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„Menschenrechte stellen die Grundlage der freien wissenschaftlichen Arbeit dar“

Dr. Mohamed Ali Mohamed vom Geographischen Institut der HU spricht über seine Forschungsarbeit, was er gefährdeten Forschenden rät und über Menschenrechte

Dr. Mohamed Ali Mohamed
Dr. Mohamed Ali Mohamed, Foto: privat

Die Humboldt-Universität zu Berlin (HU) bietet zahlreiche Angebote und Initiativen für gefährdete Forschende und geflüchtete Studierende an. Am 10. Dezember 2017 war der Tag der Menschenrechte. Aus diesem Anlass haben wir Dr. Mohamed Ali Mohamed vom Geographischen Institut der HU  über seine Forschungsarbeit, was er gefährdeten Forschenden rät und über die Menschenrechte befragt.

Herr Dr. Mohamed, woran forschen Sie derzeit an der Humboldt-Universität?

Dr. Mohamed: Ich forsche zurzeit am Geographischen Institut an der HU, an dem ich 2010 auch promoviert wurde. Die Schwerpunkte meiner Forschung sind die Anwendungen der GIS- und kartographisch-gestützten Methoden in der Bodengeographie und der Geomorphologie. Diese Methoden werden zur Bodenkartierung sowie zur Interpretation der Genese und der Verbreitung von Böden in städtischen Räumen verwendet. Meine Untersuchungsgebiete sind die Metropole Berlin und die Metropolregion Nürnberg. In diesem Zusammenhang habe ich nach der Promotion zahlreiche wissenschaftliche Publikationen verfasst.

Ein Teil meiner Forschung im Rahmen des Stipendiums der Alexander von Humboldt-Stiftung ist den Untersuchungen in meiner Heimat Syrien gewidmet, damit ich später, wenn der Krieg beendet ist, zur Bodensanierung in Syrien beitragen kann. Diese Böden wurden während des Krieges stark zerstört. Ich nehme an wissenschaftlichen Workshops und Konferenzen teil, die die Entwicklung von Plänen und Programmen für den Wiederaufbau in Syrien umfassen.

Woran würden Sie gerne künftig forschen?

Ich würde in Zukunft gerne in Bereichen forschen, die meine wissenschaftliche Erfahrung für den Wiederaufbau meiner Heimat benötigen, insbesondere im Bereich der Bodensanierung und des Bodenschutzes. Aber solange der Krieg in Syrien anhält, möchte ich in Deutschland am Geographischen Institut der HU bleiben und meine Forschungsarbeit weiterführen.

Wie hat die Humboldt-Universität Sie dabei unterstützt?

Meine Rettung war ein Arbeitsvertrag an der HU, den ich vor dem Stipendium erhalten habe. Mit diesem Arbeitsvertrag konnte ich von Syrien nach Deutschland kommen. Die Humboldt-Universität unterstützt und hilft mir auch weiterhin, sie hat mir viel gegeben. Das gibt mir weiterhin die Möglichkeit, mich meiner Forschung zu widmen.

2016 haben Sie ein Stipendium im Rahmen der Philipp-Schwartz-Initiative erhalten. Was bedeutet Ihnen das Stipendium persönlich und für Ihre Arbeit?

Das Stipendium bedeutet mir sehr viel! Es war für mich die große Chance und ein entscheidender Abschnitt in meinem Leben. Ich konnte meine wissenschaftliche Arbeit ohne Unterbrechung fortführen. Dadurch war ich in der Lage, meine wissenschaftliche Forschung und meine Lehrtätigkeit wieder aufzunehmen. Darüber hinaus bin ich durch das Philipp-Schwartz-Stipendium finanziell abgesichert. Im Rahmen des Stipendiums erhielt ich Hilfe und Unterstützung, damit meine Familie zu mir nach Berlin kommen konnte. Sie waren in einem Flüchtlingslager an der syrisch-türkischen Grenze. Seit Oktober 2017 sind sie in Sicherheit.

Refugees Welcome HU
 

In vielen Ländern, darunter auch in Teilen von Europa, ist die politische Lage instabil und die Wissenschaftsfreiheit in Gefahr. Was würden Sie gefährdeten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern raten beziehungsweise mit auf den Weg geben?

Die Freiheit der Forschung und Lehre ist in vielen Ländern bedroht, obwohl diese Freiheit eine Grundvoraussetzung für den Fortschritt dieser Länder ist. Hier in Deutschland und in anderen europäischen Ländern ist die Wissenschaftsfreiheit gesichert. Ich rate den gefährdeten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die sich in demokratischen Ländern, wie beispielsweise in Westeuropa, befinden, die Gelegenheit zu ergreifen und zur Vertiefung ihrer wissenschaftlichen Erkenntnisse frei zu reisen, zu forschen und zu publizieren. So können sie sich am Wiederaufbau und der Entwicklung ihrer Heimat aktiv beteiligen und die wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Nationen fördern.

Den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Krisengebieten rate ich, so lange sie die Möglichkeit haben, Einfluss auf den Erhalt der Demokratie zu nehmen. Wenn das nicht möglich ist, sollten sie auf keinen Fall das eigene Leben aufs Spiel setzen. Vielmehr sollten sie versuchen, ins Ausland zu gelangen und ihr erworbenes Wissen zu erweitern und ihre Forschungsarbeit fortzusetzen.

Am 10. Dezember 2017 ist der Tag der Menschenrechte. Welche Bedeutung haben die Menschenrechte für Ihre Arbeit und für Sie persönlich?

Was für mich ganz normal und alltäglich hier in Deutschland ist, ist in vielen Ländern weltweit sogar verboten. Deshalb bedeuten die Menschenrechte für meine Arbeit die freie Reise, die freie Veröffentlichung der Forschungsergebnisse, den internationalen Forschungsaustausch und die Entwicklung von neuen Ideen und ihren Anwendung ohne Einschränkung. Ich kann sagen: die Menschenrechte stellen die Grundlage der freien wissenschaftlichen Arbeit dar. Auf der persönlichen Ebene bedeuten sie mir das Recht auf ein menschenwürdiges Leben und Gleichberechtigung. Die Menschenrechte garantieren mir hier die sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechte, die ich in meiner Heimat verloren habe. Außerdem geben mir die Menschenrechte gleichzeitig Freiheiten aber auch Verantwortung.

Was wünschen Sie sich in Bezug auf die Menschrechte für die Zukunft?

Ich wünsche mir, dass in Zukunft die Menschenrechte dazu genutzt werden, um den Respekt zwischen den Menschen auf der Grundlage der kulturellen Vielfalt und der Akzeptanz des Anderen zu erhöhen. Die Menschenrechte sollten auf keinen Fall dazu instrumentalisiert werden, um politischen Agenden zu dienen, die auf Diskriminierungen basieren. Diese Agenden können zu größeren Spannungen und Hass zwischen den Gemeinschaften führen. Ich wünsche mir auch die Gewährleistung der Menschenrechte als Existenzgrundlage für jeden Menschen. Dazu gehört nicht nur körperliche Unversehrtheit, Nahrung, Wohnung und Arbeit, sondern insbesondere auch Toleranz.

Vielen Dank für das Gespräch!

Herr Dr. Mohamed Ali Mohamed ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Geographischen Institut der HU in der Abteilung Geomorphologie / Bodengeographie / Quartärforschung.

Die Fragen stellte Kathrin Kirstein.

Über das Philipp Schwartz-Stipendium

Dr. Mohamed Ali Mohamed hat eins von insgesamt drei der renommierten Philipp Schwartz-Stipendien erhalten, welche die HU durch die Einwerbung entsprechender Drittmittel bei der Alexander von Humboldt-Stiftung vergeben kann. In enger Begleitung ihrer fachwissenschaftlichen Mentorinnen und Mentoren an den Fakultäten setzen die Stipendiaten im Berliner Exil ihre Karriere fort, die sie in ihren Herkunftsländern unterbrechen mussten. Eine vierte Forscherin hofft darauf, ihr Stipendium an der HU antreten zu können, sobald ihr die Ausreise aus der Türkei möglich ist.

Unterstützungsangebote für gefährdete Forschende und geflüchtete Studierende

Den gemeinsamen Rahmen der zentralen Angebote für Forschende im Exil sowie studieninteressierte Geflüchtete an der Humboldt-Universität bildet seit Sommer 2015 das Programm „Refugees Welcome an der HU“. Es beinhaltet Projekte, die Geflüchteten den Zugang zur Hochschule, den Einstieg in Studium und Wissenschaft sowie den Alltag an der HU erleichtern wollen.

Die Unterstützungsangebote für gefährdete Forschende umfassen individuelle Beratung zu fachlichen Anschlussmöglichkeiten und Karriereperspektiven an der HU, Beratung zur Beantragung zielgruppenspezifischer Zusatzmittel bei Fördereinrichtungen, Unterstützung in Fragen rund um den Aufenthalt (Visa, Familiennachzug, Versicherung oder Wohnungssuche) durch die International Scholar Services, sowie bundesweite und internationale Vernetzungsaktivitäten, u.a. im Rahmen der Mitgliedschaft im internationalen Scholars at Risk Network.

Für Geflüchtete, die ein Studium aufnehmen oder fortsetzen wollen, bietet die HU spezielle Programme, wie unter anderem HU4Refugees, Sprachkurse und Studienkollegskurse, eine offene Sprechstunde für Geflüchtete, ein Gasthörerstudium, fachspezifische Begleitung durch studentische Initiativen an den Fakultäten sowie zielgruppenspezifische mehrsprachige Beratungsangebote an.

Kontakt zu HU-Initiativen „Refugees Welcome“

Inse Böhmig

Zentrale Ansprechpartnerin HU-Initiativen „Refugees Welcome“
Stabsstelle Internationalisierung

Tel.: 030 2093-20092
inse.boehmig@hu-berlin.de

Kontakt Angebote für Geflüchtete

Stephanie Rosen
Koordination Sprachkurse für Geflüchtete

koordination.integra@hu-berlin.de

Weitere Informationen

Meldungen auf der Website „Berliner Universitäten im Verbund“: