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Ringen um eine Zukunft

Christine Richter war als Pressesprecherin der Senatorin unterwegs
Christine Richter

Christine Richter, Foto: Maurizio Gambarini

Die Humboldt Universität – sie kannte ich schon zu DDR-Zeiten, obwohl ich doch im Westen geboren und aufgewachsen war. Aber meine Cousine und ihr Freund studierten an dieser beeindruckenden Hochschule in Ost-Berlin, dort, auf der Treppe vor der Hochschule traf ich Anfang der 1980er-Jahre zum ersten Mal meinen jüngsten Onkel wieder, zu dem wir, die Familie im Westen, lange Zeit keinen Kontakt gehabt hatten. Das änderte sich nach diesem zufälligen Treffen in Ost-Berlin. Die Humboldt Universität, sie hatte für mich nicht nur wegen ihrer Geschichte, sondern auch wegen dieser, meiner kleinen persönlichen Geschichte deshalb immer eine besondere Bedeutung für mich.

 

So auch nach dem Fall der Mauer: Im Jahr 1990 fand ich mich in der Humboldt-Universität wieder – mehrfach, meist als Begleitung der Wissenschaftssenatorin Barbara Riedmüller (SPD), deren Pressesprecherin ich damals war. Wir waren in diesen Monaten nach dem Fall der Mauer überall in Berlin unterwegs – an der Humboldt-Universität, in der Charité, aber auch in all den Instituten der Akademie der Wissenschaften, in Adlershof, in der Wuhlheide. Es ging um viel – um die Zukunft der Einrichtungen, um die der Forscher, Wissenschaftler, der Professoren und des Mittelbaus. Auch um die Studentinnen und Studenten. „Abwicklung“ – das Wort schwebte drohend über allem und allen.

Im Dezember 1990 wurde der rot-grüne Senat abgewählt, ich suchte mir rasch eine neue Aufgabe – und begann im Januar 1991 bei der „Berliner Zeitung“. Als Berlin-Redakteurin, mit dem Schwerpunkt Bildung und Wissenschaft. Ich weiß nicht, wie viele stundenlange Sitzungen des Akademischen Senats ich an der HU verfolgt habe, wie viele Artikel ich geschrieben habe. Mit wie vielen Professoren, mit Studentenvertretern ich gesprochen habe, über Stasi-Fälle, Ehrenkommissionen und Neuanfänge. Besonders bewegt hat uns alle der Fall Heinrich Fink, Hochschul-Präsident von 1990 bis 1991, ein Menschenfänger – bis die Gauck-Behörde die Stasi-Verstrickung aufdeckte. „Unsern Heiner nimmt uns keiner“, skandierten viele hundert Studenten in der Behrenstraße vor der Gauck-Behörde. Ich stand dabei – und kam mir verraten vor.

Das Interesse an der Humboldt-Universität, das war in diesen Jahren sehr groß. Ich berichtete über die politischen Entscheidungen, aber auch über personelle, über neue Studiengänge oder die Frage, ob Agrarwissenschaften überhaupt noch an einer Berliner Hochschule angeboten werden muss. Zu DDR-Zeiten selbstverständlich, im vereinten Deutschland nicht mehr.

Heute komme ich fast täglich auf dem Weg zur Arbeit an der Humboldt-Universität vorbei. Zeige sie jedem Besucher, bin glücklich, dass sie den Kampf um die Zukunft gewonnen hat – und heute zu den besten in Deutschland zählt.

Christine Richter (56), Redakteurin Berliner Zeitung 1991 bis 2008, seit dem Oktober 2008 Berliner Morgenpost, seit 2018 Chefredakteurin der Berliner Morgenpost