Presseportal

„Berlin ist riesig, man trifft sich nicht zufällig.“

Paul Balduf, Präsident der „HU-Docs“ über Angebote und Austauschmöglichkeiten für Doktorand:innen im Rahmen des Promovierendennetzwerks der HU
Paul Balduf wird bald die Humboldt-Universität verlassen, sich von seinen Kolleg:innen am Institut für Physik verabschieden, genauer gesagt von der Arbeitsgruppe von Prof. Dirk Kreimer, wo er gerade seine Doktorarbeit abschließt. Er wird auch von vielen anderen Doktorand:innen der HU, die in den „HU-Docs – dem Promovierendennetzwerk der Humboldt-Universität zu Berlin e.V.“ zusammengeschlossen sind, Abschied nehmen.
Der Nachwuchswissenschaftler ist Präsident der Vereinigung, er hat sich in den vergangenen zwei Jahren engagiert – allen pandemischen Einschränkungen zum Trotz. Das Graduiertennetzwerk gibt es schon seit knapp 20 Jahren, es wurde 2004 als „HUPI“ (HU Promovierendeninitiative) gegründet und ist seit 2011 ein Verein. Anfangs richtete er sich vorrangig an ausländische Promovierende, mittlerweile sind sowohl deutsche als auch an internationale Doktorand:innen der HU sowie auch anderer Berliner Universitäten willkommen, wenn sie sich fachlich austauschen, neue Menschen kennenlernen, an Veranstaltungen teilnehmen möchten und Unterstützung brauchen.

Herzstück ist das Doc-Café

So ging es auch Balduf selbst in seiner Anfangszeit als Doktorand. Er wollte neue Leute kennenlernen.  Seinen Bachelor in Physik machte er in Jena, den Master an der HU. „In Jena, wo rund ein Drittel der Einwohner Studierende sind, stößt man regelmäßig auf andere Studierende und hat Kontakt. Berlin ist riesig, man trifft sich nicht zufällig.“ Als Doktorand war er auf der Suche nach fächerübergreifenden Austauschmöglichkeiten außerhalb der eigenen Arbeitsgruppe. „Ich wollte jemanden kennenlernen, der nicht Physik studiert hat“, sagt Balduf, der zu Quantenfeldtheorie, Renormierung und computergestützter Graphentheorie forscht. Zufällig stieß er auf zwei Veranstaltungen der HU-Docs, ohne zu wissen, von wem sie organisiert werden. Zuerst war er auf den PhD-Day in Adlershof, wo sich wichtige Abteilungen der Universität vorstellen. Balduf ist gerne mit dem Rad unterwegs. Auf seinen Erkundungsreisen zu den Universitätsgebäuden in Mitte entdeckte er 2018 das Doc-Café, erste Anlaufstelle und eine der wichtigsten Veranstaltungen des Vereins. Das Prinzip: Es gibt gratis Kaffee und Kekse, jede:r ist willkommen, vorbeizuschauen und andere Promovierende kennenzulernen. „Das Café läuft ohne Anmeldung und Programm, Leute unterhalten sich, tauschen sich aus und bleiben, solange sie Lust haben“, sagt Balduf. Früher fand das Café im Hauptgebäude statt, mittlerweile ist es in der Humboldt Graduate School (HGS) in der Luisenstraße 56 untergebracht. „Durch die Pandemie hat das Café zwei Jahre nur sporadisch und per Zoom stattgefunden, wir sind gerade dabei, den Präsenz-Betrieb wieder regelmäßig aufzunehmen“, erklärt er.  

Die Mitgliedschaft im Verein ist nicht obligatorisch

„Ich organisiere gerne“, erklärt der theoretische Physiker seine Motivation, sich im Verein zu engagieren. Die HU-Docs laden zu einem breiten Spektrum an Veranstaltungen ein, es finden Ausflüge statt, kürzlich zum Beispiel eine Tagestour per 9-Euro-Ticket nach Quedlinburg. Es gibt eine Schreibgruppe und einen Stammtisch: „Wir treffen uns jedes Mal an einem anderen Ort, damit man die Stadt und ihre Bars und Parks kennen lernt“, sagt Balduf. Auf dem interkulturellen Abend kann jeder nach Anmeldung seine Heimatstadt oder Land mit einem typischen Gericht, Getränk oder Spiel vorstellen. Den HU-Docs gehören 200 Mitglieder an, etwa 80 gehören zum aktiven Teil. Man kann, muss aber nicht Mitglied des Vereins sein, um die Veranstaltungen zu besuchen.

Regelmäßige Umfrage zu finanzieller Situation

Jedes Jahr führt der Verein eine Online-Umfrage über die Situation der Berliner Promovierenden durch. Schwerpunkt ist dabei die Finanzierung. Die Ergebnisse werden der Unileitung vorgelegt. „Wir möchten darüber informieren, was für Schwierigkeiten die Promovierenden momentan haben. Beispielsweise hat die Humboldt Graduate School nach unseren Beschwerden über undurchsichtige Finanzierungsmöglichkeiten ein Handbuch zum Thema Finanzierung erstellt. Neulich hat auch eine HU-Docs-Vertreterin die Ergebnisse der Umfrage auf einer Konferenz zum Thema präsentiert“, erklärt Balduf. Die Ergebnisse sind aber auch interessant für die einzelnen Promovierenden, denn eine Promotion ist oftmals sehr individuell und durch die Umfragen erhält man ein Bild davon, wie es anderen im Vergleich ergeht. „Ich könnte mir auch vorstellen, dass die Ergebnisse in Zukunft stärker politisch genutzt werden, um die große Ungleichheit von zum Beispiel Stipendienfinanzierung versus Uni-Anstellung zu thematisieren.“

Unterstützt wird der Verein von der Humboldt Graduate School durch Räume und vom Deutschen Akademischen Austauschdienst mit sporadischen Zuschüssen für Veranstaltungen. „Ich habe auch privates Geld reingesteckt und vor allem viel Zeit“, sagt der theoretische Physiker, der Physik auch im praktischen Sinne beherrscht und auch mal die Elektrik selbst zum Laufen bringt, wenn es irgendwo hakt. Balduf, der als Postdoc an die Universität Waterloo in Kanada gehen wird, freut sich, dass es genügend Personen gibt, die sich im Verein engagieren und das achtköpfige Präsidium füllen werden, wenn es im Laufe des Sommers neu gewählt wird. Aber da auch andere ihren Abschluss machen und weiterziehen, hofft Balduf, dass neue Generationen auf den Verein stoßen, seine Angebote nutzen und sich engagieren. 

Autorin: Ljiljana Nikolic

Weitere Informationen