„Atomkraftwerke lassen sich nicht gegen Katastrophen wie in Fukushima versichern“
Prof. Dr. Klaus Eisenack leitet die Arbeitsgruppe Ressourcenökonomik am Albrecht Daniel Thaer-Institut für Agrar- und Gartenbauwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin. Im Interview spricht er über die Folgen der Nuklearkatastrophe von Fukushima.
Die Nuklearkatastrophe von Fukushima ist zehn Jahren her. Wie steht es heute um die deutsche Energiewende nach Fukushima und welche Lehren für die Zukunft kann man daraus ziehen?
Prof. Dr. Klaus Eisenack: Leider festigte sich erst nach dieser dramatischen Katastrophe das Bewusstsein für die Probleme der Atomkraft in der politischen Mitte. Die deutsche Bunderegierung war vor zehn Jahren im Begriff, den Wiedereinstieg in die Atomkraft zu vollziehen, und hat dann nach Fukushima eine teure Rolle rückwärts gemacht. Auch in anderen Ländern, etwa in China, hat die Katastrophe zumindest zeitweise zu umfangreichem Nachdenken geführt. Deutschland demonstriert nun, dass ein gleichzeitiger Ausstieg aus Atomkraft und Kohleverstromung gelingen kann. Ein Grund dafür sind die enormen Kostensenkungen für Windkraft und Photovoltaik. Der Kohleausstieg sollte daher ambitionierter sein – andere Länder haben in dieser Hinsicht Deutschland längt überholt. Wenn erst Katastrophen einen notwendigen politischen Wandel ermöglichen, werden wir wohl erst noch weitere Klimafolgen zu spüren bekommen, bevor die Energiewende umgesetzt ist. Ich persönlich hoffe, dass ich mich diesbezüglich täusche.
Welche Fragen wirft die Katastrophe für die ökonomische Forschung auf?
Eisenack: Da die Produktion von Wind- und Solarkraftanlagen schwankt, wird häufig eingewendet, dass bei einem gleichzeitigen Verzicht auf Atom- und Kohleverstromung eine Mindestversorgung mit Elektrizität (Grundlast) nicht mehr sichergestellt werden kann. Dieses Argument halte ich für überholt. In meiner Arbeitsgruppe haben wir zum Beispiel die vielversprechenden Möglichkeiten von Flexibilitätsoptionen wie Energiespeicher, Netzausbau und Verträge mit Abschaltoption untersucht. Zudem können einige Technologien (etwa mit Biomethan oder Geothermie) zur Abfederung sogenannter „Dunkelflauten“ beitragen. Aufgrund der starken Kostensenkungen können erneuerbare Energien mit Überkapazitäten in das Netz integriert werden. In Zukunft brauchen wir jedoch ein anderes Design von Strommärkten, um eine solche Integration anzureizen. Wir fragen uns auch, wie sich ökonomisch-politische Widerstände gegen eine umfangreiche Energiewende, die ja ehemals teure Atomkraftwerke entwertet, mit einem geeigneten Instrumentarium reduzieren lassen.
In Deutschland sollen die letzten Atomreaktoren bis Ende 2022 vom Netz gehen. In anderen Ländern, wie z.B. Frankreich, wird an der Atomenergie festgehalten oder geplant, neue Reaktoren zu bauen. Wird es eine Renaissance der Atomenergie geben, wie einige Medien berichten, und was wären die Folgen für den Klimaschutz?
Eisenack: Das jahrzehntealte Argument, Atomenergie könnte einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten, hat mich noch nie überzeugt. Auch durch neue Kraftwerkstypen und häufige Wiederholung wird das Argument nicht besser. Obwohl anscheinend immer wieder versucht wird, eine Renaissance herbei zu reden, sprechen die Zahlen eine andere Sprache. Weltweit steigt die Zahl der Atomkraftwerke seit Jahren nicht mehr, China mal davon ausgenommen, ich vermute aber, dass man sich auch dort mittelfristig eines anderen besinnt.
Atomenergie ist einfach sehr teuer, und daher vermutlich nur mit geostrategischen Interessen zu erklären. Schon unter Marktbedingungen sind Erneuerbare günstiger geworden. Dabei sind noch nicht die Kosten von Uranabbau, Kraftwerksrückbau und Endlagerung berücksichtigt. Diese sind in der Regel überwiegend sozialisiert und ökonomisch nur schwer zu schätzen. Atomkraftwerke lassen sich nicht gegen Katastrophen wie in Fukushima versichern. Hinzu kommt das Risiko der Proliferation von Atomwaffen. Ich halte es weder für wünschenswert noch notwendig, eine Risikotechnologie durch eine andere zu ersetzen.
Die Fragen stellte Kathrin Kirstein.
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