Wasserknappheit zwischen Brandenburg und Kalifornien
Prof. Dr. Dieter Gerten
Foto: Iona Dutz
Dieter Gerten ist Leiter der Arbeitsgruppe „Sicherer Handlungsraum Landbiosphäre“ am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und Professor für Klimasystem und Wasserhaushalt im Globalen Wandel am Geographischen Institut der Humboldt-Universität zu Berlin.
Anwohner werden in Berlin aufgefordert Stadtbäume zu gießen, in Teilen Brandenburgs wird Trinkwasser rationiert und der Dürremonitor zeigt in Brandenburg viele tiefrote Flächen. Wie schlimm ist die Wasserkrise in Berlin und Brandenburg?
Prof. Dr. Dieter Gerten: Grundsätzlich ist das östliche Deutschland auch ohne Klimawandel trockener als anderen Teile Mitteleuropas. Weil wir ein kontinentaleres Klima haben, regnet es weniger. Außerdem haben wir hier Sandböden, in denen das Wasser schneller versickert. Hinzu kam aber tatsächlich 2018 eine Dürre, die in ihrer Kombination aus Trockenheit und Hitze und in ihrer Intensität historisch einmalig war. Und sie hat sich ja auch 2019 fortgesetzt und auch 2020 hatten sich die tieferen Bodenschichten sowie die Grundwasservorräte noch immer nicht erholt.
Mit Blick auf die Klimaszenarien für die Zukunft würde ich tatsächlich sagen, dass wir hier am Beginn einer Krisensituation sind, die man ernst nehmen muss. Wir sollten uns stärker auf Trockenheit und Dürre in den nächsten Jahrzehnten vorbereiten. Wobei ich auch dazu sagen muss, dass wir genauso gut auch sehr feuchte Sommer haben können, wie der Sommer 2021. Das hat einen Teil der Dürresituation wieder ausgeglichen, ging aber in einigen Gegenden mit schweren Hochwassern ins entgegengesetzte Extrem über. Dieses Jahr war der März bereits außergewöhnlich trocken. Wie sich der Sommer entwickelt, wird sich noch zeigen.
Das klingt so, als wäre die Kritik am hohen Wasserverbrauch des Tesla-Werks in Brandenburg durchaus berechtigt. Oder was sind die größten Wassernutzer in der Region?
Die regionalen Wassernutzer sind Industrie, Landwirtschaft und wir alle in unseren Haushalten. In der Landwirtschaft ist der Wasserverbrauch gar nicht so hoch, denn Bewässerung ist hier nicht so ausgedehnt – noch, muss man sagen. Bei weiteren trockeneren Bedingungen könnte es sein, dass wir auch in Brandenburg die Felder bewässern müssen. In der Industrie gab es schon vor Tesla Unternehmen im Chemie- oder Bergbaubereich, die viel Wasser verbraucht haben. Jetzt muss man bei jedem neuen Wassernutzer genau hinschauen, wie hoch dessen Wasserbedarf ist und ob das die lokale Situation verschärft. Und natürlich können wir auch in Haushalten – besonders in Trockenzeiten – mit den bekannten Maßnahmen –Wasser einsparen: Duschen statt Baden, das Wasser nicht nutzlos laufen lassen oder für manche Bereiche Regenwasser nutzen. Auch wenn wir in Deutschland und Mitteleuropa nicht im Brennpunkt der globalen Wasserkrise sind, in allen drei Bereichen müssen wir auch hier die Situation beobachten und ernst nehmen.
In Zukunft werden wir auch stärker über Maßnahmen nachdenken müssen, die sicherstellen, dass das vorhandene Wasser unter allen Nutzern fair verteilt wird. Wichtig ist aber zu wissen, dass ein typischer Berliner mehr Wasser aus anderen Gegenden der Welt verbraucht als aus der eigenen – über die Lebensmittel, die wir essen und die sonstigen Produkte, die wir nutzen.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Für die Erzeugung eines 200-Gramm-Steaks fallen über 3000 Liter Wasser an. Das ist fast so viel wie wir pro Kopf in einem Monat im Haushalt verbrauchen. Das ist zum Beispiel Wasser aus Argentinien und Brasilien, wo das Tierfutter für die Rinder angebaut wird. Solche Zusammenhänge gibt es viele auf der Welt. Mit unserem Konsum tragen wir somit zur Wassernutzung und Wasserknappheit in anderen Regionen bei. Man kann dieses sogenannte virtuelle Wasser für Produkte und Lebensmittel ausrechnen und stellt fest, dass zum Beispiel für ein Kilogramm Fleisch ein Mehrfaches an Wasser als für ein Kilogramm vegetarischer Produkte verbraucht wird. Daher ist es wichtig den Wasserverbrauch für Produkte zu kennen, Wasserverbrauch global zu denken und die Muster unseres Konsums zu verändern.
In welchen Teilen der Welt sehen Sie eine Verschärfung der Wasserkrise?
Eine sehr kritische Gegend ist aktuell der Südwesten der USA. Da das 20. Jahrhundert dort relativ feucht war, hat man eine umfangreiche Wasserinfrastruktur aufgebaut aus Staudämmen, Pipelines, Bewässerungsanlagen. Nun kommen Bevölkerungswachstum, höherer Wasserverbrauch und Klimakrise zusammen, die diese Infrastruktur völlig überfordern und zu einer alarmierenden Dürresituation führen. Klimaprognosen sagen sogar eine langwährende Megadürre voraus, die in den nächsten Jahrzehnten für ein signifikant trockeneres Klima in der Gegend sorgen und die Wirtschafts- und Lebenssituation der Menschen stark verändern wird.
Ein anderes, politisch noch stärker aufgeladenes Beispiel ist der Grand-Ethiopian-Renaissance-Staudamm am Blauen Nil, der kurz vor der Fertigstellung steht. Er wird das Wasser des Nils vor dem Sudan und Ägypten aufstauen. Die große Befürchtung ist, dass Äthiopien jetzt Kontrolle über das lebensnotwendige Wasser des Nils hat und möglicherweise nicht genug für die Landwirtschaft im Sudan und in Ägypten ankommt. Wasserknappheit, Dürre und der Klimawandel werden also Spannungen zwischen Ländern verschärfen und können zu ernsthaften Konflikten führen.
Neben der Bekämpfung des Klimawandels – was kann man tun, um diese Wasserkrisen abzumildern?
Man könnte erstaunlich viel Wasser mit besserem Wassermanagement einsparen. Nehmen wir die Landwirtschaft, die weltweit immer noch der größte Wasserverbraucher ist. Bewässerte Landwirtschaft ist in vielen Ländern sehr ineffektiv, im Schnitt kommt nur die Hälfte des Wassers bei den Pflanzen an. Statt der Sprinklerbewässerung kann man zur sogenannten Tröpfchenbewässerung übergehen. Hier wird das Wasser direkt zu den Pflanzen am Boden geleitet.
Und mit digitalen Messtechnologien kann man das Wasser sogar genau zu dem Zeitpunkt und an die Stelle leiten, wo es gerade benötigt wird. Eine andere Möglichkeit ist es, freie Bodenflächen abzudecken, zum Beispiel mit Stroh. Das verringert die Verdunstung und lässt mehr Wasser im Boden, das die Pflanzen dann aufnehmen können.
Wir haben das in unserer Forschungsgruppe mal durchgerechnet: Wenn solche Maßnahmen auf allen bestehenden Ackerflächen durchgeführt würden, könnte man die Produktion um zehn bis vierzig Prozent steigern, ohne mehr Wasser zu verbrauchen. Für mich geht es am Ende aber auch um ein Umdenken über die Rolle des Menschen im Erdsystem. Wasser ist nun mal die Grundlage allen Lebens und wir müssen viel umsichtiger, schonender, nachhaltiger mit diesem Natur- und Kulturgutumgehen.
Die Fragen stellte Artur Krutsch