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Hohe Auszeichnung für Peter Hegemann

Der Neurowissenschaftler erhält den Louisa Gross Horwitz Preis 2022 der Columbia University
Prof. Peter Hegemann

Prof. Peter Hegemann
Foto: Philipp Plum

Der Neurowissenschaftler Peter Hegemann erhält zusammen mit Karl Deisseroth und Gero Miesenböck den Louisa Gross Horwitz Preis 2022 der Columbia University. Die drei Wissenschafler werden für Forschungsarbeiten, die den Grundstein für das Gebiet der Optogenetik legten, ausgezeichnet. Der Preis wird am 16. Februar 2023 in New York City überreicht.

Peter Hegemann, PhD, ist Hertie-Professor für Neurowissenschaften am Institut für Biologie und Experimentelle Biophysik an der Humboldt-Universität. Hegemann schloss sein Studium der Chemie an der Universität Münster und der LMU München ab und promovierte am Max-Planck-Institut für Biochemie, Martinsried. Er wurde mehrfach für seine Pionierarbeit auf dem Gebiet der Optogenetik ausgezeichnet, im Jahr 2021 mit dem Lasker Awards, der als der renommierteste Preis für biomedizinische Forschung in den USA gilt. 

Die Optogenetik hat die Erforschung des Nervensystems revolutioniert und geholfen zu verstehen, wie die Schaltkreise des Gehirns Verhaltensweisen wie Lernen, Schlaf, Sehen, Sucht und Bewegung steuern, und sie hat das Potenzial für die Behandlung von Krankheiten wie Epilepsie, Wirbelsäulenverletzungen, Multipler Sklerose und Morbus Parkinson erhöht.

Vor der Optogenetik standen den Wissenschaftlern nur begrenzte Mittel zur Untersuchung des Gehirns zur Verfügung. Elektrische Stimulationen zur Erregung von Neuronen erwiesen sich als zu ungenau, da sie auch benachbarte Gehirnzellen anregten. Medikamente, die auf Neuronen abzielten, wirkten zu langsam und wahllos. Mit der Optogenetik änderte sich alles, denn diese Technik ermöglichte es den Wissenschaftlern endlich, eine Reihe von Neuronen gezielt anzusteuern und ihre Aktivität schnell und genau zu kontrollieren.

Der Name der Technik setzt sich zusammen aus den Worten „opto-“, da bei der Methode Proteine verwendet werden, die auf Licht reagieren, und “-genetics“, da die Einbringung der Proteine in die Neuronen gentechnische Verfahren erfordert. Die in der Optogenetik verwendeten Proteine werden Opsine genannt, die in Zellen zu finden sind, die Licht wahrnehmen, wie zum Beispiel Augenzellen. Wissenschaftler entdeckten die Opsine erstmals im 19. Jahrhundert, aber erst in den 2000er Jahren wurden sie als Hilfsmittel in neurowissenschaftlichen Experimenten eingesetzt.

Erste Versuche mit Opsinen 

Anfang 2002 brachte die die Gruppe von Gero Miesenböck mit Hilfe der Gentechnik eine Reihe von Opsin-Genen aus den Augen von Fruchtfliegen in Nervenzellen von Ratten ein. Die Forscher zeigten zum ersten Mal, dass die mit Opsin veränderten Nervenzellen durch Licht zum Feuern von elektrischen Impulsen angeregt werden können. Einige Jahre später implantierte Miesenböcks Labor lichtempfindliche Ionenkanäle tief in die Gehirne von Fruchtfliegen und zeigte, dass die Optogenetik auch in Lebewesen funktionieren kann. In diesem Experiment stimulierte das Licht genau zwei Neuronen der Fliege, ohne benachbarte Neuronen auszulösen, und steuerte die Fähigkeit des Insekts, wegzufliegen.

Obwohl es sinnvoll war, dass das in den ersten optogenetischen Experimenten verwendete Opsin aus Augenzellen stammte, war dieses frühe System langsam und brauchte mehrere Sekunden, um sich ein- und auszuschalten. Glücklicherweise sind lichtempfindliche Moleküle auch an vielen anderen Stellen in der Natur zu finden, und es stellte sich heraus, dass der Schlüssel zur Erschließung des gesamten optogenetischen Potenzials im Teichschlamm versteckt war.

Nachdem die Gruppe von Peter Hegemann mehrere Jahrzehnte lang das Verhalten von Algen untersucht hatte, entdeckte und isolierte sie im Jahr 2002 Channelrhodopsin, eine Form von Opsin, das Grünalgen dazu veranlasst, zum Licht zu schwimmen, um Sonnenenergie einzufangen und zu speichern. Im Vergleich zum Rhodopsin, dem Gegenstück in den Augenzellen, das mehrere Komponenten für seine Funktion benötigt, ist das Kanalrhodopsin der Algen ein einfacheres System, das aus einem einzigen Proteinkanal besteht. Hegemanns Team schleuste das Kanalrhodopsin-Gen erfolgreich in Froscheier und menschliche Nierenzellen ein und zeigte, dass der Kanal einen Strom durch die Zellmembranen leiten kann.

Methode wird heute in Laboren weltweit eingesetzt

Die Optogenetik hat sich nach den ersten Pionierarbeiten von Miesenböck, Hegemann und Deisseroth weiterentwickelt. So entdeckten Deisseroth und Hegemann gemeinsam die Schlüsselprinzipien der Struktur und Funktion lichtempfindlicher Kanäle. Sie zeigten, dass es möglich ist, "Designer"-Opsine herzustellen, die auf unterschiedliche Lichtgeschwindigkeiten oder -farben reagieren und verschiedene Arten von Ionen bewegen, wodurch die Palette der untersuchbaren Gehirnfunktionen erweitert wurde. Seitdem haben Forschende die Optogenetik eingesetzt, um das Verhalten einer Vielzahl von Organismen zu untersuchen, darunter Fruchtfliegen, Würmer, Fische, Mäuse und sogar Affen. Die Methode, die anfangs nur von Spezialisten genutzt werden konnte, ist heute so zugänglich, dass sie in Hunderten von Labors auf der ganzen Welt Einzug gehalten und das Feld der Neurowissenschaften verändert hat.

Über die Grundlagenforschung hinaus beginnt die Optogenetik auch bei der Entdeckung neuer Behandlungsmethoden zu helfen. In Mausmodellen haben Wissenschaftler die Optogenetik zur Aktivierung von Gehirnzellen eingesetzt, um verloren geglaubte Erinnerungen wiederherzustellen und Anzeichen von Depressionen zu lindern. Wissenschaftler:innen entwickeln biologische Schrittmacher aus Stammzellen, die den Herzschlag mit Licht ein- und ausschalten können, was eine relativ komplikationslose Behandlung für Patient:innen darstellen könnte. Und im vergangenen Jahr haben Wissenschaftler die Optogenetik eingesetzt, um einem blinden Patienten wieder zum Sehen zu verhelfen. Die Vielseitigkeit der Optogenetik lässt vermuten, dass noch viele weitere spannende Fortschritte bevorstehen.

Text: Columbia University

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