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„Es ist schrecklich, Luftalarm zu hören, wenn du mit deiner Familie telefonierst“

Der Mathematiker Leonid Dovhal (Name geändert) forscht als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Humboldt-Universität. Warum er nach Berlin kam, wie er mit Schreckensnachrichten vom russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine umgeht und warum er sein Telefon immer eingeschaltet lässt, berichtet er im Interview.

Wie gehen Sie in Ihrem Alltag mit den Schreckensnachrichten vom russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine um?

Meine Gedanken sind bei den Menschen in der Ukraine, bei meiner Familie, den Freunden. Gleichzeitig versuche ich, die Nachrichten für einige Stunden, während der Arbeit, auszublenden. Natürlich hast du das Bedürfnis, alle fünf Minuten die News zu checken. Aber das zieht dich nur noch weiter runter. Mein Telefon lasse ich ständig eingeschaltet, falls Familie oder Freunde aus der Ukraine anrufen.

Was hören Sie am Telefon?

Es ist schrecklich, mitzubekommen, wie Luftalarm aufheult und die Familie in den Keller rennt.

Während der Alltag in Deutschland weiterläuft...

Besonders vor Beginn der Invasion schien es, als lebten einige Menschen in Deutschland in einer Blase und sähen nicht, was passiert. Natürlich konnte sich niemand vorstellen, dass in Europa Millionenstädte bombardiert werden. Ich denke, wir sollten in Europa zusammenstehen, um die russische Aggression zu stoppen.

Auch Sie engagieren sich für Ihre Heimat.

In den ersten Tagen des Angriffs hat mir die Universität Urlaub gewährt. Um etwas tun zu können, half ich im Willkommenszentrum am Hauptbahnhof. Zunächst kamen vor allem ältere Menschen und Kinder. Die meisten von ihnen sprachen kein Deutsch und fühlten sich sehr unsicher. Einige waren auf der Flucht beschossen worden, andere hatten Angehörige zurücklassen müssen. Nun waren sie allein in einem fremden Land mit fremder Sprache. Wenn du das erste Mal nach Deutschland kommst, triffst du auf viele Regeln, die du nicht verstehst, und du willst ja nichts falsch machen. Ich führte die Menschen zu Hilfsangeboten und übersetzte für sie.

Inzwischen arbeiten Sie wieder an der Universität. Wie hat sich Ihr Engagement für die Ukraine verändert?

Ich kann nicht mehr so aktiv helfen wie im Willkommenszentrum. Nun helfe ich finanziell: Ich spende an Hilfsorganisationen und an Freunde.

Auch die Humboldt-Universität engagiert sich für die Ukraine. Wie erleben Sie die Unterstützung der Universität?

Nach Beginn der Kampfhandlungen hat etwa das Präsidium der HU geholfen, ukrainische Mitarbeitende zusammenzubringen. Es gibt Angebote zur psychologischen Beratung. Das Institut für Mathematik hat Stipendien für ukrainische Wissenschaftler:innen eingerichtet. Ich habe geholfen, solche Informationen bekannt zu machen.

2018 sind Sie aus Charkiw nach Deutschland gekommen, um Ihre akademische Karriere hier fortzuführen. Was war der Grund?

Ich wollte akademische Erfahrungen im Ausland sammeln. Die Lage in der Ostukraine hat bei meiner Entscheidung damals keine Rolle gespielt. Niemand konnte sich damals vorstellen, dass die Russen die komplette Ukraine angreifen würden. Noch im Januar, kurz vor Ausbruch des Krieges, habe ich Freunde in Charkiw besucht. Niemand hat mit so etwas gerechnet.

Wie geht es Ihren Freunden?

Viele meiner Bekannten haben Charkiw verlassen. Nur wenige sind geblieben. Einer von ihnen kümmert sich um die Versorgung von alten Menschen mit Nahrung und Medizin. Die täglichen Bombenangriffe sind fürchterlich. Die Leute müssen regelmäßig in die Luftschutzkeller, aber sie versuchen, ruhig zu bleiben und ihren Alltag zu bewältigen. Was sollen sie sonst auch machen?

Und Ihre Familie?

Meine Familie musste Charkiw wegen der Bombenangriffe verlassen. Die meisten von ihnen leben nun in Lwiw, im Westen der Ukraine. Mein Großvater ist nach Deutschland geflohen. Nach seiner Vertreibung lebte er einige Wochen bei mir in Berlin. Nun ist er in Frankfurt am Main. Er hat dort Freunde. Wir telefonieren alle zwei bis drei Tage.

Das Interview führte Jonas Krumbein.

Patenschaftsprogramm für Studierende, Promovierende und Forschende, die aus der Ukraine geflohen sind

Der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) ist es ein großes Anliegen, den vielen geflüchteten Studierenden, Promovierenden und Forschenden aus der Ukraine das Ankommen in Deutschland zu erleichtern. Aus diesem Grund hat die Humboldt-Universität ein Patenschaftsprogramm aufgesetzt.

So können Sie spenden

Über die Spendenplattform betterplace.org können unkompliziert, transparent und sicher Spenden übermittelt werden. Als Zahlungsmittel werden PayPal, Bankeinzug, Kreditkarte, paydirekt sowie die klassische Überweisung akzeptiert.   

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Eine Spende ist auch per Überweisung an das Spendenkonto der HU möglich:

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Verwendungszweck: Patenschaftsprogramm Ukraine, PSP: Z.00093.00.410100,  
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Aktuelle Aktivitäten der Humboldt-Universität, weitere Informationen zum Patenschaftsprogramm und alle Möglichkeiten, wie Sie unterstützen können, gibt es auf der Themenseite “Humboldt-Universität stands with Ukraine“ (deutsch) (und englisch).