Gamification zu Klimawandel und Klimaschutz

Anna Beniermann, Foto: privat
Themen, die wissenschaftlich unumstritten sind, aber in der Gesellschaft kontrovers diskutiert werden, interessieren Anna Beniermann besonders. Die Biologie-Didaktikerin möchte wissen, warum Themen wie Klimawandel und Impfungen hitzig diskutiert werden, welche Einstellungen sich dahinter verbergen und wie man Bürger:innen erreicht, die wissenschaftlichen Erkenntnissen skeptisch gegenüberstehen. Im Sommersemester hat sie einiges vor in punkto Wissenschaftskommunikation.
Zurzeit arbeitet die Postdoc an der Entstehung des Computerspiels „TRAIN 4 Science“, das auf der Langen Nacht der Wissenschaften am 2. Juli Premiere haben wird. „Wir sind intensiv mit der Spielentwicklung beschäftigt, das ist eine neue Erfahrung für mich, es geht viel kreativer und wilder als in der Forschung zu“, sagt Beniermann, die nach der Konzeptionsphase mit einer Illustratorin sowie Playersjourney, einer HU-Ausgründung im Bereich Spieleentwicklung, und der Berliner Agentur anschlaege.de zusammenarbeitet. Zurzeit wird sie in der HU-Förderline „Open Humboldt Freiräume“ für Wissenschaftskommunikation für dieses Projekt gefördert.
Ein Spiel zum Klimawandel
In „TRAIN 4 Science“ setzen sich die Teilnehmenden partizipativ-spielerisch mit dem Thema Klimawandel auseinander. „Die Spieler:innen werden dazu angeregt, sich mit fachlichen Fragen zum Klimawandel und mit ihren eigenen Einstellungen zu beschäftigen. Es geht auch um die Frage, wie sähe die Welt aus, wenn sich alle verhalten wie ich?“, erklärt Anna Beniermann, die in der Abteilung für Fachdidaktik und Lehr-/Lernforschung am Institut für Biologie arbeitet. Das Wort Train steht dabei fürs Trainieren von wissenschaftlicher Kompetenzen sowie für einen Zug, den die Spieler:innen über Weichen, die für Entscheidungen stehen, steuern können. Das Spiel soll nicht nur Wissen vermitteln, sondern auch Spaß machen und wird im Vorfeld von Proband:innen getestet.
Mit dem Campusmobil auf dem Marktplatz
Geplant ist nicht nur der Auftritt auf der Langen Nacht der Wissenschaften. Das Team um Anna Beniermann möchte längerfristig mit „TRAIN 4 Science“ im öffentlichen Raum präsent sein. Der Humboldt Satellit, das multimedial ausgestattete CampusMobil der HU, soll dabei zu einer mobilen Playstation umfunktioniert werden und Menschen auf Berliner Plätzen in einer Marktplatz-Atmosphäre zum Spielen und Diskutieren zusammenbringen. „Wir möchten vor allem junge Menschen ohne Affinität zu klassischen Formaten der Wissenschaftskommunikation durch diese unkonventionelle Methode ansprechen.“
Die Forscherin arbeitet außerdem an einer Homepage mit Hintergrundwissen zum Klimawandel, auf der sich die Spieler:innen im Anschluss an das Spiel informieren können. Die Themen sind austauschbar und das Spiel kann modulweise genutzt werden. Ein Einsatz in Veranstaltungen für Lehramtsstudierende und in Schulen ist auch geplant. Möglich macht „TRAIN 4 Science“ nicht nur die „Open Humboldt Freiräume“-Förderung, die es Anna Beniermann ermöglicht, sich durch eine Vertretung in der Lehre ganz auf das Projekt zu konzentrieren, sondern auch die Klaus Tschira Stiftung gGmbH, die die Entwicklung des Spiels finanziert. Kooperationspartner ist außerdem das Museum für Naturkunde Berlin.
Akzeptanz und Zweifel an der Evolutionstheorie
Ein anderes kontroverses Thema, mit dem sich Anna Beniermann schon seit Studientagen beschäftigt ist die Evolutionsbiologie. „Sie ist von großer gesellschaftlicher Relevanz und ihre Erkenntnisse haben Auswirkungen darauf, wie wir mit dem Klimawandel, Arzneimittelresistenzen und Fragen der Ernährungssicherheit umgehen. Dennoch werden ihre Erkenntnisse von Teilen der Bevölkerung abgelehnt“, sagt Beniermann. Evolutionsbiologie war ihr Schwerpunkt im Masterstudium Biologie an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. In ihrer Doktorarbeit an der Justus-Liebig-Universität Gießen hat sie zu „Evolution – von Akzeptanz und Zweifeln: Empirische Studien über Einstellungen zu Evolution und Bewusstsein“, so der Titel der Veröffentlichung, geforscht. Um Einstellungen zu Evolution überhaupt messen zu können, hat sie standardisierte Fragebögen entwickelt und gezeigt, dass insbesondere die Evolution des menschlichen Bewusstseins ein kontroverses Thema ist.
Die Fragebögen sind auch in dem EU-geförderten Projekt „EuroScitizen. Building on scientific literacy in evolution“ zum Einsatz gekommen. „Wir haben etwa 10.000 Studienanfänger:innen in 26 europäischen Ländern zu ihren Einstellungen zu Evolution befragt“, erklärt Beniermann, die in „EuroScitizen“ eine Arbeitsgruppe leitet. Im ersten Schritt haben sich die Wissenschaftler:innen eine Übersicht über den Stand der Forschung zu Akzeptanz und Wissen über die Evolution in Europa verschafft. „Es fehlten in vielen europäischen Ländern klare, umfassende und vergleichbare Daten zu Einstellungen und Wissen über die Evolution.“ Diese gibt es nun und sie können bald sogar über ein Dashboard von allen Interessierten abgerufen und interaktiv erforscht werden.
Wissenschaftskommunikation im Fokus
Beniermann, die in ihrer Freizeit gern mit ihrem Hund in der Natur unterwegs ist und gerne Zeit mit Freund:innen und Familie verbringt, hat nicht durchgängig in der Wissenschaft gearbeitet. Nach ihrer Promotion leitete sie die gemeinnützige Gesellschaft für Wissenschaftskommunikation „Philoscience“ und das interaktive Mitmach-Museum „turmdersinne“ in Nürnberg. „Das war eine sehr spannende und lehrreiche Zeit, gleichzeitig habe ich schnell angefangen, die Wissenschaft zu vermissen und habe, soweit es ging, nebenbei geforscht.“ Die Zeit missen möchte sie trotzdem nicht.
Social Media im Biologieunterricht?
Im Museum hat sie „skills“ wie Zeitmanagement und Führungskompetenz aufgebaut sowie Erfahrungen in der praktischen Wissenschaftskommunikation gesammelt. Denn auf Beniermanns Forschungsagenda stehen noch weitere Themen. So forscht sie unter anderem zu messtheoretischen Fragen und erforscht mit Kooperationspartnern den Einsatz von Social Media im Biologieunterricht. Neben den Gefahren, die digitale Kommunikationskanäle in sich bergen, wie zum Beispiel Fakenews, sieht Anna Beniermann auch viele Chancen im Einsatz von Social Media im Schulbereich. Sie versucht zurzeit, Drittmittel für ein Projekt einzuwerben, in dem sie sich damit intensiver beschäftigen möchte. „Der Einfluss von sozialen Medien auf naturwissenschaftliche Lehr-Lernprozesse ist ein riesiges Feld, das noch weitgehend unbestellt ist.“
Autorin: Ljiljana Nikolic