Leitbild der Humboldt-Universität zu Berlin
1. Humanität und Wissenschaft
Gründung und Aufstieg der Humboldt-Universität sind von der den ganzen Menschen bildenden Kraft wissenschaftlicher Arbeit getragen. Damit ist die Erwartung einer Humanisierung des gesellschaftlichen Lebens verbunden. Trotz aller Rückschläge gibt es bis heute kein besseres Motiv, wenn es um das Wachstum des Wissens und die Zukunft der Bildung geht.
2. Bleibender Reformimpuls im Zeichen der Exzellenz
Die Humboldt-Universität wurde als Reformuniversität in einer Situation der Krise gegründet, um in eigener Verantwortung herausragende wissenschaftliche Leistungen zu ermöglichen und durch kritisches Wissen die gesellschaftliche Entwicklung zu fördern. Selbst nach zweihundert Jahren ist dies ein bleibendes Vermächtnis. Wer hier arbeitet, soll den Willen und die Fähigkeit haben durch eigene Leistungen das Wissen zu mehren und seine verantwortungsvolle Nutzung zu sichern.
3. Gesellschaftliche Verantwortung und kulturelle Präsenz
Der Bezug der Humboldt-Universität auf ihre Tradition erfolgt auch im Bewusstsein ihrer schuldhaften Verstrickung in die Politik. In ihrer Geschichte finden sich Obrigkeitshörigkeit, ständischer Dünkel, politischer Wahn sowie menschenverachtende Lehre und Forschung. Zu ihren dunkelsten Kapiteln gehören die Bücherverbrennung und die Beteiligung an der Verfolgung und Vertreibung ihrer Mitglieder. Vor diesem Hintergrund versteht sich die Humboldt-Universität seit Beginn ihrer Selbsterneuerung im Jahre 1989 als eine Institution, die sich für kritische Distanz gegenüber politischer und gesellschaftlicher Macht entschieden hat. Sie wendet sich gegen jede Form von Diskriminierung, Intoleranz und kultureller Selbstüberhöhung.
4. Einheit von Forschung und Lehre
Universitäten in aller Welt orientieren sich an dem von Humboldt geprägten Ideal der Einheit von Forschung und Lehre. Hierzu gehören die Weitergabe von Wissen aus dem Geist der Forschung und die Idee der forschenden Lehre. Studierende und Lehrende sind durch die kritische Auseinandersetzung mit den Wissensbeständen sowie in der aktiven Mitarbeit an der Erweiterung des Wissens vereint. Deshalb fördert die Humboldt-Universität die sozialen und kommunikativen Kompetenzen ihrer Mitglieder und unterstützt deren eigene Initiativen.
5. Wissenschaft verpflichtet
Das Studium an der Humboldt-Universität verlangt eine aktive Auseinandersetzung mit dem Wissen. Dies schließt die Beschäftigung mit den Voraussetzungen und Folgen der Erkenntnis ein. Daher liegt das Ziel des Studiums nicht allein in einer überragenden Fachkompetenz, sondern auch in der Bildung einer Persönlichkeit, die Verlässlichkeit mit Leistungswillen, eigener Initiative und wissenschaftlicher Neugier verbindet. Allen muss deutlich sein, dass sie bereits im Studium einen Beitrag zur Gestaltung von Wissenschaft und Gesellschaft leisten. Die Studierenden haben daher das Recht und die Pflicht zur Übernahme von Verantwortung - nicht nur in der Selbstverwaltung, sondern auch in Lehre und Forschung.
6. Innovation in Studium und Lehre
Studium und Lehre bedürfen der ständigen Orientierung an den Erkenntnissen der Wissenschaft und den Anforderungen der Gesellschaft. Die kritische Revision von Inhalten und Formen des Studiums gehört somit zum Selbstverständnis der Humboldt-Universität. Im Vertrauen auf die Selbstständigkeit und Entwicklungsfreude der Lehrenden und Studierenden bietet sie Raum für vielfältige Lern- und Lehrformen. Die auf Dauer angelegte Reform des forschenden Lernens kann aber nur gelingen, wenn das Prestige der Lehre wächst.
7. Forschung als Lebensnerv der Universität
Der Impuls zur Forschung ist die innovative Kraft einer jeden Wissenschaft. Forschung macht Wissen lebendig, sie ermöglicht und fordert zugleich ein kreatives und fruchtbares Überschreiten der Grenzen von Disziplinen und Institutionen. Als Stätte der Forschung legt die Humboldt-Universität größten Wert auf den Erhalt ihrer Wissens- und Forschungsbereiche. Erst die Präsenz der Natur- und Geisteswissenschaften, der Medizin sowie der Sozial- und Kulturwissenschaften gewährleistet die unerlässliche Interdisziplinarität.
8. Nachwuchsförderung
Eigenverantwortlichkeit und Selbstständigkeit stehen allen Mitgliedern nach Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit zu. Jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bietet die Humboldt-Universität frühzeitig Möglichkeiten zur eigenständigen Arbeit in Forschung und Lehre. Aus der Differenz der Generationen erwächst das Potential zur wissenschaftlichen Selbsterneuerung. Die Humboldt-Universität gewährleistet, dass Elternschaft, Studium und Forschung miteinander vereinbar sind.
9. Chancengleichheit der Geschlechter
Die Gleichstellung von Frauen und Männern in Wissenschaft und Gesellschaft ist ein vorrangiges hochschulpolitisches und praktisches Anliegen der Humboldt-Universität. Entsprechend unternimmt sie alle Anstrengungen, um die Chancen gerecht zu verteilen und die Kompetenzen der Frauen in Lehre, Forschung und Verwaltung zu nutzen und zu fördern. Sie setzt die modernen Instrumente zur Gleichstellung auf allen Ebenen ein und stärkt die Frauen- und Geschlechterforschung in der Wissenschaft.
10. Ressourcen, Fonds und Absolventen
Die Humboldt-Universität erschließt zusätzliche Ressourcen zum Aufbau eigener Fonds und vielfältige Instrumente zur Förderung herausragender Aktivitäten in Studium, Forschung und Lehre. Sie pflegt den Kontakt zu ihren Förderern und bietet ihnen Möglichkeiten zur Teilnahme am gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Leben der Universität. Sie pflegt den Kontakt mit ihren Absolventinnen und Absolventen und baut ihn zu einem stabilen Netzwerk aus.
11. Universitäre Selbstorganisation
Die Selbsterneuerung der Humboldt-Universität nach 1989 hat gezeigt, dass sich der Anspruch auf Autonomie leistungsgerecht umsetzen lässt. Dazu gehört größtmögliche Transparenz in der Arbeit der Verwaltung. Im Verhältnis ihrer Mitgliedsgruppen setzt die Humboldt-Universität auf die Wechselwirkung von Partizipation und selbstverantwortlicher Zuständigkeit in einem ständigen Reformprozess. Orientiert an Kritik und Selbstkritik stellt sie sich der Evaluation ihrer Arbeit in Forschung, Lehre und Administration.
12. Internationalität
Für eine erstrangige Universität ist der internationale Austausch in Forschung, Lehre und Studium eine Selbstverständlichkeit. Aufgrund ihrer zentralen Lage pflegt die Humboldt-Universität traditionell intensive Beziehungen zu Nord-, Mittel- und Osteuropa. Heute erweitert sie den Dialog nicht nur auf die Universitäten und Forschungseinrichtungen der Wirtschafts- und Industriezentren, sondern sucht ihn auch mit denen, die an der Peripherie eines westlich orientierten Blickfeldes liegen.
13. Weltoffene Universität
An der Humboldt-Universität treffen verschiedene Lebensentwürfe und Kulturen aufeinander. Die Vielzahl von Biographien schafft eine produktive Atmosphäre, die von der Universität genutzt wird, um die Gestaltungskraft jedes Einzelnen zu fördern. Sie nutzt die anregende Umgebung der lokalen und internationalen Milieus, um die Welt im Bewusstsein ihrer Verpflichtung gegenüber den Menschen und der Umwelt kritisch zu bewerten und tätig zu verändern.
14. Berlin - Stadt der Wissenschaft
Wer nach Berlin kommt, um zu studieren, zu lehren und zu forschen, findet eine vielfältige und reich gegliederte Hochschullandschaft vor. Die Humboldt-Universität sucht die produktive und kooperative Zusammenarbeit mit ihrem wissenschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Umfeld für ihre eigene Arbeit. Mit ihren künstlerischen und wissenschaftlichen Sammlungen wirkt sie selbst in das Leben der Stadt zurück. Als Ort der Diskussion mit der Gesellschaft wird sie der Funktion einer Universität im Zentrum Europas gerecht.
Beschlossen durch das Konzil der Humboldt-Universität zu Berlin am 13. Februar 2002.
Broschüre
"Leitbild der Humboldt-Universität" (PDF)
"Mission Statement Humboldt-Universität" - englische Fassung (PDF)