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„Von wegen Perle“

Sina Krüger ist HU-Aluma, sie hat Biologie und Sport auf Lehramt studiert und arbeitet heue als Lehrerin in Berlin. In ihrer Masterarbeit schrieb sie über die unvollständigen oder auch fehlerhaften Darstellungen des weiblichen Genitalbereichs in Schulbüchern. Das blieb nicht ohne Folgen. Auf ihre Kritik hin nahmen einige große Verlage zum ersten Mal Abbildungen in ihre Lehrmaterialien auf, die den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen.

Alternativtext
Sina Krüger / Foto: privat

Sina Krüger trägt im Biologieunterricht manchmal ein T-Shirt mit dem Schriftzug „Von wegen Perle“ und einem Aufdruck, der sich einem nicht unbedingt von alleine erschließt. Ihre Schüler:innen sprechen sie darauf an und fragen nach der Bedeutung. „Auf dem Shirt ist eine vollständige Klitoris zu sehen“, erklärt die Biologie- und Sportlehrerin, die an der Wilhelm-von-Humboldt-Gemeinschaftsschule in Prenzlauer Berg unterrichtet. „Die Klitoris wurde bis vor kurzem in Schulbüchern nur unvollständig als Punkt oder Halbmond abgebildet und häufig als Perle bezeichnet.“ Diese Formulierung ist nicht unangemessen und an sich korrekt. Allerdings ist dies nur ein Bruchteil des Organkomplexes.

Analyse von Schulbüchern

Die Berlinerin Sina Krüger studierte Sport und Biologie auf Lehramt an der Humboldt-Universität. Dass die großen Verlage Cornelsen, Klett und Westermann in ihren Schulpublikationen das weibliche Geschlechtsorgan mittlerweile vollständig und korrekt abbilden, also nicht nur den externen Teil der Klitoris, sondern auch den viel größeren inneren Teil des Organs, ist auch ein Verdienst der HU-Alumna, die über das Wahlfach sexuelle Bildung auf das Thema für ihre Abschlussarbeit stieß. Eine Kommilitonin schrieb ihre Masterarbeit über Pornografie-Kompetenz im Biologie-Unterricht. Diese Arbeit hat Sina Krüger mit Interesse gelesen, fand die Aktualität des Themas gut und entschied sich, selbst im Bereich sexuelle Bildung ihren Master zu machen. Ihre Arbeit trägt den Titel „Darstellung des weiblichen Genitalbereiches in Biologieschulbüchern – ein Beitrag zur emanzipatorischen Sexualpädagogik“.  

Negative Auswirkungen auf junge Frauen möglich

Dafür analysierte sie neun Schulbücher der drei erwähnten Verlage, die in Berliner Schulen eingesetzt werden. Sie prüfte zum einen die Abbildungen von Klitoris, Jungfernhäutchen und Schamlippen auf wissenschaftliche Korrektheit und die Texte auf Sprachsensibilität. „Schamlippen ist zwar der korrekte Begriff, aber er ist schambesetzt und irreführend, Vulvalippen ist viel zeitgemäßer“, erklärt Krüger, die befürchtet, dass sich die veraltete Sprache negativ auf die Körperlichkeit von jungen Frauen auswirkt. „Ein Jungfernhäutchen, das die Vagina verschließt,  existiert gar nicht, es gibt die vaginale Korona, fachlich korrekt auch Hymen genannt“. Wichtig war Sina Krüger auch, auf die Individualität des weiblichen Genitalbereichs einzugehen. „Sprachsensibel bedeutet auch, nicht mehr von kleinen und großen Schamlippen zu sprechen. Innere und äußere ist fachlich korrekt und lässt mehr Spielraum für Individualität, denn Vulvalippen sind sehr unterschiedlich.“ Krüger ist es wichtig, dass Mädchen und junge Frauen ihren Körper in Schulbüchern angemessen repräsentiert finden und sich mit der Sexualität, die abgebildet ist, auch identifizieren können.

Schulbuch-Verlage ändern Abbildungen

Nach Abschluss ihrer Arbeit schrieb die Absolventin den drei Verlagen, wies auf die Defizite in den Schulbüchern hin und empfahl die Überarbeitung. „Ich wurde von Annette Upmeier zu Belzen, die meine Arbeit betreut hat, dabei sehr unterstützt.“ Ein ganzes Jahr passierte gar nichts, was vielleicht der Pandemie geschuldet war, die damals gerade ihren Lauf nahm. Nach einem zweiten Schreiben überarbeiteten die erwähnten Verlage die Bücher und nahmen zum ersten Mal Abbildungen auf, die die Klitoris komplett zeigen. Ganz neu war das Thema den Verlagen allerdings nicht. „Ich bin nicht die erste, die das Thema aufgreift, Feministinnen, auch in anderen Ländern, bemühen sich schon seit Jahrzehnten darum, dass der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand auch in die Schulbücher einfließt.“ Auch wenn mittlerweile alle drei Verlage die Klitoris als Organkomplex darstellen, haben sie sich unterschiedlich viel getraut. „Die Abbildungen von Cornelsen und Klett finde ich gelungener, der Klett Verlag bildet die Klitoris am genauesten ab“, sagt Krüger, die mittlerweile mit dem Klett-Verlag zusammenarbeitet. Sie freut sich, dass das Thema weite Verbreitung findet, denn einige Medien haben über sie und ihre Arbeit berichtet.

Diverse Materialien für den Unterricht

Sie selbst nutzt im Sexualkunde-Unterricht unterschiedliche Materialien, nicht nur Bücher, sondern auch Modelle, Bildkarten und das eingangs erwähnte T-Shirt. Sie lässt die Schüler:innen weibliche und männliche Geschlechtsorgane zeichnen. „Beim Penis haben die Schüler:innen kein Problem, aber beim weiblichen Geschlechtsteil sind sie meist ratlos und fragen nach, was sie zeichnen sollen.“ Dann kommen sie mit ihrer Lehrerin ins Gespräch.

Autorin: Ljiljana Nikolic