"Check against delivery - embargoed until delivery" (Deutsch)
Ban Ki-moon, Generalsekretär der Vereinten Nationen, in der Humboldt-Universität zu Berlin am 4. February 2011
Es gilt das gesprochene Wort.
Professor Jan-Hendrik Olbertz, Präsident der Humboldt-Universität,
Professor Thomas Bruha, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen,
Professor Peter Eigen, Beiratsmitglied der Humboldt-Viadrina School of Governance,
Studenten und Lehrkräfte,
Verehrte Gäste,
Meine Damen und Herren,
Guten Morgen,
Es freut mich, heute wieder in Berlin zu sein.
Bitte verzeihen Sie mir, dass ich das 200-jährige Bestehen dieser Universität erst mit einjähriger Verspätung würdige.
Nicht viele Hochschulen in der Welt können sich eines so reichen Erbes rühmen. Sehr wenige genießen weltweit ein so hohes Ansehen und können einer so prestigeträchtigen Zukunft entgegensehen.
Hier, auf den Spuren Einsteins, Schopenhauers und so vieler anderer, kann ich förmlich den Atem der Geschichte spüren.
Die Humboldt-Universität hat uns das allerbeste gegeben, was Hochschulen zu bieten haben – bemerkenswerte Fortschritte in den Natur- und Geisteswissenschaften ... mit dem Nobelpreis ausgezeichnete wissenschaftliche Leistungen.
Sie war jedoch auch Schauplatz tragischer Ereignisse. Die Bücherverbrennung während der Nazizeit ... ein Angriff auf akademische Werte, dem Sie auf dem Universitätsgelände ein Mahnmal gesetzt haben. Und dann die Teilung der Universität selbst, ein Spiegelbild der Teilung Berlins.
Sie haben gewaltige Veränderungen und Umwälzungen durchlebt.
Auch heute leben wir in einer Ära des Wandels ... dramatischer Veränderungen in der globalen Landschaft … mit neu entstehenden Wirtschaftsmächten ... einer neuen Generation von Bedrohungen … und alten Bedrohungen in neuer Gestalt …
Ich bin hier, um zu Ihnen über diese Herausforderungen zu sprechen und um Ihre Unterstützung bei ihrer Bewältigung zu bitten.
Die Humboldt-Universität bringt die besten Voraussetzungen mit, hierzu beizutragen.
Gleiches lässt sich auch von der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen sagen. Sie sind ein guter Freund. Und wie ihre Schwesterorganisationen in der ganzen Welt gehen Sie mit großem Engagement daran, zu erläutern, was die Vereinten Nationen tun und warum dies wichtig ist ... vor allem jetzt.
Bevor ich zum offiziellen Teil meiner Rede komme, möchte ich mich kurz zu den jüngsten Ereignissen in Ägypten äußern, die wir, wie ich weiß, alle sehr aufmerksam und mit bedrücktem Herzen verfolgen.
Leider hat die Lage eine höchst beunruhigende Wendung genommen. Die Gewalthandlungen und Einschüchterungen sollten ein Ende haben. Insbesondere die Einschränkungen für die internationalen Medien und Menschenrechtsgruppen sind völlig unannehmbar. Das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Versammlungsfreiheit sind grundlegende Menschenrechte und unabdingbare demokratische Werte.
Ich fordere erneut zur Besonnenheit und Zurückhaltung auf und lege den ägyptischen Behörden eindringlich nahe, auf die wahre Stimme des Volkes zu hören. Es bedarf eines Prozesses des nationalen Dialogs, mit dem ein geordneter und friedlicher Übergang angebahnt wird ... ein Prozess, der dem ägyptischen Volk gestatten wird, seine Wünsche möglichst bald in freien, fairen und glaubwürdigen Wahlen zu bekunden, und der den Weg für eine flexible, wirksame und rechenschaftspflichtige Regierungsführung ebnen wird.
Dieser Prozess sollte sofort beginnen. Tiefgreifende Veränderungen und Reformen können nicht länger warten. Es gibt keine Zeit zu verlieren. Arbeitsplätze, Freiheiten und Entwicklungschancen sind entscheidend für die Zukunft Ägyptens.
Dass sie nach wie vor fehlen, ist ein Rezept für weitere Instabilität. Wir müssen auch die Folgen bedenken, die die aktuellen Ereignisse für den Nahost-Friedensprozess haben. Auf das Demokratiedefizit und andere Probleme in der Region machen die Vereinten Nationen seit 2002 in regelmäßigen Berichten über die menschliche Entwicklung in der arabischen Welt aufmerksam. Die Vereinten Nationen stehen bereit, dem ägyptischen Volk bei der Suche nach dem Weg in die Zukunft behilflich zu sein.
Ich habe selbst miterlebt, was die Vereinten Nationen tun können.
Eine meiner frühesten Erinnerungen ist, dass mein eigenes Dorf brennt und dass ich von den Bergen, auf die ich mit meiner Familie geflohen war, darauf zurückblicke.
Mit der Hilfe der Vereinten Nationen wurde mein Land nach einem verheerenden Krieg wieder aufgebaut.
Die Vereinten Nationen gaben mir und meiner Familie, meiner ganzen Nation, Nahrung. Sie brachten uns Hoffnung, deren Symbol für mich bis heute die Flagge der Vereinten Nationen ist.
Genau das ist es, was ich heute für andere tun möchte.
Für die Vereinten Nationen und ihre Tätigkeit einzutreten. Den Hoffnungslosen Hoffnung zu bieten. Den Stimmlosen eine Stimme zu geben. Den Schutzlosen Schutz zu gewähren.
Überall in der Welt blicken die Menschen auf die Vereinten Nationen. Sie bitten uns, mehr zu tun als je zuvor.
Die Bedürfnisse haben ein gewaltiges Ausmaß.
Konflikte ... Unterdrückung ... Intoleranz ...
Naturkatastrophen, die uns heftiger und immer häufiger heimsuchen ...
Klimawandel ... Hunger und Mangelernährung ... die Finanzkrise .... die Ausbreitung von tödlichen Krankheiten und Massenvernichtungswaffen.
Diese Herausforderungen machen vor Grenzen nicht Halt. Sie sind von globaler Reichweite. Einzelne Länder oder Ländergruppen, gleichviel, wie mächtig sie sind, können sie nicht allein bewältigen.
Wir müssen gemeinschaftlich gemeinsame Lösungen finden.
Wir dürfen dies nicht nur als pragmatische Lastenteilung verstehen, auch wenn dies als Begründung sicherlich ausreichen würde.
Vielmehr ist dies eine Notwendigkeit, denn es ist uns bestimmt, mehr von unserem Leben gemeinsam zu leben ... und wir müssen mehr tun, um uns auf diese geteilte Zukunft vorzubereiten.
Dank der globalen Kommunikationsverbindungen wissen wir mehr übereinander – was es heißt, reich zu sein, und was es heißt, arm zu sein.
Ein Netz von Reiserouten und Handelswegen hat dafür gesorgt, dass wir auch stärker aufeinander angewiesen sind.
Die Vorstellung, dass ein geringer Prozentsatz der Menschheit weiterhin Freiheiten und Chancen genießen kann, während Milliarden anderer in bitterstem Elend verharren, ist nicht länger tragbar.
Sie sehen, wie sich dies zur Stunde in den Straßen von Kairo, Tunis und vielen anderen Orten manifestiert.
Größere Chancenfreiheit muss mit mehr sozialer Gerechtigkeit einhergehen. Menschenrechte und Chancen für die Menschen sind Sache aller.
Wir sind eine Gemeinschaft von 7 Milliarden Menschen, von denen jeder Recht auf ein bestimmtes Maß an Sicherheit, Würde und Hoffnung hat.
Dies ist unser gemeinsamer Standard … unsere gemeinsame Aufgabe.
Wir müssen mehr, weitaus mehr tun, um unsere gemeinsame Zukunft aufzubauen.
Dies war mein oberstes Anliegen, als ich vor drei Wochen für die Mitgliedstaaten – und für die Menschen der Welt – meine Prioritäten für das bevorstehende Jahr festlegte.
Einer der wichtigsten Bausteine ist die nachhaltige Entwicklung.
Im vergangenen Jahrhundert bahnte sich die Welt ihren Weg zu Wohlstand und Wachstum vor allem durch Raubbau an der Natur und an den Bodenschätzen. Wir glaubten an Konsum ohne Folgen.
Diese Zeiten sind vorbei. Im 21. Jahrhundert gehen die Reserven zur Neige, und der globale Thermostat nähert sich seiner Leistungsgrenze.
Die alten Modelle und Definitionen taugen nicht länger; sie sind nicht nur veraltet, sondern gefährlich ... man könnte sogar sagen, selbstmörderisch.
Wir müssen neu abgrenzen, was wir unter „Fortschritt“ verstehen. Wir benötigen eine Revolution der Lebensstile, eine Revolution unserer individuellen Lebensführung, eine Revolution in unseren Beziehungen mit unserem Planeten.
Wir sind gefordert, nachhaltiges Wachstum in einer Zeit des Mangels zu schaffen ... die Menschen aus der Armut zu befreien und gleichzeitig die Umwelt und die Ökosysteme zu schützen, die unsere Lebensgrundlage sind.
Deshalb war ich in den vergangenen vier Jahren darum bemüht, dem Klimawandel in der globalen Agenda einen sehr hohen Stellenwert zu verschaffen.
Der Klimawandel führt uns auf einen ökologischen Abweg. Dieser Weg gehört der Vergangenheit an und ist nicht länger begehbar. Wir müssen zukunftsfähige Wege einschlagen.
Sie in Deutschland verstehen das.
Sie verfügen über eine starke „grüne“ Bewegung. Sie sind bahnbrechend bei den erneuerbaren Energien.
Bonn ist großzügiger Gastgeber und Standort für das UN-Klimasekretariat, das den grundlegenden Wandel globaler Denkhaltungen mitbestimmt.
Ich hoffe, dass Deutschland und seine EU-Partner trotz schwieriger Zeiten für die Wirtschaft auch weiterhin eine treibende Kraft für Wachstum auf der Grundlage sauberer Energien sein werden.
Ein Umdenken in dem, was wir tun – die Voraussetzungen für die Zukunft schaffen – bedeutet auch, Zusammenhänge zwischen Klima, Wasser, Nahrung und Energie herzustellen.
Genau dazu wird die von mir eingesetzte Hochrangige Gruppe für globale Nachhaltigkeit im Zuge unserer Vorbereitungen auf die Rio-Konferenz 2012 – den nächsten Umweltgipfel –Empfehlungen abgeben.
Nachhaltige Entwicklung zu verwirklichen bedeutet auch, Schwerpunkte in den Bereichen zu setzen, in denen intelligente Investitionen überaus große Vorteile bringen können.
Ein solcher Multiplikatoreffekt übertrifft alle anderen: die Gesundheit und das Wohlbefinden der Frauen und Mädchen in aller Welt, der weltweit am stärksten untergenutzten Ressource.
Unsere neue Globale Strategie zugunsten der Gesundheit von Frauen und Kindern hat das Ziel, jährlich zwei Millionen Leben zu retten.
Unsere Strategie für die Verwirklichung der Millenniums-Entwicklungsziele stellt Frauen (und Mädchen) direkt in den Mittelpunkt unserer Entwicklungsanstrengungen. Denn so bekommt man, wie die Amerikaner sagen, „the most bang for your buck“ – ist der Mitteleinsatz wirkungsoptimiert.
Unsere neueste Institution, UN-Frauen, hat ihre Arbeit aufgenommen und wird uns besser befähigen, die Ermächtigung der Frauen voranzubringen.
Bei den Vereinten Nationen selbst habe ich die Ermächtigung der Frauen zu einer Priorität erhoben. Deshalb haben wir in den vergangenen Jahren den Anteil der Frauen in Führungspositionen um mehr als 40 Prozent gesteigert.
Das Amt des Rechtsberaters ... des leitenden Beauftragten für humanitäre Fragen ... des leitenden Entwicklungsbeauftragten … des obersten Klimaunterhändlers … des Menschenrechtskommissars … des Verwaltungschefs … des leitenden Arzts und selbst des obersten Sicherheitsbeamten – all diese Ämter werden bei den Vereinten Nationen von Frauen bekleidet.
Meine Damen und Herren,
Zu den Bausteinen unserer gemeinsamen Zukunft gehören auch die Grundlagen für Sicherheit, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, demokratisches Regieren und Frieden. Die Stärkung dieses Fundaments der Zukunft ist für die Vereinten Nationen ein humanitäres Gebot.
Im Katastrophenfall sind die Vereinten Nationen weltweit die Ersthelfer. Wir sind zur Stelle in Notsituationen, die die Schlagzeilen beherrschen – Haiti und Pakistan, um nur zwei davon zu nennen.
Wir sind auch da für die Bedürftigen an den vielen Orten, die nie im Rampenlicht der internationalen Aufmerksamkeit stehen – die hunderttausenden hungernden Menschen in Niger … die drei Millionen Menschen in Somalia, denen wir jeden Tag Nahrung geben.
Wir sichern den Frieden an einer wachsenden Zahl von Orten: mehr als 120.000 Soldaten und Polizisten sind in 15 Friedenssicherungseinsätzen in der ganzen Welt tätig. Wir sind eine globale Präsenz – Friedenssicherung, Friedenskonsolidierung, Vermittlung, Gute Dienste und mehr – von Irak bis Libanon, von Somalia bis Sierra Leone, von Zentralasien bis Timor-Leste.
Wir bilden eine schmale blaue Trennlinie in Ländern, die an einem entscheidenden Wendepunkt stehen, ob sie einen Konflikt überwunden haben oder den schwierigen Übergang zur Demokratie vollziehen.
In Côte d’Ivoire haben wir nicht nachgegeben. Hier steht eine Menge auf dem Spiel: die Achtung des klar bekundeten Willens des ivorischen Volkes, die politische und wirtschaftliche Stabilität des Landes und der Subregion, die Zukunft der Demokratie selbst.
In Afghanistan bilden deutsche Soldaten die afghanischen nationalen Sicherheitskräfte aus. Ich weiß, dass dieser Einsatz nicht unumstritten ist. Ich kann Ihnen jedoch sagen, dass er unerlässlich dafür ist, die afghanischen Institutionen aufzubauen und Zukunftshoffnung zu schaffen.
Natürlich verfolge ich aufmerksam die Situation in Ägypten, Tunesien und der Region.
Es handelt sich um komplexe Situationen, die eine eigene Dynamik entfalten. Niemand kann genau vorhersagen, welchen Lauf die Ereignisse nehmen werden.
Eines lässt sich jedoch feststellen: Mitauslöser für die Unruhen ist das Fehlen grundlegender Dinge, die den Menschen überall zu Recht zustehen: Arbeitsplätze und Entwicklungschancen, Menschenwürde und Menschenrechte, eine flexible, rechenschaftspflichtige, ehrliche und wirksame Regierungsführung.
Die Proteste, die wir gerade miterleben, sollten allen politischen Führern der Welt eine Mahnung sein, auf ihr Volk zu hören – seinen Hoffnungen und Bestrebungen Rechnung zu tragen, Chancen für eine bessere Zukunft zu fördern, gemeinschaftlich und im gemeinsamen Interesse für diejenigen zu arbeiten, die sie regieren.
Bei all dem muss die internationale Gemeinschaft ein besserer Partner sein und zusammen eine bessere Zukunft für alle aufbauen.
Dazu haben wir die Vereinten Nationen.
Meine Damen und Herren,
In dieser Ära des Wandels müssen auch die Vereinten Nationen einen Wandel vollziehen.
In einer Zeit wirtschaftlicher Sparmaßnahmen müssen wir mit dem, was wir haben, mehr leisten. Wir müssen lernen, effizienter und effektiver … schneller und mobiler ... transparent und rechenschaftspflichtig zu sein.
Nie waren die Vereinten Nationen relevanter oder wichtiger.
Wenige Laufbahnen sind heute fordernder … anspruchsvoller … spannender als eine Laufbahn im globalen öffentlichen Dienst.
Ich hoffe, einige von Ihnen … von den Studenten, die heute Vormittag hier anwesend sind, werden eine Tätigkeit bei den Vereinten Nationen ins Auge fassen.
Ich hoffe, niemand von Ihnen wird bei den großen Ereignissen, die unsere Welt verändern, nur Zuschauer sein.
Ihr Engagement ist wichtig. Sie können etwas bewirken.
Und daher lege ich Ihnen nahe, bei uns einzusteigen.
Schließen Sie sich uns an … und tragen Sie bei zu kollektivem Handeln in diesem außerordentlichen neuen „multilateralen Moment“.
Helfen Sie uns dabei, unsere Rolle in einer sich verändernden Welt zu überdenken und neu zu definieren.
Helfen Sie uns dabei, unsere Welt umzugestalten … um einer neuen Generation behilflich zu sein, ihren rechtmäßigen Platz in der Welt zu finden, um eine hellere Zukunft für alle zu schaffen.
Meine Damen und Herren,
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Es hat mich gefreut, diese angenehme Zeit heute mit Ihnen verbringen zu dürfen.
Danke schön.
Vielen Dank!
And thank you.
Professor Jan-Hendrik Olbertz, Präsident der Humboldt-Universität,
Professor Thomas Bruha, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen,
Professor Peter Eigen, Beiratsmitglied der Humboldt-Viadrina School of Governance,
Studenten und Lehrkräfte,
Verehrte Gäste,
Meine Damen und Herren,
Guten Morgen,
Es freut mich, heute wieder in Berlin zu sein.
Bitte verzeihen Sie mir, dass ich das 200-jährige Bestehen dieser Universität erst mit einjähriger Verspätung würdige.
Nicht viele Hochschulen in der Welt können sich eines so reichen Erbes rühmen. Sehr wenige genießen weltweit ein so hohes Ansehen und können einer so prestigeträchtigen Zukunft entgegensehen.
Hier, auf den Spuren Einsteins, Schopenhauers und so vieler anderer, kann ich förmlich den Atem der Geschichte spüren.
Die Humboldt-Universität hat uns das allerbeste gegeben, was Hochschulen zu bieten haben – bemerkenswerte Fortschritte in den Natur- und Geisteswissenschaften ... mit dem Nobelpreis ausgezeichnete wissenschaftliche Leistungen.
Sie war jedoch auch Schauplatz tragischer Ereignisse. Die Bücherverbrennung während der Nazizeit ... ein Angriff auf akademische Werte, dem Sie auf dem Universitätsgelände ein Mahnmal gesetzt haben. Und dann die Teilung der Universität selbst, ein Spiegelbild der Teilung Berlins.
Sie haben gewaltige Veränderungen und Umwälzungen durchlebt.
Auch heute leben wir in einer Ära des Wandels ... dramatischer Veränderungen in der globalen Landschaft … mit neu entstehenden Wirtschaftsmächten ... einer neuen Generation von Bedrohungen … und alten Bedrohungen in neuer Gestalt …
Ich bin hier, um zu Ihnen über diese Herausforderungen zu sprechen und um Ihre Unterstützung bei ihrer Bewältigung zu bitten.
Die Humboldt-Universität bringt die besten Voraussetzungen mit, hierzu beizutragen.
Gleiches lässt sich auch von der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen sagen. Sie sind ein guter Freund. Und wie ihre Schwesterorganisationen in der ganzen Welt gehen Sie mit großem Engagement daran, zu erläutern, was die Vereinten Nationen tun und warum dies wichtig ist ... vor allem jetzt.
Bevor ich zum offiziellen Teil meiner Rede komme, möchte ich mich kurz zu den jüngsten Ereignissen in Ägypten äußern, die wir, wie ich weiß, alle sehr aufmerksam und mit bedrücktem Herzen verfolgen.
Leider hat die Lage eine höchst beunruhigende Wendung genommen. Die Gewalthandlungen und Einschüchterungen sollten ein Ende haben. Insbesondere die Einschränkungen für die internationalen Medien und Menschenrechtsgruppen sind völlig unannehmbar. Das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Versammlungsfreiheit sind grundlegende Menschenrechte und unabdingbare demokratische Werte.
Ich fordere erneut zur Besonnenheit und Zurückhaltung auf und lege den ägyptischen Behörden eindringlich nahe, auf die wahre Stimme des Volkes zu hören. Es bedarf eines Prozesses des nationalen Dialogs, mit dem ein geordneter und friedlicher Übergang angebahnt wird ... ein Prozess, der dem ägyptischen Volk gestatten wird, seine Wünsche möglichst bald in freien, fairen und glaubwürdigen Wahlen zu bekunden, und der den Weg für eine flexible, wirksame und rechenschaftspflichtige Regierungsführung ebnen wird.
Dieser Prozess sollte sofort beginnen. Tiefgreifende Veränderungen und Reformen können nicht länger warten. Es gibt keine Zeit zu verlieren. Arbeitsplätze, Freiheiten und Entwicklungschancen sind entscheidend für die Zukunft Ägyptens.
Dass sie nach wie vor fehlen, ist ein Rezept für weitere Instabilität. Wir müssen auch die Folgen bedenken, die die aktuellen Ereignisse für den Nahost-Friedensprozess haben. Auf das Demokratiedefizit und andere Probleme in der Region machen die Vereinten Nationen seit 2002 in regelmäßigen Berichten über die menschliche Entwicklung in der arabischen Welt aufmerksam. Die Vereinten Nationen stehen bereit, dem ägyptischen Volk bei der Suche nach dem Weg in die Zukunft behilflich zu sein.
Ich habe selbst miterlebt, was die Vereinten Nationen tun können.
Eine meiner frühesten Erinnerungen ist, dass mein eigenes Dorf brennt und dass ich von den Bergen, auf die ich mit meiner Familie geflohen war, darauf zurückblicke.
Mit der Hilfe der Vereinten Nationen wurde mein Land nach einem verheerenden Krieg wieder aufgebaut.
Die Vereinten Nationen gaben mir und meiner Familie, meiner ganzen Nation, Nahrung. Sie brachten uns Hoffnung, deren Symbol für mich bis heute die Flagge der Vereinten Nationen ist.
Genau das ist es, was ich heute für andere tun möchte.
Für die Vereinten Nationen und ihre Tätigkeit einzutreten. Den Hoffnungslosen Hoffnung zu bieten. Den Stimmlosen eine Stimme zu geben. Den Schutzlosen Schutz zu gewähren.
Überall in der Welt blicken die Menschen auf die Vereinten Nationen. Sie bitten uns, mehr zu tun als je zuvor.
Die Bedürfnisse haben ein gewaltiges Ausmaß.
Konflikte ... Unterdrückung ... Intoleranz ...
Naturkatastrophen, die uns heftiger und immer häufiger heimsuchen ...
Klimawandel ... Hunger und Mangelernährung ... die Finanzkrise .... die Ausbreitung von tödlichen Krankheiten und Massenvernichtungswaffen.
Diese Herausforderungen machen vor Grenzen nicht Halt. Sie sind von globaler Reichweite. Einzelne Länder oder Ländergruppen, gleichviel, wie mächtig sie sind, können sie nicht allein bewältigen.
Wir müssen gemeinschaftlich gemeinsame Lösungen finden.
Wir dürfen dies nicht nur als pragmatische Lastenteilung verstehen, auch wenn dies als Begründung sicherlich ausreichen würde.
Vielmehr ist dies eine Notwendigkeit, denn es ist uns bestimmt, mehr von unserem Leben gemeinsam zu leben ... und wir müssen mehr tun, um uns auf diese geteilte Zukunft vorzubereiten.
Dank der globalen Kommunikationsverbindungen wissen wir mehr übereinander – was es heißt, reich zu sein, und was es heißt, arm zu sein.
Ein Netz von Reiserouten und Handelswegen hat dafür gesorgt, dass wir auch stärker aufeinander angewiesen sind.
Die Vorstellung, dass ein geringer Prozentsatz der Menschheit weiterhin Freiheiten und Chancen genießen kann, während Milliarden anderer in bitterstem Elend verharren, ist nicht länger tragbar.
Sie sehen, wie sich dies zur Stunde in den Straßen von Kairo, Tunis und vielen anderen Orten manifestiert.
Größere Chancenfreiheit muss mit mehr sozialer Gerechtigkeit einhergehen. Menschenrechte und Chancen für die Menschen sind Sache aller.
Wir sind eine Gemeinschaft von 7 Milliarden Menschen, von denen jeder Recht auf ein bestimmtes Maß an Sicherheit, Würde und Hoffnung hat.
Dies ist unser gemeinsamer Standard … unsere gemeinsame Aufgabe.
Wir müssen mehr, weitaus mehr tun, um unsere gemeinsame Zukunft aufzubauen.
Dies war mein oberstes Anliegen, als ich vor drei Wochen für die Mitgliedstaaten – und für die Menschen der Welt – meine Prioritäten für das bevorstehende Jahr festlegte.
Einer der wichtigsten Bausteine ist die nachhaltige Entwicklung.
Im vergangenen Jahrhundert bahnte sich die Welt ihren Weg zu Wohlstand und Wachstum vor allem durch Raubbau an der Natur und an den Bodenschätzen. Wir glaubten an Konsum ohne Folgen.
Diese Zeiten sind vorbei. Im 21. Jahrhundert gehen die Reserven zur Neige, und der globale Thermostat nähert sich seiner Leistungsgrenze.
Die alten Modelle und Definitionen taugen nicht länger; sie sind nicht nur veraltet, sondern gefährlich ... man könnte sogar sagen, selbstmörderisch.
Wir müssen neu abgrenzen, was wir unter „Fortschritt“ verstehen. Wir benötigen eine Revolution der Lebensstile, eine Revolution unserer individuellen Lebensführung, eine Revolution in unseren Beziehungen mit unserem Planeten.
Wir sind gefordert, nachhaltiges Wachstum in einer Zeit des Mangels zu schaffen ... die Menschen aus der Armut zu befreien und gleichzeitig die Umwelt und die Ökosysteme zu schützen, die unsere Lebensgrundlage sind.
Deshalb war ich in den vergangenen vier Jahren darum bemüht, dem Klimawandel in der globalen Agenda einen sehr hohen Stellenwert zu verschaffen.
Der Klimawandel führt uns auf einen ökologischen Abweg. Dieser Weg gehört der Vergangenheit an und ist nicht länger begehbar. Wir müssen zukunftsfähige Wege einschlagen.
Sie in Deutschland verstehen das.
Sie verfügen über eine starke „grüne“ Bewegung. Sie sind bahnbrechend bei den erneuerbaren Energien.
Bonn ist großzügiger Gastgeber und Standort für das UN-Klimasekretariat, das den grundlegenden Wandel globaler Denkhaltungen mitbestimmt.
Ich hoffe, dass Deutschland und seine EU-Partner trotz schwieriger Zeiten für die Wirtschaft auch weiterhin eine treibende Kraft für Wachstum auf der Grundlage sauberer Energien sein werden.
Ein Umdenken in dem, was wir tun – die Voraussetzungen für die Zukunft schaffen – bedeutet auch, Zusammenhänge zwischen Klima, Wasser, Nahrung und Energie herzustellen.
Genau dazu wird die von mir eingesetzte Hochrangige Gruppe für globale Nachhaltigkeit im Zuge unserer Vorbereitungen auf die Rio-Konferenz 2012 – den nächsten Umweltgipfel –Empfehlungen abgeben.
Nachhaltige Entwicklung zu verwirklichen bedeutet auch, Schwerpunkte in den Bereichen zu setzen, in denen intelligente Investitionen überaus große Vorteile bringen können.
Ein solcher Multiplikatoreffekt übertrifft alle anderen: die Gesundheit und das Wohlbefinden der Frauen und Mädchen in aller Welt, der weltweit am stärksten untergenutzten Ressource.
Unsere neue Globale Strategie zugunsten der Gesundheit von Frauen und Kindern hat das Ziel, jährlich zwei Millionen Leben zu retten.
Unsere Strategie für die Verwirklichung der Millenniums-Entwicklungsziele stellt Frauen (und Mädchen) direkt in den Mittelpunkt unserer Entwicklungsanstrengungen. Denn so bekommt man, wie die Amerikaner sagen, „the most bang for your buck“ – ist der Mitteleinsatz wirkungsoptimiert.
Unsere neueste Institution, UN-Frauen, hat ihre Arbeit aufgenommen und wird uns besser befähigen, die Ermächtigung der Frauen voranzubringen.
Bei den Vereinten Nationen selbst habe ich die Ermächtigung der Frauen zu einer Priorität erhoben. Deshalb haben wir in den vergangenen Jahren den Anteil der Frauen in Führungspositionen um mehr als 40 Prozent gesteigert.
Das Amt des Rechtsberaters ... des leitenden Beauftragten für humanitäre Fragen ... des leitenden Entwicklungsbeauftragten … des obersten Klimaunterhändlers … des Menschenrechtskommissars … des Verwaltungschefs … des leitenden Arzts und selbst des obersten Sicherheitsbeamten – all diese Ämter werden bei den Vereinten Nationen von Frauen bekleidet.
Meine Damen und Herren,
Zu den Bausteinen unserer gemeinsamen Zukunft gehören auch die Grundlagen für Sicherheit, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, demokratisches Regieren und Frieden. Die Stärkung dieses Fundaments der Zukunft ist für die Vereinten Nationen ein humanitäres Gebot.
Im Katastrophenfall sind die Vereinten Nationen weltweit die Ersthelfer. Wir sind zur Stelle in Notsituationen, die die Schlagzeilen beherrschen – Haiti und Pakistan, um nur zwei davon zu nennen.
Wir sind auch da für die Bedürftigen an den vielen Orten, die nie im Rampenlicht der internationalen Aufmerksamkeit stehen – die hunderttausenden hungernden Menschen in Niger … die drei Millionen Menschen in Somalia, denen wir jeden Tag Nahrung geben.
Wir sichern den Frieden an einer wachsenden Zahl von Orten: mehr als 120.000 Soldaten und Polizisten sind in 15 Friedenssicherungseinsätzen in der ganzen Welt tätig. Wir sind eine globale Präsenz – Friedenssicherung, Friedenskonsolidierung, Vermittlung, Gute Dienste und mehr – von Irak bis Libanon, von Somalia bis Sierra Leone, von Zentralasien bis Timor-Leste.
Wir bilden eine schmale blaue Trennlinie in Ländern, die an einem entscheidenden Wendepunkt stehen, ob sie einen Konflikt überwunden haben oder den schwierigen Übergang zur Demokratie vollziehen.
In Côte d’Ivoire haben wir nicht nachgegeben. Hier steht eine Menge auf dem Spiel: die Achtung des klar bekundeten Willens des ivorischen Volkes, die politische und wirtschaftliche Stabilität des Landes und der Subregion, die Zukunft der Demokratie selbst.
In Afghanistan bilden deutsche Soldaten die afghanischen nationalen Sicherheitskräfte aus. Ich weiß, dass dieser Einsatz nicht unumstritten ist. Ich kann Ihnen jedoch sagen, dass er unerlässlich dafür ist, die afghanischen Institutionen aufzubauen und Zukunftshoffnung zu schaffen.
Natürlich verfolge ich aufmerksam die Situation in Ägypten, Tunesien und der Region.
Es handelt sich um komplexe Situationen, die eine eigene Dynamik entfalten. Niemand kann genau vorhersagen, welchen Lauf die Ereignisse nehmen werden.
Eines lässt sich jedoch feststellen: Mitauslöser für die Unruhen ist das Fehlen grundlegender Dinge, die den Menschen überall zu Recht zustehen: Arbeitsplätze und Entwicklungschancen, Menschenwürde und Menschenrechte, eine flexible, rechenschaftspflichtige, ehrliche und wirksame Regierungsführung.
Die Proteste, die wir gerade miterleben, sollten allen politischen Führern der Welt eine Mahnung sein, auf ihr Volk zu hören – seinen Hoffnungen und Bestrebungen Rechnung zu tragen, Chancen für eine bessere Zukunft zu fördern, gemeinschaftlich und im gemeinsamen Interesse für diejenigen zu arbeiten, die sie regieren.
Bei all dem muss die internationale Gemeinschaft ein besserer Partner sein und zusammen eine bessere Zukunft für alle aufbauen.
Dazu haben wir die Vereinten Nationen.
Meine Damen und Herren,
In dieser Ära des Wandels müssen auch die Vereinten Nationen einen Wandel vollziehen.
In einer Zeit wirtschaftlicher Sparmaßnahmen müssen wir mit dem, was wir haben, mehr leisten. Wir müssen lernen, effizienter und effektiver … schneller und mobiler ... transparent und rechenschaftspflichtig zu sein.
Nie waren die Vereinten Nationen relevanter oder wichtiger.
Wenige Laufbahnen sind heute fordernder … anspruchsvoller … spannender als eine Laufbahn im globalen öffentlichen Dienst.
Ich hoffe, einige von Ihnen … von den Studenten, die heute Vormittag hier anwesend sind, werden eine Tätigkeit bei den Vereinten Nationen ins Auge fassen.
Ich hoffe, niemand von Ihnen wird bei den großen Ereignissen, die unsere Welt verändern, nur Zuschauer sein.
Ihr Engagement ist wichtig. Sie können etwas bewirken.
Und daher lege ich Ihnen nahe, bei uns einzusteigen.
Schließen Sie sich uns an … und tragen Sie bei zu kollektivem Handeln in diesem außerordentlichen neuen „multilateralen Moment“.
Helfen Sie uns dabei, unsere Rolle in einer sich verändernden Welt zu überdenken und neu zu definieren.
Helfen Sie uns dabei, unsere Welt umzugestalten … um einer neuen Generation behilflich zu sein, ihren rechtmäßigen Platz in der Welt zu finden, um eine hellere Zukunft für alle zu schaffen.
Meine Damen und Herren,
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Es hat mich gefreut, diese angenehme Zeit heute mit Ihnen verbringen zu dürfen.
Danke schön.
Vielen Dank!
And thank you.