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Semesterstart: Studium mit Beeinträchtigung

Interview mit Katrin Rettel, Beauftragte für Studierende mit Beeinträchtigung an der HU

Das Team „Studium mit Beeinträchtigung“ unterstützt Studierende, Schüler*innen, Studieninteressierte und Studierende mit einer Beeinträchtigung oder chronischen Erkrankung. Die Beratung ist ergebnisoffen und findet vertraulich sowie auf Wunsch anonym statt; die Mitarbeiter*innen unterliegen dem Datenschutz und der Verschwiegenheitspflicht. Katrin Rettel ist Beauftragte für Studierende mit einer Beinträchtigungen oder chronischen Erkrankung an der HU.

An wen richtet sich das Unterstützungsangebot?

Katrin Rettel: Beeinträchtigung ist ein sehr weiter Begriff, der den Begriff Behinderung miteinschließt. Wir haben uns für Beeinträchtigung entschieden, da wir festgestellt haben, dass sich viele Studierende unter der Bezeichnung Behinderung nicht verorten können. Uns ist es wichtig, klar zu machen, dass das Beratungsangebot nicht nur Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen zur Verfügung steht, wie beispielsweise Personen, die einen Rollstuhl nutzen oder blinde Personen. Denn körperlich sichtbare Beeinträchtigungen machen den kleinsten Anteil unserer Zielgruppe aus. Viel öfter wirken sich chronische und psychische Erkrankungen studienerschwerend aus. Laut einer Studie des Deutschen Studierendenwerks haben sechzehn Prozent der Studierenden eine studienerschwerende Beeinträchtigung. Die größte Gruppe (über 50 Prozent) berichtet über psychische Erkrankungen.

Wie wird den Studierenden von Ihnen geholfen?

Katrin Rettel: Wir beraten zu Themen rund um das Studium mit einer gesundheitsbedingten Beeinträchtigung, vor allem zum Nachteilsausgleich. Studierende mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen können oft zeitliche und formale Vorgaben nicht wie vorgesehen erfüllen. Der Nachteilsausgleich kann fehlende Gestaltungsspielräume bei der Studienorganisation ausgleichen und helfen, Prüfungsbedingungen anzupassen, um eine chancengleiche Teilhabe am Studium herzustellen. Diese angemessenen Vorkehrungen haben den Zweck, eine beeinträchtigungsbedingte Benachteiligung individuell und situationsbezogen zu kompensieren. Sie stellen keine „Vergünstigung“ dar. Wenn jemand zum Beispiel Konzentrationsschwierigkeiten aufgrund einer Beeinträchtigung hat, könnte eine Schreibzeitverlängerung oder eine individuelle Pausenregelung hilfreich sein, um in einer Prüfungssituation das volle Leistungspotenzial abrufen zu können. Die Möglichkeiten sind hier bewusst offengehalten und werden individuell angepasst. Jedoch stellt lediglich ein Drittel der Studierenden, die einen Anspruch auf angemessene Vorkehrungen haben, überhaupt einen Antrag. Grundsätzlich ist ein Nachteilsausgleich jedoch nur das zweitbeste Instrument, das nicht notwendig wäre, wenn die Lehre so inklusiv gestaltet wird, dass sie im Sinne eines „universalen Designs“ allen Beteiligten einen barrierefreien Zugang ermöglicht.

Neben dem Nachteilsausgleich beraten wir Studieninteressierte zum Härtefallantrag im Bewerbungsverfahren und, zusammen mit der Beratungsstelle Barrierefrei Studieren vom studierendenWERK Berlin, zu Inklusionsleistungen. Das können technische Hilfen wie Sprachprogramme oder Laptops mit bestimmten Funktionen, Büchergeld, Kommunikationshilfen und Gebärdensprachdolmetschende oder auch eine Studienassistenz sein.

Welche Veränderungen gab es durch die Erfahrungen mit der Pandemie?

Katrin Rettel: Die Erfahrung aus den Pandemie-Semestern hat gezeigt, dass das Online-Beratungsangebot eine sinnvolle Ergänzung zur Beratung vor Ort darstellt. Die so gewonnene Ortsunabhängigkeit senkt Barrieren für bestimmte Personen, die zu uns kommen möchten, beispielsweise weil sie noch nicht in Berlin wohnen oder aufgrund therapeutischer Maßnahmen die Beratungsangebote vor Ort nicht wahrnehmen können. Eine anonyme Beratung ist dadurch ebenfalls besser möglich. Wir bieten natürlich auch Präsenzberatungen und auch die gemeinsame offene Sprechstunde mit der Beratungsstelle Barrierefrei Studieren (BBS) an.

Welche Barrieren gibt es in diesem Semester?

Katrin Rettel: Es gibt Studierende, die in den Pandemie-Semestern ihr Studium begonnen haben und mittels hybrider Lehrformate gut vorangekommen sind. Gerade asynchrone Formate wurden sehr gern angenommen, da sie viel Flexibilität ermöglichten. Mit der Rückkehr in die Präsenzlehre mussten diese Studierende ihren Studienalltag zum Teil neu strukturieren. Erfreulich ist, dass Neuerungen aus dem Digitalen Studium ihren Weg in die Ausgestaltung der Lehre gefunden haben, wie beispielsweise die automatische Untertitelung in Zoom und Opencast. Die Beratungserfahrung zeigt jedoch auch, dass die Gruppe Studierender mit chronischen Erkrankungen weiter angewachsen ist, darunter Personen aus dem autistischen Spektrum und Menschen, die sich dem neurodiversen Spektrum zuordnen. Die größte Gruppe berichtet jedoch über psychische Erkrankungen oft einhergehend mit weniger Belastbarkeit. Hier gilt es Lösungsansätze für eine individuelle Studiengestaltung zu erarbeiten. Aber auch die Lehre agiler und flexibler zu gestalten.

Welche Tipps haben Sie für die Erstsemester?

Katrin Rettel: Erstmal ankommen. In Ruhe schauen, was an der Uni wie läuft. Und wenn man merkt, irgendwo hakt es, Unterstützung holen. Auf der Webseite „Wohin wende ich mich mit meinem Anliegen?“ gibt es eine hilfreiche Übersicht über die häufigsten Anliegen rund ums Studium und die richtigen Ansprechpartner*innen. Die Beratungsangebote sind für die Studierenden da, also nehmen Sie gern Kontakt auf!

Gerade bei Nachteilsausgleichen besteht noch viel Unsicherheit: Habe ich da überhaupt Anspruch? Wie sieht so ein Antrag aus? Der erste Schritt besteht immer darin, sich Dinge bewusst zu machen und Fragen zu stellen. Eine Empfehlung, die schon vielen Erstsemestern geholfen hat, ist in die Kommunikation mit Dozierenden zu gehen und Herausforderungen anzusprechen.

Weitere Informationen

Studium mit Beeinträchtigung und Hinweise zu den Beratungsmöglichkeiten

Beratungen

  • Online-Beratung, dienstags (13 bis 15 Uhr) vorherige Anmeldung notwendig unter studieren@hu-berlin.de
  • Telefonische Beratung, mittwochs (11 bis 12 Uhr) unter 030 2093-70345, die Nummer ist nur in der Stunde live geschaltet
  • Gemeinsame Offene Sprechstunde mit der Beratungsstelle „Barrierefrei Studieren“ (BBS) vom studierendenWERK Berlin, einmal im Monat, mittwochs, die genauen Termine zu finden auf der Webseite zum Studium mit Beeinträchtigung
  • Auf Anfrage bieten wir auch Beratung in Präsenz an, in der Regel finden die Termine mittwochs nachmittags statt

Barrieren melden

Laufwege sind blockiert, Rollstuhlnutzende kommen nicht vorbei, es fehlen Handläufe und Behindertentoiletten sind wieder mal nicht zugänglich? Diese und ähnliche Hindernisse können den Studien- und Arbeitsalltag für Menschen mit Beeinträchtigungen erheblich erschweren. Die Humboldt-Universität strebt danach, ein Ort zu sein, der für alle ihre Mitglieder zugänglich und inklusiv ist. 2024 setzt sie deshalb einen Fokus auf das Thema Barrierefreiheit und wird zentrale Aktivitäten zum Abbau von Barrieren intensivieren. Ihre Unterstützung ist dabei wichtig: Melden Sie physische Barrieren direkt per E-Mail. Die Informationen ermöglichen es, effizient auf Probleme zu reagieren und die Universität für alle zugänglich zu machen. Ihre Daten werden vertraulich behandelt. Bitte geben Sie Ort, Gebäude, Etage, Raumnummer und Art der Störung detailliert an.

Barrieren melden via E-Mail unter barrieren.melden@hu-berlin.de

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