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Chatten mit Aury

HU-Team bietet Hilfe bei niedrigschwelligen psychischen Belastungen durch Corona

Aury stellt sich im Chat vor. In der letzten Zeit hat sie viel über psychische Gesundheit gelernt. Sie weiß jetzt so einiges übers Schlafen, über Ängste und Sorgen, übers Grübeln, über Depressionen und Konflikte. Sie kennt auch Ressourcen, die einem helfen können, Probleme dieser Art zu überwinden. Aurys Wissen stammt von den Psychologie-Professorinnen Julia Asbrand, Ulrike Lüken und deren Team. Sie setzen den Chatbot Aury in dem Projekt „Stressfrei nach Corona: ein Hilfsprogramm der Humboldt-Universität zu Berlin“ ein, das von September 2020 bis April 2021 lief. Es soll Menschen helfen, stressbedingte und psychische Belastungen durch Corona zu bewältigen. Aury hat dabei die Rolle der Wissensvermittlerin, gibt im Chat niedrigschwellige psychologische Informationen zu den eingangs erwähnten Themen. Die Teilnehmenden sollen durch den Chat in die Lage versetzt werden, besser mit den Belastungen umzugehen.  

„Unser Programm ist mit etwa 1.300 Teilnehmerinnen und Teilnehmern gut angenommen worden. Diese kommen aus ganz Deutschland. Es haben sich mehr Frauen als Männer, meist mit höheren Bildungsabschlüssen gemeldet“, berichtet Julia Asbrand, Professorin für Klinische Kinder- und Jugendlichenpsychologie und -psychotherapie. Mittlerweile ist es nicht mehr möglich, sich für das Programm anzumelden, das die zwei Wissenschaftlerinnen und ihr Team – in Zusammenarbeit mit dem Startup „Aury“ – in kürzester Zeit aus Institutsmitteln gestemmt haben. Aktuell sind sie dabei, die Fragebögen auszuwerten, die die Teilnehmer:innen am Anfang und nach einer vierwöchigen Online-Beratung mit der digitalen Beraterin ausfüllen mussten.

Programm basiert auf der kognitiven Verhaltenstherapie

Die Forscher:innen möchten zu einem mehr darüber wissen, wie es Menschen in den Corona-Krise geht, zum anderen welchen Bedarf sie zur Bewältigung von stressbedingten Problemen haben und wie effektiv Aury dabei unterstützen kann. „Unsere allerersten Eindrücke zeigen Übereinstimmungen mit anderen Studien zu psychischen Belastungen durch Corona“, berichtet Asbrand. So leiden Menschen, die schon vor der Pandemie eine diagnostizierte psychische Erkrankung hatten, stark an den Kontaktbeschränkungen.      

Das Programm „Stressfrei nach Corona:“ basiert auf der kognitiven Verhaltenstherapie – einer sehr wirksamen Behandlungsmethode für Ängste, Depressionen und andere seelische Probleme. Die kognitive Verhaltenstherapie setzt an dem Zusammenspiel aus Gedanken, Verhalten und körperlichen Prozessen an. So beeinflusst der Gedanke „In der Straßenbahn stecke ich mich mit Corona an.“ das Verhalten, die Straßenbahn zu vermeiden. Die kognitive Verhaltenstherapie hilft dabei, wenig hilfreiche Gedanken zu verändern, Befürchtungen zu überprüfen und hilfreiches Verhalten aufzubauen.

Wichtig: Aury ist keine Therapeutin, sondern Beraterin. Sie stellt Fragen. Auch wenn die Nutzer:innen im Chat die Antworten nicht selbst formulieren, sondern Auswahlmöglichkeiten angeboten bekommen, fühlt es sich schnell wie ein „richtiges“ Gespräch an. Die Konversation zu jedem Themenblock enthält neues Wissen über Probleme, Tipps zur Verhaltensänderung, Entspannungsverfahren sowie praktische Übungen für den Alltag. Beim Thema Angst lernt man zum Beispiel auch, dass Angst ein normales und wichtiges Gefühl und deshalb auch hilfreich ist. Tritt die Angst „ohne Grund“ auf, also auch in nicht gefährlichen Situationen, ist sehr stark und beeinträchtigt den Alltag, dann kann es sein, dass man eine Angststörung hat. Die Spezialambulanz für Angststörungen an der Hochschulambulanz für Psychotherapie der Humboldt-Universität zu Berlin kann in diesem Fall weiterhelfen.    

Die Teilnehmenden des Programms erhielten bei Bedarf auch das Angebot, an einer persönlichen beziehungsweise digitalen Gruppenintervention teilzunehmen, die derzeit noch durchgeführt werden. „Hierzu haben wir noch keine Ergebnisse vorliegen, können jedoch aus den Rückmeldungen der Teilnehmenden sagen, dass die Intervention gut aufgenommen wurde“, so Asbrand. Geplant ist, Aury als niederschwellige und unmittelbare Unterstützung weiter auszubauen und einzusetzen auch über die Corona-Zeit hinweg. Zur Finanzierung strebt das Team eine Kooperation mit einer Krankenkasse an. 

Autorin: Ljiljana Nikolic

Weitere Informationen

Zu Aury, dem 4-wöchigen Online-Hilfsprogramm per Chat