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Novinki: Wie Studierende und Lehrende gegen den Krieg schreiben

Fürs Online-Magazin „novinki“ schreiben Studierende und Lehrende der Slawistik der HU und vier anderer Universitäten. Sie haben dort ein aktuelles Forum mit dem Titel „novinki gegen Putins Angriffskrieg“ aufgesetzt, wo sie ihre Expertise regelmäßig in neue Artikel einfließen lassen.

Bei „noviniki" gehen die Uhren zurzeit viel schneller als sonst. An den Artikeln des Online-Magazins wird üblicherweise über ein Semester lang liebevoll geschrieben, sie durchlaufen mehrere, professorale wie journalistische Optimierungsinstanzen, bevor sie veröffentlicht werden. Im Fokus steht dabei das aktuelle Kulturgeschehen in Ost‑, Mittel- und Südosteuropa – von Buch, Film- und Theaterrezensionen über Festivalberichte bis zu Interviews mit Kulturschaffenden ist alles im Online-Magazin zu finden. Jetzt ist das übliche Prozedere außer Kraft gesetzt. „Zurzeit schauen wir nicht so streng auf journalistische Regeln, die beteiligten Studierenden und Redaktionsmitglieder laden ihre Artikel und Arbeiten selbst hoch“, sagt Philine Bickhardt, koordinierende studentische Hilfskraft bei „novinki“.

Sprache, Terminologie und Rhetorik im Fokus

In diesen aktuellen Artikeln des Online-Portals geht es um die Ukraine, den Krieg, die Menschen. In Windeseile hat die „novinki“-Redaktion, ein aktuelles Forum mit dem Titel „novinki gegen Putins Angriffskrieg“ aufgesetzt, wo sie zum Thema veröffentlichen. „Unser Ziel ist nicht, die üblichen Informationen zu liefern, sondern einen Schwerpunkt auf unsere eigene Expertise zu setzen“, sagt Susanne Frank. Die HU-Professorin für Ostslawische Literaturen und Kulturen und „novinki“- Redaktionsmitglied hat dieser Tage selbst einen Artikel und Videobeiträge veröffentlicht, in dem sie die Sprache, Terminologie und Rhetorik Putins entlang einer versehentlich veröffentlichten „Siegeserklärung“ erklärt. Master-Studentin Philine Bickhardt, die zwei Jahre in Russland gelebt hat, dort Freiwilligenarbeit leistete und für Freiheitsrechte demonstrierte, analysiert Putins Rede im Vorfeld des Krieges. „Die Rede an die Nation wird wohl als offizielle Kriegserklärung in die Annalen der Geschichte eingehen“, sagt sie. Yelizaveta Landenberger hat zusammen mit Elisabeth Bauer einen Text über Babyn Jar veröffentlicht, den sie kurz vor Beginn des Krieges beendet haben. Der Gedenkort befindet sich in der Nähe des Kyiver Fernsehturms, der Ziel eines russischen Raketenangriffs war. „Auch wenn der Erinnerungsort wohl nicht direkt getroffen wurde, wird diese Episode der ruchlosen Kriegsführung Russlands von Kommentator:innen als symbolischer Gewaltakt scharf verurteilt“, schreibt die Masterstudentin Landenberger. Zu finden ist auf dem Ukraine-Forum auch das #WarDiary der ukrainischen HU-Absolventin Lina Zalitok über ihren Kriegsalltag, den sie in einem Dorf nahe Kyjiw erlebt. 

Ein Projekt mit fünf Universitäten

„Novinki“, die Vorsilbe nov steht in den meisten Sprachen der Region für neu oder Neuheiten, gibt es schon seit dem Sommer 2006. Das Projekt riefen Studierende und Lehrenden der Literaturwissenschaft am Institut für Slawistik und Hungarologie der HU ins Leben. Mittlerweile ist das Projekt gewachsen, neben der HU sind die Universitäten Zürich, Wien, Potsdam und als jüngstes Mitglied die FU dazugekommen. „Kolleginnen, die an eine andere Universität gewechselt sind, führen das Projekt an ihrer neuen Arbeitsstelle fort“, erklärt Susanne Frank. Für Studierende ist „novinki“ eine Möglichkeit, erste Berufserfahrungen zu sammeln, über den Tellerrand des wissenschaftlichen Arbeitens zu schauen und Schreibgenres wie Porträt, Interview und Reportage kennenzulernen und auszuprobieren. „Jedes Semester findet an einer der beteiligten Hochschulen ein novinki-Seminar statt, wo wir journalistisches Know-how vermitteln, auch mit Hilfe von gestandenen Redakteuren, die uns unterstützen“, sagt Professorin Frank. 

Prominente Interviewpartner:innen

Zu den Interviewpartner:innen der Studierenden zählen auch die Inhaber:innen der Siegfried-Unseld-Professur an der HU, die durch den DAAD finanziert wird. Die prominenten Autor:innen aus Ost- und Mitteleuropa bieten Veranstaltungen zur Geschichte und Poetik mittel- und osteuropäischer Literaturen sowie praxisbezogene Schreibworkshops an. Das Angebot richtet sich an Studierende der Master-Studiengänge am Institut für Slawistik sowie des Masterstudiengangs Europäische Literaturen. Vor der Pandemie war die russische Dichterin, Essayistin und Journalistin Maria Stepanova zu Gast. Während der Pandemie lehrte die ukrainische Fotokünstlerin und Schriftstellerin Yevgenia Belorusets an der HU und kuratierte als Abschluss mit den Studierenden eine Ausstellung. Im Sommersemester 2022 hat die Professur der polnische Lyriker und Essayist Tomasz Różycki inne und für das Wintersemester 2022/23 ist die Besetzung mit der ungarischen Autorin Zsófia Bán geplant.

Spenden für Ukrainer:innen

Die „novinki“-Redaktion hat rund 15 Mitglieder, einer der wenigen Männer im Bunde ist HU-Student Philipp-Martin Bode, der sich vor allem um die technische Seite und das Webdesign von „novinki“ kümmert. Er sitzt in einem der Büros am Institut für Slawistik und Hungarologie und zeigt auf die vielen Spenden im Raum, die Angehörige des Instituts und andere Menschen für Ukrainer:innen gebracht haben. „Ich finde es toll, wie intensiv wir in diesen Tagen zusammenarbeiten. Wir sind über die unterschiedlichsten Kanäle von morgens bis abends miteinander im Kontakt, um uns abzustimmen, zu diskutieren“, sagt Bode, der schon arbeitet und in diesem Jahr sein Studium abschließen wird. Die „novinki“-Uhren schlagen nicht nur schneller, sondern auch intensiver.  

Autorin: Ljiljana Nikolic

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