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HU im Dialog: ChatGPT im Universitätsbetrieb aktiv gestalten

Die textgenerierende KI „ChatGPT“ ist in aller Munde. Die Humboldt-Universität widmete dem Thema am 2. März die Veranstaltung „HU im Dialog“, an der insgesamt knapp 500 Studierende, Lehrende sowie Verwaltungsmitarbeitende der HU teilnahmen

Seit „ChatGPT“ im November 2022 auf den Markt gekommen ist, hat eine gesellschaftliche Debatte über die Bedeutung der textgenerierenden KI eingesetzt. Die Humboldt-Universität widmete dieser am 2. März die hybride Veranstaltung „HU im Dialog“, an der insgesamt knapp 500 Studierende, Lehrende sowie Verwaltungsmitarbeitende der HU teilnahmen und ihre Fragen an fünf HU-interne Expert:innen zum Thema KI richten konnten.

Handelt es sich um eine Revolution oder Evolution?, fragte Torsten Hiltmann in seinem die Veranstaltung einleitenden Impulsvortrag – und stellte sogleich klar: „Die ganze Sache ist gekommen, um zu bleiben.“ Ziel der Auftakt-Veranstaltung, der im Sommersemester weitere Formate für Studierende und Lehrende folgen, war zu umreißen, wie die neue Technologie, die bereits 13 Millionen Menschen täglich nutzen, funktioniert, welche Bedeutung sie für die Hochschulbildung hat, worin ihre Möglichkeiten aber auch Grenzen liegen. Der Chatbot, mit dem die Nutzer:innen im Dialog stehen, kann – je nach Anforderung – unterschiedliche Texte generieren, aber auch redigieren, zusammenfassen und übersetzen, erklärte Hiltmann, Professor für Digital History und Teilprojektleiter im KI-Forschungsprojekt AI-Skills. „Daraus ergeben sich weitreichende Fragen von Epistemologien, also wie verändert sich die Art und Weise, wie wir Wissenschaft betreiben, zu Wissen kommen und Wissen weiterverarbeiten.“ Universitäre Lehre und Forschung kämen deshalb nicht daran vorbei, sich mit der neuen Technologie auseinanderzusetzen, sie zu integrieren oder zumindest einen Standpunkt dazu zu finden, ergänzte Niels Pinkwart, Vizepräsident für Lehre und Studium.

Sprachmodelle seien bereits seit einigen Jahren in der Lage, gute Texte zu erzeugen, erläuterte Alan Akbik, Professor für Maschinelles Lernen am Institut für Informatik, den technischen Entwicklungsstand: „Wirklich neu ist die Fähigkeit, als Mensch dem Modell zu sagen, was man haben möchte.“ Dies sei erst durch den Chat möglich. „Wir können dem Modell Anweisungen geben – zum Beispiel: 'So gefällt es mir noch nicht, mach es bitte neu.'“ Der Wissenschaftler rechnet damit, dass sehr bald schon Sprachmodelle wie ChatGPT mit Suchmaschinen verbunden werden, um ihre Recherche auszudehnen. Dadurch könne das Problem, dass Informationen teilweise fehlen oder falsch sind, reduziert werden.

ChatGPT: Gut lesbare Texte, aber teils falsche Informationen

Die von ChatGPT generierten Texte seien zwar gut lesbar, ihre Inhalte aber nur nach gründlicher Prüfung verwendbar, betonte auch Niels Pinkwart. Zu unbekannt sei, auf welchen Daten und Informationen sie beruhen und wie diese gewichtet werden. Den aktuellen Hype bezeichnete er als „Symptom einer übergeordneten Entwicklung, nämlich dem Aufkommen von Modellen zum Generieren etwa von Bildern, Logos und Sprachimitationen“. Dass weitere Firmen in Kürze ähnliche Modelle und Chatbots auf den Markt bringen, zeige, dass „generative KI Teil der zukünftigen Arbeitswelt der Studierenden ist“. 

Die Studierenden reagierten derzeit mit großem Interesse auf die Entwicklung, berichtet Benjamin Kley, Studierendenvertreter des RefRats und Student der Informatik. „Es gibt aber auch gewisse Ängste aufgrund der Erfahrungen, die wir während der Corona-Zeit mit dem Einsatz von Technologie im Prüfungskontext gemacht haben.“ Der zu lockere Umgang etwa mit Plagiatssoftware bewirke, dass Studierende lieber vorsichtig mit der neuen Technologie umgehen wollen. „Wir sind an der Uni, weil wir lernen wollen“, bekräftigte Kley. „Wir studieren die Fächer, weil sie uns interessieren und werden nicht versuchen, auf Biegen und Brechen zu betrügen.“ 

Anwendung von KI in der Lehre gestalten: Mehr Zeit für wissenschaftliches Arbeiten

Wie sollte also die Lehre im Sommersemester 2023 mit ChatGTB umgehen: verbieten, dulden oder gestalten? Dies war auf dem Podium eine zentrale Frage. Petra Anders, Professorin für Deutschunterricht und seine Didaktik, plädierte vehement für den aktiven Umgang damit. Dass der Chatbot genau realisiere, was Schüler:innen können sollten, nämlich zu einem beliebigen Inhalt einen Text mit bestimmten Merkmalen verfassen, darin liege eine Chance. „Wir haben leider die letzten Jahre viel zu wenig Zeit darauf verwendet, die Urteilsfähigkeit, die Geschmacksbildung und die personale Bildung zu fördern“, betont Anders. „Jetzt ist wieder Zeit dafür da.“ Die Lehrkräftebildung solle sich dafür öffnen, mit allen neuen Tools gestaltend umgehen: „Im Sommersemester '23 kommt kein Dozent, keine Dozentin daran vorbei, ChatGTB zu thematisieren.“ 

Eine der Hauptfragen aus dem Publikum, ob die Studien- und Prüfungsordnungen nun verändert werden müssen, beantwortet Nils Pinkwart als zuständiges Mitglied aus dem Präsidium der HU zwar mit einem „Nein“. Allerdings liefere die Technologie den Anstoß dafür, über zeitgemäßere Prüfungsformate nachzudenken. Bei Hausarbeiten, die als Prüfungsformat verwendet werden, sollten Rechtschreibung und Stil nicht mehr so stark gewichtet werden, schlug etwa Torsten Hiltmann vor. Statt Wissen abzufragen müsse das eigenständige wissenschaftliche Arbeiten stärker in den Vordergrund treten, ergänzte Benjamin Kley.

Fragen nach dem praktischen Umgang mit KI-generierten Texten und wie man diese kennzeichnet, damit sie nicht als Täuschungsversuch gelten, konnten nicht abschließend geklärt werden. Vielleicht lasse sich der Einsatz von ChatGPT in einer wissenschaftlichen Arbeit dokumentieren, lautete eine erste Idee. An der HU soll weiter über ChatGPT diskutiert werden, in welchem Ausmaß die einzelnen Fachbereiche damit zu tun haben, wie sich der Umgang damit und auch ein gerechter Zugang aller zu dieser Ressource gestalten lässt. Am Ende könnte eine Art HU-Policy stehen, so die Hoffnung, an der viele mitgewirkt haben.

Autorin: Isabel Fannrich-Lautenschläger
Foto: Lena Zimmer

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