Presseportal

Wer verliert, wer gewinnt? Kolumbianische Staudämme erschaffen eine neue hydro-soziale Realität

HU-Wissenschaftler:innen erforschen im Water4Whom-Projekt mit Unterstützung der Volkswagenstiftung die Auswirkungen von Mega-Staudämmen in Kolumbien
Alternativtext

Ein kolumbianischer Fischer am Mega-Staudamm Betania-Quimbo.
Foto: Patrick Hostert

Mit seiner Lage in den Anden und mit seinem immensen Wasserreichtum ist Kolumbien ein Land der Wasserkraft. Die kolumbianischen Staudammprojekte erzeugen mehr Energie, als das Land verbraucht – eine Chance vor allem mit Blick auf das Sustainable Development Goal 7, mit dem die Vereinten Nationen bezahlbare und saubere Energie weltweit einfordern. Aber ganz so einfach ist es nicht, meint Tobias Krüger, Professor für „Hydrologie und Gesellschaft“ und Co-Direktor des Integrativen Forschungsinstituts zu Transformationen von Mensch-Umwelt-Systemen (IRI THESys) an der HU Berlin. „Die Energieerzeugung aus Wasserkraft ist ein wichtiger Pfeiler der ökonomischen Entwicklung in Kolumbien. Zugleich entsteht eine neue hydro-soziale Realität vor Ort – nicht zuletzt durch die Umsiedlung ganzer Gemeinden, durch den Verlust von Ackerland entlang der Flussläufe und die Veränderung der Fischerei, letztlich durch die Entwurzelung der lokalen Bevölkerung.“

Mit interdisziplinären Methoden in die Gesellschaft wirken

Genau in diesem Spannungsfeld ist das interdisziplinäre Projekt „Water Security for Whom“ (Water4Whom) angesiedelt. Das Projekt findet auf zwei Kontinenten in enger Kooperation mit Kolleg:innen der Pontificia Universidad Javeriana in Bogota, der Universidad Surcolombiana (beide Kolumbien) und der Universidade Federal de Minas Gerais (Brasilien) statt und wird durch die Volkswagenstiftung gefördert. „Die Stiftung mit ihrem Slogan ‚Wir fördern Forschende, die die Welt der Wissenschaft verändern wollen‘ ist die perfekte Partnerin für Projekte, die wie Water4Whom den Anspruch haben, in die Gesellschaft zu wirken,“ so Krüger.

Dr. Rossella Alba, Postdoktorandin der Humboldt-Universität im Projekt, beschreibt den Water4Whom-Ansatz so: „In Water4Whom forschen wir interdisziplinär an der Schnittstelle von Ökologie, Ökonomie und Sozialem. Entsprechend betrachten wir die Mega-Staudammprojekte in Kolumbien mit vielfältigen Methoden – von der hydrologischen Modellierung bis hin zur anthropologischen Feldforschung. Die verschiedenen Forschungsstränge zusammenzuführen, ist eine grandiose Herausforderung, methodisch wie inhaltlich. Dabei haben wir immer die Frage vor Augen: Wer verliert, wer gewinnt?“

Aquakultur-Industrie am Doppelstaudamm-Projekt Betania-Quimbo

Krüger und Alba koordinieren das Konsortium kolumbianischer, brasilianischer und deutscher Wissenschaftler:innen. Die Förderung fließt dabei vor allem in die Promotionsvorhaben des Projekts, mehr als die Hälfte der Gelder nach Kolumbien und Brasilien.

Die sieben Doktorand:innen und das gesamte Water4Whom-Team verbrachten im März zwei Wochen vor Ort und besuchten das Doppelstaudamm-Projekt Betania-Quimbo. Dabei ging es vor allem um die intensive Aquakultur-Industrie, die das Betania-Reservoir nutzt. Die Fischproduktion für den Exportmarkt schafft hier einerseits Arbeitsplätze, aber nicht für alle. Gleichzeitig beeinträchtigt sie die Wasserqualität des Reservoirs und damit die individuelle Fischerei der lokalen Bevölkerung.

Im Anschluss beginnt jetzt eine weitere intensive Feldarbeitsphase der Doktorand:innen und das parallele Zusammenführen der Einzelergebnisse. Denn nur mit einem Blickwinkel, der von globalen Modellen am Computerbildschirm bis zu Interviews am Flussufer reicht, können die hydro-sozialen Realitäten von Staudammprojekten in ihrer Komplexität verstanden und politisch neu gedacht werden.

Kontakt

Prof. Tobias Krüger

Tel.: 030 2093-6839 
tobias.krueger@hu-berlin.de

Dr. Rossella Alba

rossella.alba@hu-berlin.de