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Das fehlende Glied der Wissenschaft in der Politik

Young Scientists am Weltwirtschaftsforum zeigen fehlende Verbindung zwischen Politik und Wissenschaft auf

Die Gemeinschaft der jungen Wissenschaftler:innen des Weltwirtschaftsforums wollen, dass der gesellschaftliche Wert wissenschaftlicher Forschung besser anerkannt und gewürdigt wird. Ein von Frontiers Policy Labs veröffentlichter Aufruf wurde von 52 Wissenschaftler:innen aus einigen der weltweit führenden akademischen Einrichtungen unterzeichnet. Die Unterzeichner sagen, dass eine neue Kultur der Zusammenarbeit zwischen politischen Entscheidungsträgern und Wissenschaftler:innen geschaffen werden muss, damit die Wissenschaft in die Entscheidungsfindung einbezogen werden kann.

Beziehungsaufbau braucht Zeit 

Die Initiative, die von der Professorin und WEF-Nachwuchswissenschaftlerin Ruth Morgan vom University College London angeführt wird, fordert die Institutionen auf, mehr zu tun, um die Forscher bei der politischen Einbindung zu unterstützen. Professor Morgan sagt, dass wir die Art und Weise ändern müssen, wie diese entscheidende Arbeit von Forschern anerkannt wird, wenn wir einen aussagekräftigeren und wirkungsvolleren Dialog zwischen politischen Entscheidungsträgern und Wissenschaftlern ermöglichen wollen.

“Bahnbrechende Wissenschaft ist der erste Schritt, aber wir müssen diese Wissenschaft auch an diejenigen tragen, die in der Politik arbeiten und sie nutzen können, um die Welt zum Besseren zu verändern. Es gibt keine schnelle Lösung, es braucht Zeit, um über Monate und Jahre Beziehungen aufzubauen.“, so Professor Ruth Morgan.

"Wenn wir Gelegenheiten für Wissenschaftler:innen und politische Entscheidungsträger schaffen können, sich kontinuierlich auszutauschen, werden wir die großen Herausforderungen, die auf uns zukommen, besser bewältigen können. Wir hoffen, dass diese Initiative ein Ausgangspunkt für ein breiteres Gespräch zwischen führenden Politiker:innen und Institutionen auf der ganzen Welt darüber sein kann, wie wir dies bewerkstelligen können".

Laut Professor Morgan könnten jedes Jahr 100 Millionen Stunden für wissenschaftliches politisches Engagement aufgebracht werden, wenn die Institutionen nur 10 Prozent der WissenschaftlerInnen im öffentlichen Dienst, d. h. etwa 1 Million Menschen, ermutigen würden, sich zwei Stunden pro Woche mit dieser Aufgabe zu befassen.

Fehlende, qualitiative Formate im Austausch von Politik und Wissenschaft seien in der Tat altbekannt, sagt Chemieprofessor und Young-Scientists-Beiratsmitglied Michael J. Bojdys, der am King’s College in London und an der Berliner Humboldt-Universität lehrt und forscht. "Aber bisher ist aus der Problembeschreibung auch in Deutschland wenig Konkretes erwachsen, um die Karriereanreize zu verändern." Hier müsse seitens der Hochschulleitungen ein deutlicher Fokus auf kommunikation exzellenter Forschung an politische Entscheidungsträger mittels einer verbindlichen Zeitverpflichtung und der Unterstützung qualitativ hochwertiger Formate gelegt werden. „Gute Formate finden sich in Veranstaltungen wie zum Beispiel dem „Berlin der Begegnungen“ des Genshagener Kreis e.V.. Diese Formate finden allerdings vereinzelt und regional statt und haben keine flächendeckende, breite Bühne in Deutschland.“

Stärkere Verbindungen zwischen Wissenschaft und Politik herstellen

Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie haben sich alle Augen auf die Wissenschaft und die Notwendigkeit einer stärkeren Betonung der faktengestützten Entscheidungsfindung gerichtet. Bei den 52 Unterzeichnern der Initiative handelt es sich um ehemalige und gegenwärtige junge WissenschaftlerInnen des Weltwirtschaftsforums aus der ganzen Welt, die davon überzeugt sind, dass dies einen Dominoeffekt auslösen könnte und dass mehr wissenschaftliche Erkenntnisse aus anderen Bereichen in die Hände von politischen Entscheidungsträgern gelangen würden, damit diese ihre Entscheidungen treffen können.

Dr. Frederick Fenter ist Chefredakteur von Frontiers, dem akademischen Verlag hinter Policy Labs, der den Aufruf veröffentlicht hat. Policy Labs wurde 2020 ins Leben gerufen, um die Verbindung zwischen solider wissenschaftlicher Forschung und fundierter politischer Entscheidungsfindung zu stärken.

"Viele der Herausforderungen, mit denen wir als globale Gesellschaft konfrontiert sind - in Bezug auf das menschliche Wohlergehen und die Gesundheit des Planeten - können nur mit Hilfe engagierter, besonnener Experten erfolgreich und nachhaltig angegangen werden, die die Implikationen der Forschung in eine evidenzbasierte Politik umsetzen können.

"Was uns die Policy Labs gelehrt haben, ist, dass die meisten Forscher sich in den politischen Prozess einbringen wollen. Und diese Arbeit zeigt, dass es für sie derzeit noch sehr schwierig ist, dies zu tun", sagt Dr. Fenter. "Wir begrüßen auch die jüngsten Bemühungen der EU, die Forschungsbewertung zu reformieren, und sind der Meinung, dass das in Professor Morgans Arbeit hervorgehobene Thema ein zentraler Bestandteil dieses Prozesses sein sollte. Die Pandemie und unsere Reaktion darauf haben eindrücklich gezeigt, dass wir jetzt ernsthaft handeln müssen, um die Verbindung zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Politik zu stärken.

Forschungsevaluierung neu denken

Die jungen WissenschaftlerInnen des Weltwirtschaftsforums sagen, dass es für WissenschaftlerInnen oft keinen Anreiz gibt, sich an Gesprächen zu beteiligen, die Netzwerke und Brücken über ihre Disziplin hinaus bauen. Infolgedessen gelangen wichtige wissenschaftliche Forschungsergebnisse nicht immer in die Hände derjenigen, die sie zum Wohle der Gesellschaft einsetzen können, und es werden möglicherweise Chancen zur Lösung von Problemen verpasst.

"Anstatt in Krisenzeiten WissenschaftlerInnen aus dem Hut zu zaubern, könnte die Welt von einer stärkeren und konsequenteren Interaktion zwischen WissenschaftlerInnen und politischen Entscheidungsträgern profitieren", sagt Greta Keenan, Young Scientists Community Manager beim Weltwirtschaftsforum. "Als internationale Organisation für öffentlich-private Partnerschaften wissen wir, wie wichtig es ist, WissenschaftlerInnen einen Platz am Tisch zu geben und NachwuchswissenschaftlerInnen dabei zu unterstützen, die für die Lösung globaler Herausforderungen erforderlichen Führungsqualitäten zu entwickeln."

Das Papier schlägt vor, dass wir, wenn wir sicherstellen wollen, dass die Wissenschaft einen Beitrag zur Gesellschaft leistet, Maßnahmen in die Bewertung wissenschaftlicher Exzellenz einbeziehen müssen, die das Engagement der Wissenschaft in der Politik würdigen und belohnen. Die Bewertung von Exzellenz auf der Grundlage eines Systems, das diese Beiträge und die Fähigkeiten, die mit der Bereitstellung von Beweisen für die Politik verbunden sind - sei es in schriftlicher, mündlicher oder visueller Form - einbezieht und belohnt, ist äußerst wichtig.

Publikation

The missing link of science in policy – 1M scientists and 100M hours could be part of the answer

Über WEF Young Scientists

Die 2008 gegründete Young Scientists Community bringt außergewöhnliche NachwuchswissenschaftlerInnen aus verschiedenen akademischen Disziplinen und Regionen zusammen. Ihr Ziel ist es, Führungspersönlichkeiten dabei zu unterstützen, sich mit der Wissenschaft und ihrer Rolle in der Gesellschaft auseinanderzusetzen.

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