Digitale Kartierung eines Tagebuchs
Abbildung: Screenshot edition humboldt digital; Screenshot oXygen
XML Editor: Bearbeitung der Transkription und Annotation einer
Tagebuchseite, die im Seminar bearbeitet wird,
Scan ebd. Seite, SBB-PK, Nachl. Alexander von Humboldt (Tagebücher),
ART V, Bl. 55r, Scan des Einbandes, SBB-PK SBB-PK, Nachl.
Alexander von Humboldt (Tagebücher), ART V.
Auch große Forschungsreisende fangen klein an. Wie das konkret aussieht, untersuchen derzeit Studierende der Humboldt-Universität (HU) im digitalen Forschungsprojekt „Messen, Sammeln, Beschreiben“: Zwischen Juni 1797 und April 1798 reiste Alexander von Humboldt von Dresden über Prag nach Wien und Salzburg. Konzipiert war diese Exkursion als Vorbereitung einer über Jahre geplanten, sehr viel größeren Forschungsreise, die Humboldt schließlich von 1799 bis 1804 durch Amerika führen sollte. In den Ostalpen und im Salzkammergut übte er sich im Umgang mit Instrumenten, in der Erfassung und Notation von meteorologischen Daten sowie von Orts- und Höhenbestimmungen.
Diese Reise vor der Reise hat Humboldt auf knapp 50 engbeschriebenen Seiten seines Tagebuchs dokumentiert. „Die Blätter liegen zwar seit 2014 als Bilddigitalisate online vor, sind bislang jedoch weder ediert noch eingehend erforscht worden“, sagt Christian Thomas von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW). Diese Aufgabe geht Thomas nun gemeinsam mit seinen Kollegen Tobias Kraft und Ulrich Päßler (beide ebenfalls BBAW) und einer Gruppe HU-Studierender an.
Interdisziplinäres Projekt
„Am Beginn der Arbeit im studentischen Forschungsteam steht die Transkription der Handschrift“, so Ulrich Päßler. „Im Seminar werden die dazu notwendigen paläographischen Kenntnisse erlernt sowie das Auszeichnungsformat TEI-XML und Grundkonzepte der Digital Humanities vermittelt.“ Digitalisierung spielt in den Geisteswissenschaften eine zunehmend bedeutende Rolle: Indem Quellen standardisiert erfasst und digital publiziert werden, bekommen Forscher weltweit Zugriff darauf. „In Auszeichnungsformaten wie TEI-XML können nicht nur die Quellen selbst mit all ihren Eigenheiten detailliert erfasst werden“, erläutert Thomas. „Es lassen sich auch zusätzliche Informationen damit verknüpfen, etwa durch Verlinkung zu externen Datenbanken.“ So können die im Tagebuch enthaltenen Informationen von Forschern der entsprechenden Fachwissenschaften, etwa aus der historischen Klimaforschung, nachgenutzt und aufbereitet werden. Aus diesem Grund ist das Projekt interdisziplinär angelegt.
„Wir wenden uns sowohl an Studierende der Geistes- als auch der Naturwissenschaften, die Kenntnisse der Digital Humanities als Forschungsmethode erwerben oder vertiefen möchten“, so Päßler weiter. Parallel dazu entwickeln die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Projekts eigene Forschungsthemen, beispielsweise zu Mess- und Experimentalverfahren um 1800 sowie Körperpraktiken des messenden und sammelnden Forschens im Feld oder den Anfängen eines quantifizierenden Blicks auf die Natur.
Das Seminar läuft sowohl als Q-Team des Bologna Lab als auch als Lehrveranstaltung im Masterstudiengang Geschichtswissenschaften der HU. Letzteres bildet den Auftakt einer Kooperation zwischen BBAW und HU im neuen Master-Schwerpunkt „Digital History“ (Start: Wintersemester 2018/19), in dem von nun an regelmäßig Expertinnen und Experten aus Projekten der Akademie für die praxisbezogene Lehre an der HU gewonnen werden. „Reizvoll ist für die Studierenden dabei, dass die Ergebnisse des Seminars – nach Prüfung und Finalisierung – in ein aktuelles Editions- und Forschungsvorhaben einfließen“, betont Päßler. Das Manuskript, das die Lehrenden gemeinsam mit den Studierenden bearbeiten, ist Teil von Humboldts Amerikanischem Reisetagebuch, das in der laufenden edition humboldt digital publiziert wird. Teile der BBAW-Publikation des Akademienvorhabens „Alexander von Humboldt auf Reisen – Wissenschaft aus der Bewegung“ sind bereits jetzt öffentlich zugänglich.
Autor: Lars Klaaßen