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Wiedereröffnung der Mori-Ōgai-Gedenkstätte

Interview mit Nora Bartels, Referentin für Bildungsarbeit, sowie Dr. Harald Salomon, wissenschaftlicher Leiter der Mori-Ōgai-Gedenkstätte über neue Ausstellungen, das neue Ōgai-Webportal und Feierlichkeiten zum Ōgai-Jahr 2022

Was ist es für ein Gefühl, nach so langer Zeit die Mori-Ōgai-Gedenkstätte wiederzueröffnen?

MOG: Auch aus der Sicht einer Personengedenkstätte war und ist die Pandemie eine einschneidende Phase. Im Rahmen der Hygiene-Maßnahmen blieb das Haus über achtzehn Monate für die Öffentlichkeit geschlossen. Wir haben die Zeit genutzt, um unsere digitalen Projekte (einschl. des Veranstaltungsprogramms) neu auszurichten und um mit großzügiger Unterstützung der Technischen Abteilung der Humboldt-Universität die Räumlichkeiten in der Luisenstraße neu zu gestalten. Die Gedenkstätte war somit einmal mehr „im Umbau“, um den Titel einer bekannten Erzählung Mori Ōgais zu zitieren. Nun freuen wir uns sehr darüber, dass unser Haus seit einigen Wochen wieder von Studierenden und allgemeinen Besucher:innen aufgesucht werden kann. Sich im direkten Gespräch über unsere Projekte austauschen zu können, empfinden wir als ausgesprochen motivierend. Angesichts der Entwicklung der Infektionszahlen sind wir allerdings auch besorgt, wie lange sich der „normale“ Betrieb aufrechterhalten lässt.

Was zeigt die Mori-Ōgai-Gedenkstätte nach der Wiedereröffnung?

MOG: In den beiden aufwendig umgestalteten Räumen für temporäre Ausstellungen haben wir kürzlich Morgensonnenland. Reisen zum Sehnsuchtsort Japan um 1900 eröffnet. Die Ausstellung beschäftigt sich mit den Fahrten um die Erde nach Japan, die deutschsprachige Reisende in den Jahren 1890 bis 1910 unternahmen und arbeitet zentrale Erfahrungen heraus – von der Vorstellung bzw. Vorbereitung der Reise bis zu ihrer Durchführung. Die Exponate entstammen einer um 1900 populären Kultur der Japanimagination – darunter finden sich bibliophil gestaltete Bände, die seinerzeit als Bestseller galten, und liebevoll von Hand kolorierte „Yokohama-Photographien“, die in großer Zahl als Souvenir erworben wurden.

Unsere Dauerausstellung Zwischen den Kulturen hat vor allem den Berlinaufenthalt Mori Ōgais und die Nachwirkungen in seinem Werk als Literat und Wissenschaftler zum Thema. Morgensonnenland kontrastiert nun diese Eindrücke mit einem Blick in das zeitgenössische Japan und lässt vielfältige kulturelle und individuelle Begegnungen mit dem Inselreich aufscheinen. So ergänzt das Projekt die oftmals politisch orientierte Darstellung der Beziehungen zwischen Japan und Europa und bietet Gelegenheit, gegenwärtige Japanbilder und eigene Reiseerfahrungen zu hinterfragen. In einer Zeit, in der Flüge nach Japan weiterhin nur sehr eingeschränkt möglich sind, laden wir ein, sich auf eine Zeitreise zu begeben.

Was sind Ihre persönlichen Highlights?

MOG: Die historischen Yokohama-Photographien sind zauberhafte „Schmuckstücke“ der Morgensonnenland-Ausstellung. Die individuell kolorierten Albumin-Abzüge haben nicht nur großen ästhetischen Reiz, sie zeigen uns auch, was um 1900 als die Essenz des Sehenswerten galt und somit das Japanbild im Westen prägte. In vieler Hinsicht erfrischend ist auch die Lektüre der Berichte der deutschsprachigen Reisenden, die teils in lyrisch verklärender Weise, teils sachlich oder humorvoll distanziert dem Land begegneten und dabei Haltungen offenbarten, die uns auch heute nicht unbekannt scheinen.

Der frisch gestaltete Studienraum ist ein Highlight unserer Dauerausstellung. Er bildet nun das atmosphärische Zentrum der Räumlichkeiten und lädt dazu ein, sich eingehender mit dem Leben und Wirken Mori Ōgais zu befassen.

Im Zusammenhang mit unserem Veranstaltungsprogramm möchten wir auf unsere Reihe Architekturen der Begegnunghinweisen, die wir zusammen mit dem Institut für Kunst- und Bildgeschichte der Humboldt-Universität organisieren. Im Dezember findet erneut der Deutsch-Asiatische Studientag Literatur- und Geisteswissenschaften statt, den wir gemeinsam mit der Friedrich Schlegel Graduiertenschule für literaturwissenschaftliche Studien der Freien Universität veranstalten.

Was verbirgt sich hinter dem Ōgai-Onlineportal?

MOG: Das Ōgai-Portal (www.ogai.de) erschließt die intellektuelle Biographie des japanischen Humboldt-Alumnus Mori Ōgai (1862–1922), der in den 1880er Jahren unter anderem bei Robert Koch studierte. Um die Auseinandersetzung mit seinem vielfältigen Wirken als Mediziner und Literat zu fördern, stellt das Fachportal Informationen und Materialien bereit. Dazu zählen Einblicke in die Phasen seines Lebens im Licht zeithistorischer Bezüge, ein Verzeichnis seiner Werke, welche die moderne japanische Literatur mitbegründet haben, und eine laufend erweiterte Bibliographie der Beiträge zur internationalen und japanischen Ōgai-Forschung. Momentan arbeiten wir am Modul „Bildung“. Es stellt Aktivitäten inner- und außerhalb Japans vor, die dem Ziel dienen, das vielfältige Wirken Ōgais in der Öffentlichkeit zu vermitteln.

Wie ist der Ausblick auf das kommende Jahr? Welche Highlights bietet die Mori-Ōgai-Gedenkstätte an?

MOG: Ein erstes Highlight wird Anfang 2022 die abschließende Veranstaltung der Vortragsreihe „Architekturen der Begegnung“ sein.

Im Jahr 2022 jährt sich der Todestag Mori Ōgais zum 100. Mal. Deshalb soll das kommende Jahr ganz im Zeichen des Lebens und Wirkens unseres Namensgebers stehen. In diesem Sinne sind eine Reihe von Veranstaltungen und Veröffentlichungen geplant, die unter anderem einige Schlüsselwerke des Literaten Ōgai erstmals in deutscher Sprache zugänglich machen werden. Natürlich sehen wir auch eine neue Ausstellung vor; an deren Vorbereitung beteiligen sich gegenwärtig bereits Studierende des Seminars „Mori Ōgai und seine Zeit“, das am Institut für Asien- und Afrikawissenschaften angeboten wird.

Weitere Informationen

Zur Webseite der Mori-Ōgai-Gedenkstätte