Humboldt-Universität zu Berlin

Humboldt-Spektrum 2/2004

Editorial

Spitzenforschung an Universitäten
Das Unmögliche möglich machen

Evelies Mayer

Es mag weltfremd erscheinen, in Zeiten tiefer Haushaltskrisen und damit verbundener Kürzungen vom Ringen um Spitzenpositionen in Forschung und Lehre zu sprechen. Der vorliegende Strukturplan der Humboldt-Universität beinhaltet immerhin die Streichung von 73 Professuren, 136 wissenschaftlichen und 219 sonstigen Mitarbeiterstellen. Zudem sieht der Haustarifvertrag eine Reduzierung von Arbeitszeiten um durchschnittlich 10 Prozent vor. Und auch die Investitionsmittel für den Hochschulbau sind derzeit hart umstritten. Macht es da überhaupt Sinn, nach wissenschaftlicher Exzellenz, nach Spitzenpositionen in der internationalen Forschung zu streben? Darauf kann es nur eine Antwort geben: Natürlich macht es Sinn! Denn ohne dieses Streben wären der wissenschaftlichen Leistung einer Universität äußerst enge Grenzen gesetzt. Wissenschaftliche Exzellenz kennt keine Kompromisse und auch keine Rücksichtnahme auf komplizierte Rahmenbedingungen. Sie muss sich im harten Wettbewerb und anhand strenger Kriterien immer wieder neu beweisen. Vor allem jedoch ist sie an die Kreativität der Menschen gebunden, die sie hervorbringen.

Die Ausgestaltung des verabschiedeten Strukturplans wird die Humboldt-Universität in den nächsten Jahren vor große Herausforderungen stellen. Wenn die Humboldt-Universität in der Forschung internationale Standards halten oder erreichen will, wenn sie national und international sichtbar und für Nachwuchswissen-
schaftler, Studierende wie Drittmittelgeber attraktiv sein will, müssen die vorhandenen Ressourcen noch stärker als bisher auf Schwerpunkte konzentriert werden. Mit ihren Bemühungen um die Einrichtung Interdisziplinärer Zentren ist die Humboldt-Universität bereits auf einem guten Weg: Zentren bieten eine hervorragende Möglichkeit, vorhandene Kräfte über Fächergrenzen hinweg zu bündeln und dies nicht nur innerhalb der Humboldt-Universität, sondern auch mit anderen Universitäten, mit anderen Forschungsein-
richtungen, mit Museen, mit der Wirtschaft und anderen Partnern. Die zeitliche Befristung der Zentren macht zugleich ein flexibles Reagieren auf Forschungsent-
wicklungen möglich.

Neben den bereits bestehenden vier Interdisziplinären Zentren existieren derzeit 14 Initiativen, von denen allein vier im Bereich der Lebenswissenschaften an-
gesiedelt sind. Für einen Schwerpunkt "Lebenswissen-
schaften" bietet die Forschungslandschaft Berlin-Bran-
denburg beste Voraussetzungen. Hier eröffnet sich ein aussichtsreiches Feld der Zusammenarbeit von Na-
turwissenschaften, Medizin und Sozialwissenschaften und damit zugleich eine ?Brücke? zur Charité.

Doch die erfolgreiche Etablierung von Zentren bedarf nicht nur guter Worte und bester Absichten, sie muss auch materiell unterstützt werden. Deswegen plädiert das Kuratorium für eine deutliche Aufstockung des Innovationsfonds, was bedeutet, dass jeder im Interesse des Ganzen etwas von dem abgeben muss, was ihm - nach Kürzung der Landeszuschüsse - noch zur Verfügung steht. Uns ist klar, dass wir damit viel von den Fakultäten und Instituten verlangen. Doch die Zentrenbildung wird nicht zuletzt dazu beitragen, die Humboldt-Universität im Wettbewerb um zusätzliche Mittel zu stärken. Gerade mit Blick auf den Wettbewerb um Spitzenuniversitäten, Exzellenzcluster und Graduiertenkollegs bieten Interdisziplinäre Zentren beste Voraussetzungen. Doch es gibt dabei noch eine große Hürde: Selbst exzellente Universitäten und Cluster können sich nur dann am Wettbewerb beteiligen, wenn das Land bereit und in der Lage ist, zur Fördersumme 25 Prozent beizusteuern. Hierfür wird wohl ein Sonderprogramm des Landes Berlin nötig sein, denn der gebeutelte Hochschuletat des Wissenschaftssenators gibt die erforderliche Kofinanzierung nicht mehr her. Jetzt muss der Senat von Berlin beweisen, was ihm Spitzenpositionen in der Forschung wirklich wert sind. Die Humboldt-Universität wird jedenfalls durch eine Bündelung exzellenter Forschung zeigen, dass es sich lohnt, in Wissenschaft zu investieren.

 TITELBILD: 1/2004

Prof. Dr. Evelies Mayer
Vorsitzende des Kuratoriums der Humboldt-Universität zu Berlin