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Caroline von Humboldt-Professorin Ethel Matala de Mazza: „Mich fasziniert das Feuilleton schon länger.”

Die Literaturwissenschaftlerin Ethel Matala de Mazza hat ein Faible für die kleinen Formen, untersucht die Wechselbeziehungen zwischen populären Kleingenres und politischen Umbrüchen. Für ihre Forschung und ihr Engagement wird sie mit der Caroline von Humboldt-Professur geehrt.

 

Ethel Mattala de MazzaEthel Matala de Mazza hat im Oktober zwei freudige Nachrichten erhalten, die sie strahlen lassen. Das Graduiertenkolleg „Literatur- und Wissensgeschichte kleiner Formen”, dessen Mitbegründerin und nun auch Sprecherin sie ist, wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft verlängert. Sie ist erleichtert, die Doktorand:innen nach drei Semestern hauptsächlich digitaler Kommunikation in Präsenz zu treffen und ihnen mit der Verlängerung des Kollegs eine Perspektive bieten zu können. Und gleichzeitig freut sie sich über die zweite gute Nachricht: Ihr wird am 17. November die Caroline von Humboldt-Professur an der HU verliehen. „So richtig glauben konnte ich das erst, als das offizielle Schreiben des Vizepräsidenten für Forschung kam, das in der Hauspost lange unterwegs war“, freut sie sich.

Posts, Blogs und Notizen im Fokus

Die Professorin für Neuere deutsche Literatur interessiert sich nicht nur für den Höhenkamm von großen Werken. Ihre Leidenschaft gilt den kleinen Formen. "Viele davon galten lange als kunstlos, als Zweckgenres oder Massenfabrikate mit begrenzter kultureller Relevanz und Haltbarkeit", sagt die Preisträgerin. Sie erforscht die moderne Artenvielfalt dieser Texttypen schon länger und mit interdisziplinärem Blick, habilitierte bereits über die Poetik des Kleinen an der Universität München. Kleine Formen? Der Begriff ist offen, die Liste lang. Auch Formate im Alltagsgebrauch wie WhatsApp-Nachrichten, Posts und Blogs zählen dazu. „In der Wissenschaft gehören Protokolle, Notizen, Fragebögen, Rezensionen, Abstracts und Exposés zu einer wuchernden Kleinprosa, die den Forschungsbetrieb begleitet oder beim persönlichen Verwalten des Ideenhaushalts hilft.“ Und neuerdings in der Wissenschaftskommunikation gefragt ist. Beim gerade zu Ende gegangenen Falling Walls Science Summit zum Beispiel sollten junge Leute in Drei-Minuten-Pitches Selbstmarketing betreiben und zeigen, dass in ihnen die „Stars“ von morgen stecken.

Populäre Kleingenres und politische Umbrüche

Historisch geht die Bezeichnung „kleine Form“ auf den Journalismus des 19. Jahrhunderts zurück. Die Artikel der Feuilletonsparten in der Tagespresse sahen anders aus als die Meldungen im Rest des Blatts: Sie kamen unterhaltsam, witzig-leicht und pointiert daher und informierten nicht nur über kulturell Interessantes, sondern wurden selbst als kulturelles Ereignis betrachtet. Ein „must read“. „Mich fasziniert das Feuilleton schon länger, weil es stilprägend war für eine Gegenwartsliteratur, die nicht von vornherein für die Ewigkeit gemacht war. Dazu kommt, dass seine Entstehung, sein besonderer Sinn für die Veränderungen des Großstadtlebens, seine Rolle als Mitgestalter beim Wandel der Öffentlichkeit ohne die vorausgehenden Revolutionen undenkbar gewesen wären“, sagt Matala. Sie untersucht solche Wechselbeziehungen zwischen populären Kleingenres und politischen Umbrüchen seit dem 19. Jahrhundert. „Viele vermuten gar nicht, dass diese kleinen Formen zwischen Journalismus und Literatur als Teil der modernen Massenkultur auch ein Stück Demokratiegeschichte mitgeschrieben haben.“

Forschung zu Körperschaften

Die Forschungen stehen bei ihr im Kontext einer kontinuierlichen Beschäftigung mit den Verwicklungen der Literatur in die politische Geschichte Europas. Weitere Arbeiten setzen sich mit der Karriere von Konzepten des kollektiven Körpers auseinander, waren Anlass für eine Reihe interdisziplinärer Projekte mit Kolleg:innen aus der Soziologie, der Ethnologie, der Philosophie sowie den Geschichts- und Rechts- und Politikwissenschaften. Mit den Studien verknüpft ist die Beobachtung, dass Gemeinwesen fiktionsbedürftig sind und Bilder aus politisch bewirtschafteten Einbildungskräften brauchen, um sich als Einheiten wahrnehmen können, obwohl sie aus einer Vielheit sehr verschiedener Individuen bestehen. Die Körpermetapher war als Bildspender und Ideenvorrat für Selbsterzählungen besonders ergiebig, half zum Beispiel bei der Begründung, dass Staaten ein „Oberhaupt“ brauchen oder ihre Einheit durch Reinheit „bewahren“ müssen.

Begründung der Jury

„Ihre herausragenden und fachübergreifenden Forschungen zur Geschichte und Theorie politischer Körperschaften und zu Formen des politischen Imaginären spannen von der Französischen Revolution und der Romantik bis zur Gegenwart“, schreiben die Juror:innen, „zudem hat sie die Geschichte, Theorie und Praxeologie kleiner Formen als neues transdisziplinäres Forschungsfeld eröffnet und befestigt.“

Karriereaufbau mit Hilfe von Förderprogrammen

Matala studierte neuere deutsche Literatur, Philosophie, Linguistik und Kunstgeschichte an den Universitäten Bochum, Paris-Sorbonne und München. „Ich hatte mit dem Germanisten Gerhard Neumann einen Doktorvater, der mir große Freiräume ließ und mir vertraute“, erinnert sie sich an die Zeit der Promotion an der LMU München und die Anfänge ihrer wissenschaftlichen Karriere. „Ich habe von unterschiedlichen Förderprogrammen profitiert, die immer zur rechten Zeit da waren.“ Nach der Promotion forschte sie auch als Postdoc am heutigen Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin. Als es um die Planung nächster Schritte ging, bewarb sie sich um ein Habilitationsstipendium. Erfolgreich. Es gab ihr die Möglichkeit zur freien Ortswahl – und damit zur Verlängerung des Aufenthalts in Berlin mit dem hier aufgebauten interdisziplinären Arbeitsumfeld. 2007 habilitierte sie mit einer Studie, die in ihre später veröffentlichte Monographie „Der populäre Pakt. Verhandlungen der Moderne zwischen Operette und Feuilleton“ einging. 

Nach Gastprofessuren in Chicago und Harvard wurde sie Professorin für Kulturtheorie und kulturwissenschaftliche Methoden an der Universität Konstanz: Eine Professur in einem Forschungscluster, der durch die Exzellenzinitiative gefördert wurde. Im Oktober 2010 kam die Wissenschaftlerin an die Humboldt-Universität – auch hier war ein Förderprogramm hilfreich, um ihr den Weg zur Professur durch eine vorgezogene Nachfolgeberufung schneller zu ebnen.

Mit Preis Ideen bündeln und schreiben

Auch die Caroline von Humboldt-Professur, mit der die Humboldt-Universität herausragende Forscher:innen noch sichtbarer machen und ihre Arbeit unterstützen möchte, kommt für die Forscherin zu einem guten Zeitpunkt. Die Professur, mit der auch Matalas beträchtliches Engagement in Gremien in und außerhalb der Universität sowie für Studierende und Nachwuchswissenschaftler:innen honoriert wird, ist mit  80.000 Euro dotiert. Ethel Matala möchte sich davon gerne Zeit leisten, am besten in Form einer Vertretungsprofessur, die es ihr erlaubt, ganz in ihre Forschung einzutauchen. „Mich treiben so viele Ideen um, auch inspiriert durch die vielen Diskussionen mit den Doktorand:innen des Graduiertenkollegs. Nun würde ich einige davon gern bündeln und schreiben.“ Die Literaturgeschichte kleiner Presseformen soll dabei weiter im Zentrum stehen, jetzt aber stärker mit dem Fokus auf die Verwandlungsfähigkeit dieser Formen bei ihrer Reise durch unterschiedliche Medien und Formate.

Autorin: Ljiljana Nikolic

Hybride Preisverleihung 

Die öffentliche Verleihung von Caroline von Humboldt-Professur und -Preis findet am Mittwoch, 17. November 2021, 18 Uhr im Senatssaal der HU statt, und wird von HU-Präsidentin Sabine Kunst eröffnet. Die Festrede hält Edelgard Buhlman, Vorsitzende des Kuratoriums der HU. Die Festveranstaltung findet hybrid statt, für die Teilnahme in Präsenz wird um Anmeldung via E-Mail gebeten. Sie können die Veranstaltung auf dem YouTube-Kanal der Humboldt-Universität im Livestream mitverfolgen.

Weitere Informationen

Caroline von Humboldt-Professur

Caroline von Humboldt-Preis

Caroline von Humboldt-Programm (strategisches Gleichstellungskonzept der Humboldt-Universität zu Berlin)

Kontakt

Kristina Kütt

Referentin der zentralen Frauenbeauftragten
Tel.: 030 2093 12842

E-Mail: kristina.kuett@hu-berlin.de