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Vergangenheit und Zukunft des Aletschgletschers — Ausstellung macht Klimawandel sichtbar

Ein 200 Jahre altes Alpen-Relief trifft auf eine interaktive Virtual-Reality-Installation. Während der Berlin Science Week werden zum ersten Mal das historische Aletsch-Modell aus dem Berliner Humboldt Forum und das VR-Projekt „Expedition 2 Grad“ der Zürcher Hochschule der Künste gemeinsam ausgestellt. Sie zeigen eindrücklich den Großen Aletschgletscher – den größten Gletscher der Alpen – als Fieberthermometer des Klimawandels.

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Der Grosse Aletschgletscher, gestern heute und morgen. Quellen: Wikimedia commons; Jürg Alean, Eglisau
https://www.swisseduc.ch/glaciers/; «Expedition 2 Grad»)

Über eine Fläche von mehr als 100 Quadratkilometer erstreckte sich der Große Aletschgletscher im schweizerischen Kanton Wallis am Anfang des 19. Jahrhunderts. In dieser Zeit erstellte der Reliefbauer, Topograf und leidenschaftliche Bergsteiger Joachim Eugen Müller aus Gips und Holz ein Reliefmodell der Schweizer Alpen von fast 5 mal 2,5 Meter Fläche. Auf Anraten unter anderem auch von Alexander von Humboldts kaufte der begeisterte König Friedrich Wilhelm III. von Preußen dieses Alpenmodell und stellte es als Hauptattraktion in der Berliner Kunstkammer im Berliner Schloss aus.

Für das wissenschaftsinteressierte Berliner Bürgertum war der Blick auf die Alpen aus der Vogelperspektive eine Sensation. Nach Auflösung der Kunstkammer verliert sich zunächst die Spur des Müller-Reliefs. Ein Teilstück, das das obere Rhonetal mit Simplonpass und Aletschgletscher darstellt, schlummerte lange unerkannt in der Geomorphologisch-Geologischen Sammlung des Geographischen Instituts der Humboldt-Universität zu Berlin. Erst die Kunsthistorikerin Eva Dolezel und der Schweizer Reliefexperte Oscar Wüest fanden 2017 bei der Untersuchung des Modells heraus, dass dieses tatsächlich früher Teil des großen Alpenreliefs der Berliner Kunstkammer war.

Im Humboldt Labor für das Publikum zugänglich

Seit 2020 ist das Aletsch-Modell zurück im Berliner Schloss. Auf der Fläche des Humboldt Labors im Humboldt Forum ist es im Rahmen der Dauerstellung „Spuren. Geschichte des Ortes“ wieder für ein breites Publikum zugänglich. „Das Modell zeigt uns die Materialität und Medialität der Wissenschaftsvermittlung vor zweihundert Jahren, als die ‚Versinnlichung‘ von Wissen hoch im Kurs stand. Gleichzeitig ist der Inhalt hochaktuell. Der zeitlich eingefrorene Zustand der Gletscher des Reliefs zeigt im Vergleich zu heute deutlich die Auswirkungen des Klimawandels“, erklärt Johanna Stapelfeldt, Kuratorin für das Humboldt Labor.

So wie vor 200 Jahren Joachim Eugen Müller aus Handwerkskunst und wissenschaftlichen Erkenntnissen eine damals hochmoderne Form der Wissenschaftsvermittlung schuf, haben Game Designer:innen und Geograf:innen mit der Virtual-Reality-Installation „Expedition 2 Grad“ erneut eine innovative Form für die Wissenschaftsvermittlung geschaffen. In dem Projekt, das im Fachbereich Knowledge Visualization an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) entstanden ist, können Besucher:innen mithilfe einer 3-D-Brille auf eine immersive Expedition in die Gegend rund um den Großen Aletschgletscher gehen. Dabei können sie mit dem Gletscher durch die Zeit reisen und erleben, wie der Gletscher früher aussah, wie er heute aussieht und wie stark er in hundert Jahren geschrumpft sein wird, wenn die Erde sich um zwei, drei oder vier Grad erwärmt hat. Entstanden ist das Projekt in der Zusammenarbeit der ZHdK gemeinsam mit der Schweizer Universität Freiburg und dem Geographischen Institut der Universität Zürich. Die virtuelle Realität (VR) basiert auf hoch aufgelösten Luftbildern und digitalen Geländedaten.

„Das historische Relief und die Virtual-Reality-Installation helfen dabei, die Auswirkungen des Klimawandels zu begreifen“

Das handgefertigte Aletsch-Modell und die interaktive VR-Installation sind nun zum ersten Mal gemeinsam in Berlin zu sehen. Während der Berlin Science Week, im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Zürich meets Berlin“, können Besucher:innen erleben, wie der Aletschgletscher auf verschiedene Szenarien des Klimawandels reagiert und ihn mit dem historischen Modell vergleichen. Im Anschluss an die Berlin Science Week wird die Installation dauerhaft im Humboldt Labor gezeigt.

„Dass der Aletschgletscher auf heute unter 80 Quadratkilometer abgeschmolzen ist, ist auch eine Folge des menschengemachten Klimawandels. Dass er in Zukunft weiter extrem an Eismasse verlieren wird sowieso. Das historische Relief und die Virtual-Reality-Installation helfen dabei, die Auswirkungen des Klimawandels zu begreifen und zu veranschaulichen, wie wichtig unser Einsatz für eine klimaneutrale Welt ist“, sagt Dr. Christoph Schneider, Professor für Klimageographie und Vizepräsident für Forschung an der Humboldt-Universität, „ich freue mich, dass die VR-Installation das historische Aletsch-Modell ergänzt und nach der Berlin Science Week bis Juni 2023 fester Bestandteil der Ausstellung im Humboldt Labor sein wird.“

Autor: Artur Krutsch

Ausstellung

Die interaktive VR-Experience „Expedition 2 Grad“ macht sichtbar, welche Auswirkungen zwei Grad auf das Klima haben werden. Vom 4. bis 6. November 2022 können Besucher:innen im Museum für Naturkunde Berlin zum Teil einer Expedition zum großen Aletschgletscher werden. Mit einer 3D-Brille ausgestattet reisen sie virtuell durch Zeit und Raum und sehen die Aletschregion durch die Augen ihrer Großeltern und der zukünftigen Generationen.

Wann: 4. bis 6. November 2022

Ort: Museum für Naturkunde Berlin, Invalidenstraße 43, 10115 Berlin

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