Humboldt-Universität zu Berlin

Humboldt-Spektrum 1/2009

Editorial

Exzellente Forschung
bedarf exzellenter Lehre

Ein Editorial des Vizepräsidenten für Studium und Internationales für das Forschungsmagazin Humboldt-Spektrum mag auf den ersten Blick verwundern. Im Folgenden begründe ich allerdings gerne, warum dies nicht im Geringsten abwegig ist.

Nur wo geforscht wird, wo vermeintlich gesichertes Wissen immer wieder hinterfragt wird, wo im Austausch neue Fragen an altes Wissen gestellt werden, nur dort werden Lehr- und Lerninhalte nicht veralten. Eine forschungsstarke Universität wie die Humboldt-Universität zu Berlin kann und soll deshalb auch in der Lehre Besonderes leisten.

Derzeit ist eine erfreuliche Entwicklung festzustellen: Studium und Lehre sind, nachdem die Forschung durch den Exzellenzwettbewerb in den vergangenen Jahren stark in den Vordergrund gerückt war, wieder Thema wissenschaftspolitischer Debatten und erfahren zunehmend Wertschätzung. Der Wettbewerb unter dem Titel »Mehr Ehre für die Lehre«, ausgeschrieben vom Stifterverband der deutschen Wissenschaft und der Kultusministerkonferenz, soll hier als ein Indiz von vielen genannt werden, auch wenn damit nicht das finanzielle Volumen seines Forschungspendants erreicht wird. Es gibt aber auch weitere wichtige Projekte, so die Ausschreibung der Telekom-Stiftung zu den MINT-Fächern und ein für den Sommer ausgeschriebenes Programm der Mercator- und der VolkswagenStiftung. Auch daran wird sich die Humboldt-Universität selbstverständlich beteiligen.

Sicherlich bleiben Studium und Lehre immer auch eine Baustelle … und aus meiner Sicht sollte dies auch so sein. Um im Bild zu bleiben: Betonierte Verhältnisse würden das stete Anpassen an sich verändernde Disziplinen, an neue didaktische Erkenntnisse und an Entwicklungen in der Arbeitswelt verhindern. Nur so konnten wir, bei allen Schwierigkeiten, in den vergangenen Jahren auch Erfolge auf dem Gebiet der Lehre erreichen. Die Umstellung auf die gestuften Studiengänge Bachelor und Master war sicherlich teilweise sehr mühsam, aber – allen Unkenrufen zum Trotz – sinnvoll und notwendig. Wir haben diesen Prozess der Studienreform fast vollständig abgeschlossen und damit die Basis für die zweite Phase des Bologna-Prozesses – Flexibilisierung, Korrektur, Anpassung – gelegt. Auch Misserfolge sollen nicht vergessen werden: Sie haben uns Schwachstellen – »Regulierungswut« aber auch unzureichende Regelungen – gezeigt, aus denen wir lernen konnten und die wir korrigieren werden.

Tag für Tag kann man an unserer Universität Zeuge lebendiger Lehre werden. Um gerade dort, wo aber über das Übliche hinaus Engagement und Erfolg in der Lehre zu verzeichnen ist, auch ein Zeichen zu setzen, hat das Präsidium der Humboldt-Universität den Humboldt-Preis für gute Lehre ins Leben gerufen. Ein Preis, der hervorragende Lehre mit 10.000 Euro belohnt, die dann der Preisträgerin oder dem Preisträger wieder neue Möglichkeiten für innovative Lehre ermöglichen sollen.

Zurück aber zum Verhältnis von Forschung und Lehre. Ich freue mich immer wieder zu sehen – und kann dabei einen gewissen Stolz nicht verhehlen –, dass an unserer Universität sich Spitzenforscherinnen und -forscher nicht in ihren Laboren oder Arbeitszimmern verbarrikadieren. Sie stehen auch mitten im Lehrleben. Sie halten die Einführungsveranstaltungen ebenso wie das Absolventencolloquium, sie sind nicht nur in den offiziellen Sprechstunden ansprechbar und beraten meist weit über die einzelne Lehrveranstaltung hinaus auch zur weiteren Studien- und Lebensplanung. Sie bereiten die Studierenden auf die wissenschaftliche Karriere oder auf einen Beruf außerhalb der Lehre und Forschung vor. Sie tun dies auch, weil sie wissen, dass – wie Wilhelm von Humboldt dies formulierte – die Universität »…eine bedeutende Zahl selbst mitdenkender Köpfe« benötigt, um lebendig und kreativ zu bleiben. So bin ich mir sicher, dass die eine oder andere Frage eines Studierenden am Ende eines Seminars die Idee für das nächste Forschungsprojekt gegeben hat, dass die Diskussion im Colloquium geholfen hat, eine Arbeitshypothese treffender zu formulieren, dass der unverstellte Blick einer Studentin so manche Argumentationslücke erst sichtbar gemacht hat. Denn, so meine feste Überzeugung, exzellente Forschung bedarf exzellenter Lehre. Und vice versa!

Ihr

 TITELBILD: 1/2009

Prof. Dr. Dr. h.c. Uwe Jens Nagel
Vizepräsident für Studium und Internationales der Humboldt-Universität zu Berlin


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