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Achtung Wildwechsel: Wenn Menschen Tiere stören

Ein internationales Forscherteam fordert, menschliche Verhaltensweisen in die stärker Naturschutzplanung einzubeziehen, um die Koexistenz von Wildtieren und Menschen zu gewährleisten
Wolfsrudel auf Wiese

Ein Rudel Wölfe überquert eine "grüne Brücke", die gebaut wurde, um stark
fragmentierte Lebensräume in Deutschland zu verbinden.
Foto: Conservation Biogeography, Humboldt-Universität

In einem in der Fachzeitschrift One Earth veröffentlichten Beitrag, führt ein internationales Team, dem auch die Forscher Arash Ghoddousi und Tobias Kuemmerle von der Humboldt-Universität zu Berlin angehören, das Konzept des "anthropogener Widerstand" ein, um die Auswirkungen menschlichen Verhaltens auf die Bewegungen von Wildtieren besser erkennen und einschätzen zu können.

Menschliche Landnutzung und Straßen fragmentieren zunehmend die Lebensräume von Wildtieren auf der ganzen Welt, was die Planung von Korridoren zur Vernetzung von Habitaten erfordert. Bisher basiert Korridorplanung, wie z. B. die Ausweisung von Trittsteinhabitaten oder der Bau Grünbrücken, meist ausschließlich auf Landschaftsmerkmalen, wie beispielweise der Anordnung von Waldgebieten oder dem Verlauf von Autobahnen. Aber auch menschliches Verhalten kann die Bewegungen von Wildtieren stark beeinträchtigen.

Laut der Studie, an der Forschende  der Texas A&M University, der Universität Göttingen, der Ohio State University und der Boise State University mitgewirkt haben, kann eine Reihe von Verhaltensweisen und sozioökonomischen Faktoren beeinflussen, wie Arten sich in Landschaften bewegen können, was zu zusätzlich zu physischen Hindernisse zu "anthropogenem Widerstand" in Landschaften führt. So stellen beispielsweise Ackerflächen für manche Arten unüberwindbare Hindernisse dar und werden von anderen aber als Unterschlupf oder Nahrungsquelle genutzt, oder während der Jagdsaison gemieden. In einigen Teilen der Welt führen kulturelle und religiöse Faktoren dazu, dass große Raubtiere wie Tiger und Löwen trotz erheblicher Viehverluste und Bedrohungen von Menschen toleriert werden, während sie in anderen Weltregionen verfolgt werden.

Die Autor:innen schreiben weiter, dass diese Unterschiede im menschlichen Verhalten in hohem Maße bestimmen, wohin sich Wildtiere bewegen - und damit in vom Menschen überprägten Landschaften überdauern können. Die Berücksichtigung des "anthropogenen Widerstands" bei der Korridorplanung wäre deshalb neben der Berücksichtigung von Landschaftsstruktur wichtig. Das interdisziplinäre Forscherteam zeigt ebenfalls auf, wie Sozial- und Naturwissenschaftler:innen zusammenarbeiten könnten, um den "anthropogenen Widerstand" zu messen und in die Korridorplanung einzubeziehen, um die Funktionalität der Landschaft für Wildtiere und Menschen zu gewährleisten.

Publikation

Anthropogenic resistance: accounting for human behavior in wildlife connectivity planning, One Earth Volume 4, Issue 1, 22 January 2021, Pages 39-48,

Link zur Studie 

Kontakte

Dr. Arash Ghoddousi
Geographisches Institut, Biogeographie
Humboldt-Universität zu Berlin

arash.ghoddousi@geo.hu-berlin.de

Prof. Dr. Tobias Kümmerle
Geographisches Institut, Biogeographie
Humboldt-Universität zu Berlin

 tobias.kuemmerle@hu-berlin.de