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Die Ernährung der Zukunft

Das Forschungs- und Innovationsnetzwerk FoodBerlin unterstützt Forschungszusammenarbeit im Berliner Raum, um die Ernährung der Weltbevölkerung ökologischer, gerechter und gesünder zu gestalten.

Die Bilder des brennenden Regenwaldes in Brasilien haben ins Gedächtnis gerufen, wie global vernetzt die Ernährungssysteme sind. In Brasilien werden Wälder gerodet und abgebrannt, um Weiden für Rinder zu schaffen oder Anbauflächen für Soja, das zum Beispiel in Deutschland als Viehfutter verwendet wird. Viele Menschen haben das Gefühl, dass sie durch Veränderungen des eigenen Konsumverhaltens das globale System nicht verändern können. „Auch als Wissenschaftler ist man Verbraucher und kennt dieses Gefühl“, sagt Prof. Dr.  Richard Lucius, ehemaliger Dekan der Lebenswissenschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität und Koordinator des Forschungs- und Innovationsnetzwerks FoodBerlin. „Aber wir wissen aus Erfahrung, dass sich Trends schnell umkehren können, wenn andere Bedingungen geschaffen werden.“

40 Arbeitsgruppen in und um Berlin

Das Netzwerk FoodBerlin will mithelfen die Ernährungssysteme in Zukunft nachhaltiger zu gestalten. Schon der Begriff „Ernährungssystem“ deutet an, wie komplex das Forschungsthema ist: Es geht um den – oft weltweit verzweigten – Weg der Lebensmittel vom Acker bis zum Teller. Boden und Wasser, Anbau und Tierhaltung, Arbeitsbedingungen, Biodiversität, Lebensmittelsicherheit, Gesetzgebung, Konsumverhalten, Lebensmittelverschwendung – all das spielt eine Rolle bei den Projekten der Netzwerkpartner. Solche Herausforderungen lassen sich nur mit interdisziplinärer Forschung und Zusammenarbeit lösen. Dazu sind große Verbundprojekte notwendig, deshalb arbeiten im Netzwerk etwa 40 Arbeitsgruppen aus dem Berliner Raum zusammen. Träger von FoodBerlin sind die Humboldt-Universität zu Berlin, die Freie Universität Berlin, die Technische Universität Berlin und die Universität Potsdam. Sie arbeiten mit weiteren Institutionen zusammen, zum Beispiel mit dem Deutschen Institut für Ernährungsforschung, dem Bundesinstitut für Risikobewertung, den Leibniz-Instituten für Agrartechnik und Bioökonomie sowie für Gewässerökologie und Binnenfischerei. „In unserem Netzwerk fordert niemand lautstark eine ‚Agrarwende‘,“ sagt Richard Lucius. „Aber ich glaube, alle Partner sind sich einig, dass sich etwas ändern muss. Das wird allerdings nicht funktionieren, wenn wir alles auf einmal umkrempeln.“

Lupine
Die blaue Lupine ist eine eiweißreiche Futterpflanze, die zunehmend auch
in Brandenburg angebaut wird. Quelle: pixabay

Leguminosen aus der Region

Oft sind es kleine Schritte, die zum Ziel führen. Die aus Südamerika importierte Sojabohne etwa soll in Zukunft Konkurrenz bekommen. Dass Deutschland abhängig sei von proteinhaltigem Tierfutter aus Übersee, liege auch daran, dass der Anbau von Leguminosen, also Hülsenfrüchten, hierzulande lange vernachlässigt wurde. „Heute wird intensiv geforscht, wie man einheimische Leguminosen hoffähiger machen kann, mit neuen Sorten und anderen Anbaumethoden.“ Die „Eiweißpflanzenstrategie“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft könnte nicht nur die deutsche Landwirtschaft unabhängiger von Importen machen. Leguminosen binden über ihre Wurzeln Stickstoff und könnten so zum Klimaschutz beitragen. Sie machen Böden fruchtbarer, ihre Blüten liefern Nektar für Insekten und in der fleischlosen Küche sind sie als Fleischersatz beliebt. „Die Produktion wird in Deutschland aber immer teurer sein als in Niedriglohnländern, zudem sind die Erträge nicht ausreichend“, sagt Lucius. Verbraucherinnen und Verbraucher müssten also bereit sein, für nachhaltig produzierte Lebensmittel mehr zu zahlen. „Und wir sehen tatsächlich, dass die Bereitschaft wächst – wenn transparent ist, warum ein Lebensmittel mehr kostet.“             

Gemüsecontainer

Über den deutschen Tellerrand hinaus schaut das Projekt CUBES Circle, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird. In Zukunft soll es sogar in Steppen oder Megacitys möglich sein, in autarken Containern Gemüse anzubauen und Fisch zu züchten, ohne die Umwelt zu belasten. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Humboldt Universität entwickeln das Containersystem in einem Konsortium von acht Universitäten, Forschungseinrichtungen und Partnern aus der Wirtschaft. Die Container enthalten jeweils einen Teil der Nahrungskette – Insekten, Fische, Gemüse – und können wie Legosteine zusammengesetzt werden: Die Fische fressen dann die Insektenlarven, das Wasser aus den Fischbecken düngt Tomaten und die pflanzlichen Ernterückstände werden wiederum zu den Insekten gegeben. Diese Intensivkulturen kann man an verschiedenste Bedingungen anpassen. So kann man zum Beispiel als Urban Gardening-Projekt mit Solarenergie auf Stadtbrachen Gemüse und Fisch produzieren.

Denkanstöße aus Nigeria

FoodBerlin ist in der Region Berlin-Brandenburg und international gut vernetzt. Dadurch bekommen auch die Berliner Forschenden immer wieder interessante Denkanstöße, erzählt Richard Lucius. 2019 hat das Netzwerk mit Unterstützung des DAAD und des Internationalen Büros der Humboldt-Universität seine erste Summer School durchgeführt. Bei den Exkursionen mit Studierenden und Promovierenden aus zwölf Ländern sei ihm bewusst geworden, wie unterschiedlich weltweit die Vorstellungen von Nachhaltigkeit seien, sagt Lucius. „In Nigeria zum Beispiel produzieren viele Landwirte in Subsistenzwirtschaft, kleinräumig, quasi ‚Bio‘. Aber wenn Nigerianer die kilometerweiten Felder in Brandenburg sehen, finden sie die moderne Landwirtschaft viel attraktiver.“

Gast aus England: Tim Lang

Auch mit hochkarätigen Vorträgen möchte das Netzwerk Denkanstöße geben.  So hat FoodBerlin demnächst den renommierten britischen Ernährungspolitikwissenschaftler Tim Lang nach Berlin eingeladen. Er wird am Dienstag, den 8. Oktober 2019 im Tieranatomischen Theater in einem Vortrag fragen, ob Europa es vor dem Hintergrund von Klimawandel, Umweltproblemen und Brexit schnell genug schaffen wird, seine Ernährungssysteme nachhaltig zu gestalten. Die Antwort dürfte schon feststehen: Die Probleme sind so brennend, dass es gar nicht schnell genug gehen kann.

Autorin: Stephanie Hardick

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