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Gleichstellung an der HU: Fortschritte, Herausforderungen und neue Wege

Zum Weltfrauentag spricht Dr.in Ursula Fuhrich-Grubert, Zentrale Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte der Humboldt-Universität, über die Bedeutung des 8. März, den Stand der Gleichberechtigung an Hochschulen und die Arbeit des neuen Zentrums für Chancengerechtigkeit.

Am 8. März wird der Internationale Frauentag gefeiert. Seit mehr als 100 Jahren demonstrieren Frauen an diesem Tag für ihre Rechte und Gleichberechtigung, weisen bei Veranstaltungen auf bestehende Ungleichheiten und Unterdrückung hin, aber auch Fortschritte. Dr.in Ursula Fuhrich-Grubert ist seit 2009 Zentrale Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte der Humboldt-Universität zu Berlin und Leiterin des neuen Zentrums für Chancengerechtigkeit. Zum Weltfrauentag haben wir mit ihr über den Stand der Gleichberechtigung an Hochschulen, aktuelle Herausforderungen und das neue Zentrum für Chancengerechtigkeit an der HU gesprochen.

Ursula Fuhrich-Grubert

Ursula Fuhrich-Grubert, Zentrale Frauen- und
Gleichstellungsbeauftragte der HU und Leiterin des
Zentrums  für Chancengerechtigkeit.
Foto: Barbara Herrenkind

Frau Fuhrich-Grubert, seit 1911 feiern Frauen weltweit den „Internationalen Tag der Frauen“ am 8. März. Warum ist dieser Tag wichtig und sind auch an der HU Veranstaltungen geplant?

Dr.in Ursula Fuhrich-Grubert: Der “Internationale Tag der Frauen“ oder auch „Weltfrauentag“ steht symbolisch für das Ziel, eine geschlechtergerechte Welt erreichen zu wollen und damit die tatsächliche Gleichstellung zwischen Frauen und Männern in der Gesellschaft auf den Weg zu bringen. Seit über 100 Jahren wird der Frauentag zum Anlass genommen, auf alle Formen der Unterdrückung aufmerksam zu machen und ihnen entgegenzuwirken. Konkret geht es u.a. darum, dass Frauen sichtbarer werden, dass es mehr Frauen in Führungspositionen gibt oder dass der Gender Pay Gap ein Ende findet. In der momentanen politischen Situation, das heißt vor dem Hintergrund eines erstarkenden Antifeminismus, ist es meinen Kolleginnen und mir darüber hinaus sehr wichtig, dass Geschlechtergerechtigkeit und Gleichstellung trotz des politischen Rechtsrucks nicht in Frage gestellt und entsprechende Strukturen nicht abgebaut, sondern vielmehr weiter ausgebaut werden.

Unsere Veranstaltung zum 8. März 2025, der in Berlin bekanntlich ein Feiertag ist, findet am 13. März von 13 bis 15 Uhr im Senatssaal der Universität statt. Auch um in der aktuellen politischen Auseinandersetzung stark zu bleiben, steht sie diesmal unter der Überschrift „Herausfordernde Situationen im (Hochschul-) Alltag gelassen meistern". Es wird um die Themen Gesundheit, Balance und Resilienz gehen. Das Angebot an diesem Tag bietet neben der Kernveranstaltung mit einem Training auch die Möglichkeit, an einem Cardio-Stress-Test oder an einem Entspannungs-Coaching mit VR-Brille teilzunehmen. Alles das passiert in Kooperation mit dem Hochschulischen Gesundheitsmanagement.

Worin besteht ihre Aufgabe als Zentrale Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte der HU und wer unterstützt Sie bei Ihrer Arbeit?

Fuhrich-Grubert: Die zentrale Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte unterstützt alle Menschen, die Geschlechterdiskriminierung oder geschlechterbasierte Gewalt an der HU erleben. Sowohl meine Stellvertreterinnen, die über 40 dezentralen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an allen Instituten und Fakultäten und ich selbst bieten Betroffenen Beratung an und nehmen Beschwerden entgegen. Zudem berate ich als Zentrale Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte alle zentralen Gremien der HU und das Präsidium in Fragen von Geschlechtergerechtigkeit und Gleichstellung. Meine dezentralen Kolleginnen übernehmen diese Arbeit in den jeweiligen Fakultäten, Instituten und Verwaltungseinrichtungen. Ferner sind meine Kolleginnen und ich entsprechend den gesetzlichen Vorgaben auch in sämtliche Stellenbesetzungsverfahren an der HU eingebunden. Aus dieser Beschreibung wird m.E. sehr deutlich, dass meine Arbeit ohne die Unterstützung der dezentralen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten völlig unmöglich wäre. Das gilt aber genauso bezogen auf die  Mitglieder der Gremien, in denen ich tätig bin. Ohne deren Unterstützung könnte meine Arbeit nicht wirklich produktiv sein. An dieser Stelle möchte ich allen meinen Unterstützer*innen ausdrücklich danken!

An den Hochschulen konnten in den vergangenen Jahren große Fortschritte erzielt werden. An der HU konnte der Frauenanteil bei den Professuren seit 2008 fast verdoppelt werden auf knapp 40 Prozent. Bei den Wissenschaftlichen Mitarbeitenden besteht mit einem Frauenanteil von 51,5 bereits Geschlechterparität. Wo besteht dennoch Handlungsbedarf?

Fuhrich-Grubert: Abgesehen davon, dass auf Ebene der Professuren auch fächerübergreifend Geschlechterparität noch nicht hergestellt wurde, gibt es erhebliche Unterschiede in den jeweiligen Fächern an der HU. Besonders in den MINT-Fächern (dazu zählen Geographie, Chemie, Informatik, Physik, Mathematik und die Lebenswissenschaften) sowie in den Rechts- und Wirtschaftswissenschaften will die HU den Frauenanteil daher weiter steigern. Die Professuren sind in diesen Fächern durchschnittlich nur zu 27,5 Prozent mit Frauen besetzt, unter den Wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen sind 39 Prozent Frauen.

Wie unterstützen und fördern Sie Frauen an der HU? Welche Programme gibt es?

Fuhrich-Grubert: Es gibt eine ganze Reihe von Programmen an der HU, die zielgruppenspezifisch Frauen in ihren Stärken stärken. Tatsächlich habe ich mit den Worten „fördern“ und „unterstützen“ ein gewisses Problem, weil Frauen durch deren Verwendung schnell als hilfsbedürftig eingestuft werden. Das sind sie in der Regel aber nicht. Doch zurück zu den Programmen: Wir haben beispielsweise Maßnahmen, die darauf zielen, den Anteil von Wissenschaftlerinnen auf verschiedenen Karrierestufen zu erhöhen, indem zum Beispiel Stellen speziell für sie eingerichtet werden: Das sind Gastdozenturen und -professuren, PostDoc-Stellen oder W1-Professuren beziehungsweise vorgezogene Nachfolgeberufungen für W2- und W3-Professuren, die mit einer Frau besetzt werden. Darüber hinaus gibt es Stipendien für Wissenschaftlerinnen, beispielsweise um eine Promotion beziehungsweise eine Habilitation abzuschließen oder für eine gewisse Zeit als Promovendin oder Postdoktorandin im Ausland zu forschen.

Schließlich haben wir in der Berlin University Alliance, kurz BUA, Empowerment-Programme wie das „ProFiL-Programm“, das Maßnahmen zur Personalentwicklung insbesondere für Postdoktorandinnen bietet, ein „Leadershipprogramm für Professorinnen“ oder das Programm „Frauen Führen Wissenschaft“ für Frauen aus dem Wissenschaftsmanagement – alle drei Programme bieten Plätze für Frauen aus der HU an. Am Standort Adlershof der HU richtet sich das Programm „WINS Adlershof (Women in Natural Sciences)“ dezidiert an die Doktorandinnen und Postdoktorandinnen der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät - mit dem Ziel, sie zu einer wissenschaftlichen Karriere zu ermutigen. Schließlich seien an dieser Stelle noch die mit 80.000 Euro dotierte Caroline von Humboldt-Professur für eine Professorin der HU und der mit 15.000 Euro dotierte Caroline von Humboldt-Preis für eine internationale Postdoktorandin genannt. Alle diese Maßnahmen und viele mehr sind unter dem gemeinsamen Dach des Caroline von Humboldt-Programms versammelt, das diese Maßnahmen zugleich bestimmten Zielen und Zielgruppen zuordnet.

An der Humboldt-Universität wurde im Herbst letzten Jahres das neue Zentrum Chancengerechtigkeit gegründet. Was hat sich dadurch verändert?

Fuhrich-Grubert: Mit der Gründung des Zentrums Chancengerechtigkeit (ZCG) sind wichtige Akteur*innen der Antidiskriminierungsarbeit an der HU erstmals unter einem Dach vereint. Zurzeit umfasst das Zentrum die Bereiche Geschlechtergerechtigkeit und Gleichstellung, Familiengerechtigkeit, Antidiskriminierung und Diversität, Antisemitismusprävention sowie die Geschäftsstelle des Berliner Chancengleichheitsprogramms. Da das ZCG darüber hinaus einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt, der möglichst viele Diversitätsdimensionen in den Blick nimmt, steht zu erwarten, dass noch weitere Bereiche hinzukommen werden. Durch die enge Zusammenarbeit im Zentrum konnte beispielsweise sehr schnell eine Verweisberatung für alle von Diskriminierung betroffene Personen an der HU eingerichtet werden.

Darüber hinaus werden gemeinsame Standards zum Beispiel bezogen auf Beratung oder Prozesse zum Umgang mit Beschwerden im Austausch weit schneller und effektiver entwickelt werden können – wir sind dabei. Die Folge wird eine konstante Qualitätssicherung sein. Im Rahmen vieler Themenkomplexe, wie etwa bei der „Kommunikation“ können die im Zentrum zusammengefassten Bereiche jetzt zügiger und besser auf das Wissen und die Erfahrungen aller anderen zugreifen. Zugleich kann die jeweilige Arbeit, wie zum Beispiel die Entwicklung einer Website oder die Organisation einer Veranstaltung, arbeitsteilig erledigt werden. Dadurch werden Redundanzen oder Doppelarbeit verhindert, wodurch wiederum notwendige Ressourcen für die Entwicklung neuer Maßnahmen und Programme entstehen. Zugleich lässt sich der Inklusionsgedanke in Maßnahmen oder Programmen infolge der Zentrumsstruktur erfolgreicher als zuvor umsetzen, da Informationen von Expert*innen für die verschiedenen Diversitätsdimensionen schnell und ohne Aufwand zur Verfügung stehen.

Und konkret für die Frauenförderung an der HU?

Fuhrich-Grubert: Die Frauenförderung, die nunmehr im Bereich Geschlechtergerechtigkeit und Gleichstellung des ZCG angesiedelt ist, profitiert von den beschriebenen Strukturen ebenfalls deutlich: Eine kooperative Entwicklung von Zielen und Maßnahmen, die der Frauenförderung dienen bzw. der Kommunikation über deren Maßnahmen genauso wie eine gemeinsame Mittelverwaltung lässt sich im Zentrum effizienter und zudem inklusiver umsetzen. Insbesondere können Best Practices aus anderen Bereichen im Sinne der Frauenförderung weiterentwickelt und umgesetzt werden.

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Zum Zentrum Chancengerechtigkeit