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Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste fördert Projekt am Lautarchiv

Das Projekt „Towards Sonic Resocialization“ am Lautarchiv der Humboldt-Universität wird bis 2026 gefördert
Alternativtext

Dr. Christopher Li, Sammlungsleiter des Lautarchivs.
Foto: Stefan Klenke

Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste fördert das Forschungsprojekt „Towards Sonic Resocialization“ am Berliner Lautarchiv der Humboldt-Universität bis Ende Februar 2026 mit rund 344.890 Euro. Erstmals stehen damit nicht Objekte, sondern Tonaufnahmen im Mittelpunkt der Forschung. Das Lautarchiv untersucht seine Sammlung von Aufnahmen Kriegsgefangener des Ersten Weltkriegs, die in den Kolonien für die Armeen europäischer Mächte rekrutiert worden waren. Darunter befinden sich 456 Tondokumente von afrikanischen Gefangenen in deutschen Lagern.

Die digitalisierten Aufnahmen und die zugehörigen historischen Schriftdokumentationen sollen mit dem Institut Fondamental d‘Afrique Noire im senegalesischen Dakar sowie perspektivisch mit weiteren afrikanischen Archiven geteilt werden. In diesem Zuge werden auch die bisherigen Metadaten des Lautarchivs einer kritischen dekolonialisierenden Onomastik unterzogen. Das bedeutet, dass die entstandenen Kategorien und Begrifflichkeiten, die im Zuge der Kolonialisierung entstanden, hinterfragt und überarbeitet werden.

Besonders wichtig ist dem Projekt hierbei von Beginn der proaktiven Austausch mit den jeweiligen Source Communities und die Kooperation mit ihnen. Für die Übersetzungen der aufgenommen Texte und Dokumentationen werden Individuen aus den Herkunftsländern eingestellt. Zudem wird Provenienzforschung zu den Herkunftsorten der Kolonialsoldaten durchgeführt und genealogische Forschung betrieben, um mögliche Nachfahren ausfindig zu machen.

Das Projekt möchte ein Modell schaffen für den zukünftigen Umgang mit kolonialem Erbe in Klangarchiven. Perspektivisch soll dies nicht nur mit Aufnahmen von Sprechern vom afrikanischen Kontinent, sondern mit allen kolonialen Aufnahmen des Lautarchivs durchgeführt werden.

Über das Lautarchiv 

Das Lautarchiv der Humboldt-Universität verfügt heute über eine akustische Sammlung in Form von ca. 10.000 Schellackplatten, darüber hinaus über Wachswalzen, Tonbänder, Gelatine- und Aluminiumplatten, die vornehmlich eine Vielzahl von Sprachen und Mundarten sowie Stimmportraits berühmter Persönlichkeiten des Deutschen Kaiserreichs und der Weimarer Republik dokumentieren. Zudem befinden sich schriftliches und fotografisches Dokumentationsmaterial und historische Geräte zur Schallaufzeichnung und -Wiedergabe im Lautarchiv.

Die seit 1909 entstandenen Aufnahmen gewähren einen Überblick über beinahe 100 Jahre phonetische, linguistische und anthropologische Forschungen in Berlin und zeigen Entwicklungen des wissenschaftlichen Sammelns und Archivierens. Ihr kultur- und wissenschaftshistorischer, aber auch ihr politischer Kontext ist den Aufnahmen gleichsam eingeschrieben und tritt besonders bei den Aufnahmen aus deutschen Kriegsgefangenenlagern sowohl des Ersten wie auch des Zweiten Weltkrieges existenziell zu Tage. Da ein großer Teil der Aufnahmen in solchen Zwangssituationen entstanden ist, wird das Lautarchiv als „Sensible Sammlung“ angesehen, was die Frage nach einem angemessenen und respektvollen Umgang mit den Aufnahmen und gegenüber den Sprechenden aufwirft.

Weitere Informationen

Zum Lautarchiv der HU

Mitteilung des Herrmann von Helmholtz-Zentrums für Kulturtechnik

Kontakt

Dr. Christopher Li
Sammlungsleitung Lautarchiv

Hermann von Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik
Zentralinstitut der Humboldt-Universität zu Berlin
Lautarchiv im Humboldt Forum

Tel: +49 30 2093 65820
christopher.li.1@hu-berlin.de