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„Man muss Großbritannien auch im außereuropäischen Kontext betrachten“

Das Großbritannien-Zentrum zeichnete sich von Anfang an durch einen multiperspektivischen Blick auf das Vereinigte Königreich aus. Die Direktorin des Zentrums, Frau Prof. Dr. Christiane Eisenberg, erzählt über Schwerpunkte und Vorgehensweisen und wie der Brexit darin einzuordnen ist.

 

Das GBZ wurde nach dem Ende des Kalten Krieges gegründet und war in vielerlei Hinsicht im europäischen Kontext verankert.

Prof. Dr. Christiane Eisenberg vom Großbritannien-Zentrum der HU Berlin
 

Frau Eisenberg betont aber, dass die europäischen Beziehungen die Lehre und Forschung am Großbritannienzentrum zwar stark geprägt haben, aber von Anfang auch der außereuropäische Kontext in den Blick genommen wurde. „Großbritannien ist keineswegs ein europäisches Land wir viele andere. Als Staats- und Gemeinwesen steht es auch in einem Spannungsverhältnis zu Teilen Kontinentaleuropas. Und diesen, von allgemeinen europäischen Entwicklungen weitgehend unabhängigen Aspekt hat das GBZ gleich von Anfang an zu berücksichtigen versucht.“ Vor Allem das auf dem Common Law basierende Rechtssystem, die besondere Bedeutung des Pfund Sterlings und das ehemalige Empire, nennt Frau Eisenberg als Gründe die es nötig machen, wirtschaftliche und gesellschaftliche Fragen hinsichtlich des Vereinigten Königreichs auch unter anderen Zusammenhängen als den europäischen zu betrachten. „Ich als Historikerin habe immer auch die Pionierrolle Großbritanniens in vielen Bereichen der Gesellschaft und Kultur als etwas spezifisch Britisches betrachtet. Ein Pionier muss eigenständige Lösungen finden, sich aber dann auch mitunter mit dem Umstand auseinandersetzen, dass diese dann mit denen der Nachfolger, die zum Teil moderne Lösungen finden, nicht mehr zusammenpassen und akzeptiert werden“, erklärt sie einen Aspekt der Sonderrolle Britanniens im europäischen Gefüge.

 

Prof. Dr. Christiane Eisenberg vom Großbritannien-Zentrum der HU Berlin
 

Aus den Besonderheiten Großbritannien ergibt sich auch der spezifische methodische Ansatz des Zentrums. „Wir untersuchen Kulturtransfers von und nach Großbritannien und auch die sie vermittelnden Parteien und Medien. Wir haben auch frühzeitig die Frage nach der „Connectivity“, nach dem Zusammenpassen von Großbritannien und seiner internationalen Umwelt untersucht und erforscht, warum er manchmal funktioniert und manchmal nicht.“ Dieser Ansatz ist nicht nur in der Forschung, sondern auch in der Lehre verwurzelt und wird von Studierenden des GBZ in Projekten ebenso wie in Prüfungsarbeiten angewendet, hebt Frau Eisenberg hervor.

Der Brexit hat weitgehende Folgen für das Großbritannienzentrum. Zum einen muss die strategische Ausrichtung überprüft werden, zum anderen sind die Folgen aber auch sehr praktischer Art und nicht nur negativ: „Der Brexit belebt das Geschäft. Dazu gehört, dass wir von britischer Seite eine Zunahme des Kooperationsinteresses erfahren, wie die Kooperation zwischen Oxford und der Berlin University Alliance zeigt. Es wächst die Nachfrage nach der spezifischen Expertise, die das GBZ zu bieten hat, “ so Eisenberg.  In ihrer Arbeit beschäftigt sich Frau Eisenberg mit den Zusammenhängen von Sport und Kapitalismus in Großbritannien und auch den Brexit nimmt sie sportlich: „Ich will nicht verleugnen, dass uns eine ausgeprägte wissenschaftliche Neugier auf den Verlauf dieses wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Experiments umtreibt, das der Brexit in Gang setzt.“ Unter historischer Perspektive erklärt Frau Eisenberg den Brexit mit dem ausgeprägtem Hang britischer Eliten zu riskanten Wetten. Die Regierung wäre damals eine Wette eingegangen, die man nur mit Ja oder Nein beantworten könne. Wer so vereinfacht frage, bekommt vereinfachte Antworten und müsse diese dann im komplexe Politik umsetzen . „Ich glaube, die Briten haben das bei ihrer Antwort nicht bedacht“, meint Frau Eisenberg.

 

Autor: Boris Nitzsche