Humboldt-Universität zu Berlin

Nagoya-Protokoll

Bei der Forschung, beispielsweise in der Biologie, Geologie, Landwirtschaft oder Medizin, müssen, wenn pflanzliche oder tierische Materialien verwendet werden oder traditionelles Wissen dazu beforscht wird, gegebenenfalls die Vorgaben des Nagoya-Protokolls beachtet werden. Relevant ist das Protokoll für alle Forschungsvorhaben, bei denen bestimmte genetische Materialien verwendet oder prozessiert werden, oder die traditionelles Wissen über die betreffenden Pflanzen und Tiere beforschen, aus denen das Material gewonnen wurde. Ziel ist es dabei, auch die Länder, aus denen die Forschungsressourcen gewonnen werden, angemessen an möglichen Erfolgen zu beteiligen.
Bild: Afrikanischer Tupenbaum auf Hawaii
Stefan Diez, Afrikanischer Tulpenbaum auf Hawaii

Forschen mit und zu genetischen Materialien tierischen oder pflanzlichen Ursprungs

 

Beim Nagoya-Protokoll handelt es sich um ein völkerrechtliches Instrument, durch das "die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergebenden Vorteile, insbesondere durch angemessenen Zugang zu  genetischen Ressourcen und angemessene Weitergabe der einschlägigen Technologien unter Berücksichtigung aller Rechte an diesen Ressourcen und Technologien sowie durch angemessene Finanzierung [gewährleistet werden soll], um so zur Erhaltung der biologischen Vielfalt und zur nachhaltigen Nutzung ihrer Bestandteile beizutragen." (Artikel 1, Protokoll von Nagoya).

 

Basics     

In welchen Fällen kann es sein, dass das Nagoya-Protokoll beachtet werden muss? 🖉

Forschungsfelder, Beispiele:

  • Ernährung
  • Landwirtschaft
  • Gartenbau
  • Geowissenschaftliche Forschung
  • Medizin (Humanpathogene)
  • Kosmetika
  • Biobasierte Energiequellen
  • Molekularbiologie
  • genetische Analysen (mit nicht-menschlichem Material)
  • Paleonthologie
  • Mikrobiologie
  • Synthetische Biologie

Überprüfen Sie anhand der Checkliste (de/en) (unter Unterstützungsmaterial), ob Ihr Forschungsprojekt Nagoya-Relevanz hat.  

 

Welche genetischen Materialien und Ressourcen fallen unter das Nagoya-Protokoll? 🖉

Gemäß der EU-Verordnung (511/2014), Artikel 3 die Begriffsbestimmungen Nr. 1,2 und 7) bezieht sich das Nagoya-Protokoll auf die Forschung zu und mit

  • genetischen Materialien, d.h. jedes Material pflanzlichen, tierischen, mikrobiellen oder sonstigen Ursprungs, das funktionale Einheiten enthält,
  • genetischen Ressourcen (d.h. genetisches Material mit tatsächlichem oder potenziellem Wert, jedoch auch
  • traditionellem Wissen, das sich auf genetische Ressourcen bezieht, einer indigenen oder ortsansässigen Gemeinschaft, das für die Nutzung der genetischen Ressourcen relevant ist.
Für Forschende relevante rechtliche Grundlagen 🖉

Beim Forschen mit und zu genetischen Materialen und Ressourcen müssen sowohl die rechtlichen Vorgaben auf europäischer Seite, als auch die der Bereitstellerstatten beachtet werden. Auf europäischer Seite besonders relevant:

  • Die EU-Verordnung, die für alle Forschenden unmittelbar bindend ist: EU-Verordnung (511/2014): Link
  • In der Durchführungsverordnung mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (511/2014) des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf das Register von Sammlungen, die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften durch die Nutzer und bewährte Verfahren werden die Nutzer informiert, wie und was dokumentiert werden und wie Sorgfaltspflichten sichergestellt werden sollen (Im Anhang der Verordnung finden sich auch Muster). EU-Durchführungsverordnung (2015/1866). Link
  • Im (deutschen) Gesetz zur Umsetzung der Vepflichtung nach dem Nagoya-Protokoll und zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 511/2014 werden die Aufgaben und Befugnisse, Anordnungen und Abhilfemaßnahmen sowie Bußgeldvorschriften definiert. Die zuständige Behörde hierfür ist in Deutschland das Bundesamt für Naturschutz. Link
  • Liste der Länder, die das Nagoya-Protokoll unterschrieben haben. Link

Forschende müssen weiterhin die Gesetze und Vorgaben der Bereitstellerstaaten beachten. Das gilt unabhängig davon, ob die Bereitstellerstaaten das Nagoya-Protokoll unterschrieben haben oder nicht. Um sich hierüber zu informieren gelangen Forschende über die Seite des Bundesamts für Naturschutz auch zum ABS Clearing-House. Hier finden sich auch umfangreiche weitere Informationen zur Nutzung genetischer Ressourcen.

Anwendungsbereich: Wann finden die Regelungen der  EU-Verordnung (511/2014) Anwendung? 🖉

Wenn die Voraussetzungen der EU-Verordnung (511/2014) nicht erfüllt sind, so finden deren Regelungen (Sorgfaltspflicht bezüglich Einholung, Aufbewahrung und Weitergabe der Dokumente, Art. 4, und Pflicht zur Abgabe einer Sorgfaltserklärungen, Art. 7) keine Anwendung.

Die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Verordnung sind:

  • Zugang in einem Vertragsstaat des Nagoya-Protokolls nach dem 12.10.2014 und
  • zu einem Zeitpunkt, zu dem dort für die konkrete genetische Ressource, die genutzt werden soll, ABS-Regelungen gelten sowie
  • Nutzung dieser genetischen Ressource in der EU.

Ist nur eine Voraussetzung nicht erfüllt, findet die EU-Verordnung keine Anwendung. [Antwort des BfN, 18.03.2024]

Die Unterzeichnung des Protokolls allein führt nicht zu der Verpflichtung, das Protokoll umzusetzen, sondern nur dessen Annahme (Ratifikation) durch einen weiteren Rechtsakt (vgl. zum Stand der Ratifikationsverfahren: Link ) (Antwort BfN, 05.04.2024).

Die EU-Verordnung Nr. 511/2014 findet somit keine Anwendung, wenn der Zugang zu den genetischen Ressourcen zwar in einem Land stattfindet, das nationale ABS-Regelungen (Access Q Benefit Sharing) hat, aber keine Vertragspartei des Nagoya-Protokoll ist. Gleichwohl müssen sich Nutzer genetischer Ressourcen beim Zugang zu genetischen Ressourcen an diese nationalen ABS-Regelungen halten. Eine behördliche Überprüfung dessen innerhalb der EU erfolgt mangels Anwendbarkeit der genannten EU-VO jedoch nicht (Antwort BfN vom 05.04.2024).

Die Verantwortung liegt bei den Forschenden.

⇒ siehe dazu die Checkliste unter "Unterstützung und Hilfe der HU".

Unterstützung und Hilfe

Externe Unterstützung

Wo finde ich Informationen zum Nagoya-Protokoll? 🖉

Die Verantwortung für die Einhaltung des Nagoya-Protokolls und ggf. weiterer ABS-Regeleungen liegt bei den Forschenden. Zum Nagoya-Protokoll gibt es zahlreiche sehr gute externe Informationsquellen und Unterstützungsangebote:

  • Der German Nagoya Protocol HuB ist ein von der Bundesregierung finanziertes Projekt (Bundesamt für Naturschutz (Bfn) und Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU)), das Forschende unterstützen will, alle rechtlichen Verpflichtungen des Nagoya-Ptotokolls besser zu verstehen. Es wird von den folgenden Institutionen durchgeführt: Leibniz-Institut DSMZ-Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH (DSMZ), das Konsortium „Deutsche Naturwissenschaftliche Forschungssammlungen“ (DNFS), Leibniz-Forschungsnetzwerk Biodiversität (LFN BioDiv), Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin e.V. (VBIO)
  • DFG-Erläuterungen für Forschende: DFG (2021): Erläuterungen zu Forschungs- und/oder Entwicklungsvorhaben, die Zugang zu genetischen Ressourcen und/oder zu traditionellem Wissen, das sich auf genetische Ressourcen bezieht, beinhalten.
  • Umfangreiche Informationen finden sich auch auf der Seite des Bundesamtes für Naturschutz (BfN): Link

 

Unterstützung durch die Humboldt-Universität zu Berlin

Checkliste Nagoya-Protokoll 🖉

Die Checkliste hilft Ihnen dabei zu entscheiden, ob Ihre Forschung der EU-Verordnung (511/2014) unterliegt. Sie fallen unter den Anwendungsbereich, sofern Sie alle der folgenden Fragen mit Ja beantworten. Auch wenn Ihre Forschung nicht unter die EU-Verordnung fällt, müssen Sie die unabhängig vom Nagoya-Regime geltenden nationalen Bestimmungen des Bereitstellerlandes beachten!

Zur Nagoya-Checkliste: Link

Länderliste Vertragsstaaten Clearinghouse: Link

Länderliste aufbereitet [Intranet]: Link

 

Sollten Sie ein Forschungsprojekt beantragen wollen oder in anderem Rahmen forschen und Sie haben anhand der Checkliste festgestellt, dass es Nagoya-Relevanz hat, lesen Sie unbedingt die weiteren Informationen im Intranet und wenden Sie sich bitte an das Servicezentrum Forschung unter nagoya.szf@hu-berlin.de.

Bevor Projekte beantragt werden können, müssen die sich aus dem Nagoya-Protokoll ergebenden Anforderungen recherchiert und dokumentiert werden. Mittelgeber erwarten, dass Antragsteller zeigen, dass sie informiert sind, z.B. durch erwähnen des nationalen Kontaktpunkts oder wie das Benefit-Sharing realisiert werdem soll. Eine Nutzung der betroffenen Ressourcen kann erst erfolgen, wenn alle Anforderungen aus dem Nagoya-Protokoll eingehalten wurden. Da die Prozesse für das Einholen des Prior Informed Consent (PIC) der Geberländer sowie ggf. das Aufsetzen verschiedener Verträge viel Zeit in Anspruch nehmen, empfiehlt es sich, so früh wie möglich Informationen einzuholen.

Spätestens mit Einrichtung eines Projekts erhalten Sie vom SZF die Checkliste im Formularform, mit der Sie mit Ihrer Unterschrift versichern, dass Sie Ihr Forschungsprojekt auf eine mögliche Nagoya-Relevanz hin geprüft haben.

Diese Dokumente sollten vorbereitet werden 🖉

Je nach den Anforderungen des Bereitstellerstaates müssen ggf. unterschiedliche Dokumente vorbereitet werden, die auch bei möglichen Kontrollen vorgelegt werden müssen (Zusammenstellung nach DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft). (2021). Erläuterungen zum Umgang mit den rechtlichen Vorgaben des Nagoya-Protokolls und der Verordnung (EU) Nr. 511/2014 in Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen. S. 30 f.). Link)

  • Prior Informed Consent (PIC): Einverständniserklärung des Bereitstellerstaates zur Durchführung des Forschungsprojekts.
  • Mutually Agreed Terms (MAT): In diesem Vertrag wird die Nutzung der genetischen Ressource geregelt sowie z.B. Ort der Entnahme, Umfang, Ziel, Zeitrahmen der Nutzung, ggf. die verantwortlichen Personen.
  • Material Transfer Agreement (MTA): Ein Vertrag, der den Export des Materials regelt und ggf. auch Regelungen, wie nach Abschluss des Projekts mit dem Material zu verfahren ist. 
  • Research Permit: Zusammenführung von PIC und MAT in einem Dokument. Zusätzlich kann eine Exportgenehmigung an die Stelle eines MTA treten. 
  • Internationally Recognized Certificate of Compliance (IRCC): Bereitstellerländer können ihr PIC und MAT an das ABS-Clearing-House übermitteln. Dort werden sie dann als IRCC veröffentlicht. 
  • Sorgfaltserklärung (Due Dilligence Declaration): Bei Forschungsvorhaben mit Projektförderung muss eine Sorgfaltserklärung frühestens, nachdem die erste Finanzierung erfolgt ist und die genetischen Ressourcen bzw. traditionelles Wissen dazu bezogen wurde und spätestens vier Wochen vor Ende der Nutzung. Die Sorgfaltserklärung wird über das Sercive-Zentrum Forschung über das DECLARE-Portal der EU eingereicht. Forschende der HU müssen zuvor ein entsprechendes Formular mit den notwendigen Angaben befüllen. 

Informationen zu den Ländern: Clearing-House: Link

 

Fragen und Antworten

Aufbewahrungspflichten: Müssen auch die Materialien 20 Jahre lang aufbewahrt werden? 🖉

Die Aufbewahrungspflicht ergibt sich aus Art. 4 Abs. 3 S. 1 VO (EU) Nr. 511/2014 (im weiteren EU ABS VO) und bezieht sich nur auf die Dokumente. Für das Material ergeben sich aus der genannten Verordnung keine Aufbewahrungspflichten. [Antwort des BfN, 18.03.2024]

Muss für Forschung, die nicht Drittmittel gefördert ist, eine Sorgfaltserklärung [Due-Dilligence-Declaration] abgegeben werden? 🖉

Interne Haushaltsmittel privater oder öffentlicher Einrichtungen sind keine "Forschungsmittel" im Sinne des Art. 7 Abs. 1 der EU-Verordnung (511/2014). Im Falle eigenfinanzierter Forschung, die eine Nutzung genetischer Ressourcen im Anwendungsbereich der EU ABS VO zum Gegenstand hat, muss daher keine Sorgfaltserklärung nach Art. 7 Abs. 1 abgegeben werden.

Auch wenn keine Sorgfaltserklärung nach Art. 7 Abs. 1 EU-Verordnung (511/2014) abgegeben werden muss, so gilt bei jeder Forschung, bei der eine Nutzung genetischer Ressourcen im Anwendungsbereich der EU ABS VO stattfindet, die Sorgfaltspflicht aus Art. 4. Diese kann vom BfN im Rahmen von Nutzerkontrollen überprüft werden. [Antwort des BfN, 18.03.2024]

 

Weitere Unterstützungsmaterialien der Humboldt-Universität finden Sie im Intranet unter https://hu.berlin/intranet-nagoya-protokoll

 

Bitte nutzen Sie für Anfragen unsere Funktionsadresse:

nagoya.szf@hu-berlin.de

 

Einfach erklärt

Der Nagoya Protocoll Hub stellt mit seinen Videos und Podcasts ein exzellentes Trainingsangebot zur Verfügung.

Videos

Nagoya Protocol for Newbies

[alternativer Bildtext]
Abb.: Nagoya-HuB https://www.nagoyaprotocol-hub.de

Podcasts der Nagoya-Hub-Reihe "Nagoya Bites!"

Die 30-minütigen Podcasts "Nagoya Bites!" informieren zu verschiedenen Themen, z.B.:

 

User checks in Germany (18.03.2021)

Understanding the scope of the EU Regulation (26.10.2021)

Do taxonomy, phylogenetic analyses and sequencing fall within its scope? (30.11.2021)

The ABS Clearing House (11.01.2022)

Alle Podcasts unter: Link