicht sehr entscheidendes Verhalten ist, aber Spielen wird unterschätzt, sagt Brecht. „Normalerweise dienen Gehirne zur Kontrolle von Verhaltensweisen. Spielverhalten hingegen scheint dazu zu dienen, das Gehirn zu trainieren.“

Als Nächstes wollen die Forscher herausfinden, ob sie ähnliche Aktivitäten in der lateralen Säule anderer Tiere beobachten, wenn mit ihnen gespielt wird, was es ihnen ermöglichen könnte, die Verspieltheit verschiedener Arten zu vergleichen. Außerdem wollen sie herausfinden, ob sich die Entwicklung der lateralen Säule des PAG verändert, wenn man jüngeren Ratten andere Spielgewohnheiten gibt.

Diese Arbeit wurde unterstützt von der Humboldt-Universität zu Berlin, dem Bernstein Center for Computational Neuroscience Berlin, dem Exzellenzcluster NeuroCure, dem Einstein Center for Neurosciences Berlin, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem BrainPlay Grant des European Research Council.

Publikation

Neuron, Gloveli et al. „Play and tickling responses map to the lateral columns of the rat periaqueductal gray“, DOI:10.1016/j.neuron.2023.06.018

Link zur Publikation

Über die Publikation

Das American Journal of Human Genetics, das von Cell Press für die American Society of Human Genetics herausgegeben wird, ist eine monatlich erscheinende Zeitschrift, die Forschungsergebnisse und Berichte über die Vererbung beim Menschen und die Anwendung genetischer Prinzipien in Medizin und Politik sowie in verwandten Bereichen der Molekular- und Zellbiologie veröffentlicht. 

Kontakt

Michael Brecht
Humboldt-Universität zu Berlin

michael.brecht@bccn-berlin.de