Humboldt-Universität zu Berlin

Einführung

Der dritte Forschungsbericht nach dem Neuaufbau dokumentiert die Stabilisierung der Forschung an der Humboldt-Universität. Die Aufbauarbeit, die schwerpunktmäßig in den ersten Jahren nach der Wende geleistet wurde, kann in vielen Bereichen als abgeschlossen angesehen werden. Die damit verbundenen Mühen haben sich zum Teil bereits in den Jahren 1994/95 ausgezahlt. Dies schlägt sich auch in der gestiegenen Anzahl der gemeldeten Forschungsprojekte nieder. Bei einer annähernd gleichen Struktur wurden für die Jahre 1994/95 rund 500 Projekte mehr gemeldet als für den Forschungsbericht 1992/93. Darüber zeigen sich auch Unterschiede hinsichtlich der Komplexität der Projekte, was auf einen qualitativen Anstieg schließen läßt. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Humboldt-Universität auch im Berichtszeitraum vielfältigen Veränderungen unterworfen gewesen ist, die Kraft und Zeit unserer Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen gebunden haben.

Die wichtigste Strukturmaßnahme im Berichtszeitraum ist die Neugliederung der bisherigen 24 Fachbereiche zuzüglich Museum für Naturkunde in 11 Fakultäten und einem Zentralinstitut (Museum für Naturkunde)1. Die Binnengliederung der Fakultäten wurde im Jahre 1994 durch die Einrichtung von 31 Instituten festgelegt, wobei die hochschulpolitische Prämisse für diese Struktur die Stärkung der Selbstverantwortung der Fakultäten war. Als weitere strukturelle Maßnahmen müssen das Naturkundemuseumsgesetz2, das den notwendigen Grundstein für die Aufnahme dieses Zentralinstituts in die Blaue Liste gelegt hat3, sowie die Einrichtung des Großbritannien-Zentrums als Zentralinstitut4 genannt werden.

Auf der Grundlage des Universitätsmedizingesetzes5 wurde mit dem 1. April 1995 das zur Freien Universität Berlin gehörige Universitätsklinikum Rudolf Virchow als Medizinische Fakultät - Virchow-Klinikum neben der Medizinischen Fakultät - Universitätsklinikum Charité in die Humboldt-Universität eingefügt. Da diese Fusion erst relativ spät in den Berichtszeitraum des vorliegenden Forschungsberichts fällt, wurden die Forschungsergebnisse des Universitätsklinikums Rudolf Virchow nicht in diesen Forschungsbericht aufgenommen, sondern unterliegen noch der Berichterstattung der Freien Universität Berlin6.

Eine besondere Anerkennung erhielt die Humboldt-Universität durch die Aufnahme in die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Sommer 1995, die die personelle und strukturelle Erneuerung der Universität als so weit fortgeschritten ansah, daß der im Jahre 1991 gestellte Antrag auf Mitgliedschaft auf der Grundlage neu eingereichter Unterlagen beraten und positiv beschieden wurde.

Der Ruf einer Universität steht und fällt mit dem Ruf der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, die an ihr tätig sind. Im Berichtszeitraum erhielten neben den bereits Ende 1993 an der Humboldt-Universität tätigen 346 Professoren und Professorinnen aus Ost und West weitere 50 Personen einen Ruf.

Durch die Fertigstellung zahlreicher Renovierungsvorhaben und das Hinzukommen zusätzlicher Gebäudekomplexe sowie der damit einhergehenden Erneuerung der infrastrukturellen Ausstattung konnten die Rahmenbedingungen für eine Vielzahl der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf ein zufriedenstellendes bis gutes Niveau gebracht werden. Auch die apparative Ausstattung hat sich im Berichtszeitraum - zum Teil mit Hilfe von Bund, Land oder sonstigen Fördereinrichtungen - deutlich verbessert, auch wenn die vorhandenen Lücken durchaus noch spürbar sind.

Angesichts dieser Stabilisierung der Rahmenbedingungen für die Forschung ist es weniger erstaunlich, daß die Drittmittelbilanz unserer Hochschule erfreuliche Zuwächse verzeichnet hat.

Die im Berichtszeitraum ausgegebenen Drittmittel verteilen sich dabei wie folgt7:

   

1994

 

1995

Geistes- und Sozialwissenschaften  

8,8 Mio

 

11,3 Mio

Natur- und Agrarwissenschaften  

16,3 Mio

 

20,8 Mio

Medizinische Fakultät-Universitätsklinikum Charité8  

20,9 Mio

 

23,8 Mio

Nach Mittelgebern differenziert ergibt sich für die genannten Bereiche folgendes Bild:

   

1994

 

1995

DFG  

18,2 Mio

 

26,0 Mio

Bundesministerien  

14,8 Mio

 

15,8 Mio

EU und sonstige öffentliche Mittelgeber  

5,2 Mio

 

3,9 Mio

Stiftungen  

1,5 Mio

 

1,9 Mio

Wirtschaft und Industrie  

6,3 Mio

 

8,3 Mio


Diese kontinuierliche Zunahme der Drittmitteleinwerbungen ist aber nicht allein auf die bereits genannten Faktoren zurückzuführen, sondern hat auch zu einem nicht zu unterschätzenden Teil ihre Ursache in einem gezielten Anreiz- und Wettbewerbssystem zur Drittmittelakquise. Während die Charité ihre Haushaltsmittel für die Forschung zum Großteil antragsgebunden als Ergänzungsausstattung zu drittmittelfinanzierten Projekten aushändigt, hat im Hochschulbereich der Humboldt-Forschungsfonds im wesentlichen das Ziel, solche Projekte zu initiieren9.

Eine bewußte Forschungsschwerpunktsetzung hat es in den Jahren 1994 und 1995 bei der Einrichtung zweier von der DFG geförderten Innovationskollegs gegeben, bei deren Beantragung die Hochschule sich zur Weiterführung der beantragten Professuren auch über den Förderzeitraum hinaus verpflichtet hat. Diese sind:

  • "Theoretische Biologie" mit Federführung im Institut für Biologie in der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät I,
  • "Kompensations- und Regenerationsmechanismen nach definierten Veränderungen an Transmissionssystemen und ihre Bedeutung für Hirnfunktionen", mit Federführung im Institut für Pharmakologie und Toxikologie in der Medizinischen Fakultät - Universitätsklinikum Charité.

Ansonsten haben sich die Schwerpunkte mehr oder weniger zwangsläufig im Zusammenhang mit der Einrichtung von oder Beteiligung an Sonderforschungsbereichen, Graduiertenkollegs oder Forschergruppen ergeben. Im Berichtszeitraum wurden zwei Sonderforschungsbereiche und zwei Graduiertenkollegs begonnen, bei denen die Humboldt-Universität die Sprecherfunktion übernommen hat. Diese sind:

  • SFB 373 "Quantifikation und Simulation ökonomischer Prozesse" mit Federführung in der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät,
  • SFB 507 "Die Bedeutung nichtneuronaler Zellen bei neurologischen Erkrankungen" in der Medizinischen Fakultät-Universitätsklinikum Charité,
  • Graduiertenkolleg "Modellstudien zu Struktur, Eigenschaften und Erkennung biologischer Makromoleküle auf atomarer Ebene" in der Medizinischen Fakultät-Universitätsklinikum Charité,
  • Graduiertenkolleg "Angewandte Mikroökonomik" in der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät.

Darüber hinaus war die Humboldt-Universität im Berichtszeitraum an einem weiteren Innovationskolleg sowie an achtzehn weiteren Sonderforschungsbereichen bzw. acht weiteren Graduiertenkollegs beteiligt10 . Auch wurden in den Jahren 1994/95 folgende DFG-Forschergruppen neu eingerichtet:

  • "Historisch-sozialwissenschaftlicher Gesellschaftsvergleich. Strukturen und Identitäten im kognitiven und sozialen Wandel",
  • "Bildung und Schule im Transformationsprozeß von SBZ, DDR und neuen Ländern - Untersuchungen zu Kontinuität und Wandel",
  • "Grundlagen umweltschonender Bodennutzungsstrategien in nordostdeutschen Tiefland",
  • "Kortikale Plastizität: Psychophysiologische Untersuchungen zu läsions- und verhaltensinduzierten Funktionsveränderungen kortikaler Areale",
  • "Pädiatrische Molekularbiologie".

Ein Gradmesser für die Anerkennung von Forschungsleistungen einer Universität und eine zentrale Voraussetzung für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit ist auch die internationale Anerkennung. Sie zeigt sich in den mittlerweile über 90 Partnerschaftsverträgen mit Universitäten in vier Kontinenten. Allein im Berichtszeitraum 1994/95 konnten 15 Verträge neu unterzeichnet werden, was das stetig wachsende internationale Interesse unterstreicht. Auch läßt sich ein Anstieg an Projekten verzeichnen, an denen Forschungsgruppen aus EU-Mitgliedsstaaten beteiligt sind und die auch durch die Europäische Kommission gefördert werden11.

Angesichts der zunehmenden Verknappung öffentlicher Mittel wird der Stellenwert und die Notwendigkeit von Forschungskooperationen mit Wirtschaft und Industrie künftig weiter an Bedeutung gewinnen müssen. Der Anbahnung derartiger Forschungskooperationen galt auch in den vergangenen zwei Jahren ein besonderes Augenmerk. Zu diesem Zweck beteiligt sich die Humboldt-Universität seit 1991 an internationalen Messen (z.B. CeBIT, Hannover Messe) sowie an diversen Fachmessen (z.B. Biotechnika, Utech)12.

Die Attraktivität der Humboldt-Universität als Konferenz- und Tagungsort für Wissenschaftliche Vereinigungen hat in den vergangenen zwei Jahren zugenommen. Aus der großen Zahl von Symposien, Kolloquien, Workshops sei beispielhaft auf folgende im wesentlichen internationale Veranstaltungen hingewiesen, die an der Humboldt-Universität durchgeführt wurden:

1994:

  • Internationaler Workshop "Particle Systems, random media and large deviations", Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät II, Institut für Mathematik,
  • 8. Internationaler Workshop Sozialpharmazie, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät II, Institut für Pharmazie,
  • 27. Tagung für Rechtsvergleichung, Juristische Fakultät,
  • 2nd European Symposium "X-Ray Topographie and High Resolution Diffraction", Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät I, Institut für Physik
  • Lymphoma Workshop of the European Organization for Research and Treatment of Cancer Preliminary Program; Histopathology Group; "Definition of Standardized Microscopic Criteria for Diagnosis of Cataneos Malignant Lymphomas", Medizinische Fakultät-Universitätsklinikum Charité, Dermatologische Universitätsklinik und Poliklinik,
  • Deutsch-Russische Konferenz "New Developments in Economic Theory and Policy", Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät,
  • "Anthropologie heute - Standortbestimmung und Innovationen", Medizinische Fakultät-Universitätsklinikum Charité, Institut für Anthropologie,
  • Internationales Symposium "Wild and Domestic Ruminants in Extensive Land Use Systems" (Satellite event to the VIII. International Symposium on Ruminants Physiology), Landwirtschaftlich-Gärtnerische Fakultät,
  • 2nd European Congress of Pharmaceutical Sciences, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät II, Institut für Pharmazie.

1995:

  • Internationale wissenschaftliche Konferenz "Slawische und deutsche Sprachwelt", Philosophische Fakultät II, Institut für Slawistik,
  • Symposium im Rahmen der UN-Klimakonferenz '95: Klimaveränderung und Landwirtschaft - Wechselwirkungen und Handlungserfordernisse, Landwirtschaftlich-Gärtnerische Fakultät,
  • Befreiung oder Kapitulation - 50 Jahre danach; Symposium zum 08. Mai 1945, Juristische Fakultät,
  • Gedenktag anläßlich des 50. Todestages Dietrich Bonhoeffers, Internationales Bonhoeffer-Komitee, Theologische Fakultät,
  • The Role of Law in Transition - Dealing with the injustices of the past through law. A comparative analysis of the German and south African experiences, Juristische Fakultät,
  • Ost-West-Kolloquium für Sprachwissenschaftsgeschichte und Sprachforschung, Philosophische Fakultät III, Institut für Asien- und Afrikawissenschaften,
  • Culture and Identity: City, Nation, World; Philosophische Fakultät III, Institut für Sozialwissenschaften,
  • 17. Konferenz der International Standing Conference for the History of Education "Geschichte der Erziehungswissenschaft", Philosophische Fakultät IV, Institut für Allgemeine Pädagogik,
  • Sprache und Wirtschaft in der europäischen Informationsgesellschaft, Philosophische Fakultät II, Institut für Slawistik,
  • PCA-Symposium mit internationaler Beteiligung, Medizinische Fakultät - Universitätsklinikum Charité, Universitätsklinik und Poliklinik für Urologie sowie Universitätsklinik und Poliklinik für Strahlentherapie,
  • Internationales studentisches Kolloquium "Skandinavistik in Europa", Philosophische Fakultät II, Nordeuropa-Institut,
  • Organized Business Interests as Outcomes and Agents of Socio-Economic Transformation in East and East Central Europe, Philosophische Fakultät III, Institut für Sozialwissenschaften,
  • Zukunft für Kinder - Grundschule 2000, Philosophische Fakultät IV, Institut für Schulpädagogik und pädagogische Psychologie.

Das Ansehen, das sich die Humboldt-Universität in der nationalen und internationalen Wissenschaftslandschaft erworben hat, ist nicht allein eine Bestätigung für alle an unserer Hochschule tätigen Menschen, sondern zugleich eine Verpflichtung für die Zukunft, den Qualitätsanspruch der Forschung nicht nur zu wahren, sondern auch zu erfüllen.


1 Diese Neugliederung ging auf einen Beschluß des Kuratoriums vom 8. Dezember 1993 zurück.
2 Gesetz über das Museum für Naturkunde der Humboldt-Universität zu Berlin (Naturkundemuseumsgesetz-MfNG) vom 06. April 1995.
3 Der Wissenschaftsrat hat zwischenzeitlich ein positives Votum zur Aufnahme abgegeben.
4 Beschluß des Kuratoriums vom 14. September 1994.
5 Gesetz über die Neuordnung der Hochschulmedizin in Berlin vom 03. Januar 1995.
6 Nach diesen strukturellen Veränderungen gliedert sich die Humboldt-Universität gegenwärtig in 12 Fakultäten mit 31 Instituten sowie zwei Zentralinstitute.
7 Da Sachspenden naturgemäß nicht in eine Statistik über Mittelausgaben aufgenommen werden können, liegt die Unterstützung durch Dritte faktisch über den hier angegebenen Summen; ausdifferenzierte Aufstellungen über die Drittmittelausgaben finden sich im Tabellenanhang.
8 Zur Medizinischen Fakultät - Virchow-Klinikum, vgl. nach Fußnote 5; die Einnahmen dieser Einrichtung wurden für das Haushaltsjahr 1995 auf rund 34 Millionen DM beziffert. Da die Datenbasis jedoch auf Einnahmen und nicht auf Ausgaben beruht, sind die Zahlen nicht unmittelbar vergleichbar.

9 Zu den Ausgaben des Humboldt-Forschungsfonds siehe Ausgaben des Humboldt-Forschungsfonds 1993-1995
10 Eine Übersicht über sämtliche aktuelle Beteiligungen an Sonderformen der DFG-Forschungsförderung finden Sie unter:
Sonderforschungsbereiche-Beteiligungen und
11 Vgl. Übersicht über:
EU-Projekte an der HU
12 Vgl. Übersichten über:
Messebeteiligungen der HU 1994 und Messebeteiligungen der HU 1995