„Beeindruckt von dem Interesse und der Wissbegierde“
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, eine Vorlesungsreihe für Schülerinnen und Schüler zu Klima-Themen zu organisieren?
Es gab einerseits Proteste und andererseits auch Diskussionen darüber, wie viel Schülerinnen und Schüler wissen – und was ihre Motivation ist. Ich finde, dass wir als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine wichtige Rolle dabei spielen, Wissen zu Klimawandel-Themen zu vermitteln. Das war ein zusätzlicher Beitrag zu dem, was die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler machen, die sich zu „Scientists für Future“ zusammengefunden habe. Ich habe die Initiative zur Vorlesungsreihe nicht bereut. Im Gegenteil, der Austausch war für mich sehr bereichernd. Zuerst habe ich eine einzelne Vorlesung angeboten. Weil die Resonanz sehr positiv war, habe ich danach gemeinsam mit dem Faktenvermittlungsteam von „Fridays for Future“ eine Vorlesungsreihe konzipiert. Um herauszufinden, welche Themen die Schülerinnen und Schüler interessieren, haben wir eine Umfrage in Berliner WhatsApp-Gruppen durchgeführt. Zu Themen, die die Schülerinnen und Schüler besonders spannend fanden, habe ich dann Expertinnen eingeladen.
Sie unterrichten normalerweise Studierende. Wie waren Ihre Erfahrungen mit dem jüngeren Publikum?
Ich bin sehr beeindruckt von dem Interesse und der Wissbegierde der Schülerinnen und Schüler. Das hat mir große Freude gemacht. Ihre Fragen sind detailliert, kritisch, und zeugen von großem Vorwissen und Interesse. Die Schülerinnen und Schüler sagen beispielsweise: „Da sind Argumente im Umlauf, die wollen wir besser verstehen“. Es war schön, dass Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Generationen an den Vorlesungen teilgenommen haben. Tendenziell ist das ein anspruchsvolles Thema – und das Format Vorlesung ist eher für ältere Semester gedacht. Aber es hat sich gezeigt, dass wir damit auch Jüngere erreichen können. Beispielsweise hat mich die Mutter einer Elfjährigen gefragt, ob sie die Folien meiner Präsentation haben könne. Das Mädchen wollte das Thema selbst in der Schule vorstellen.
Sie haben zum 1,5-Grad-Ziel geforscht. Warum ausgerechnet diese Marke – und nicht 1,8 oder 2 Grad?
Die Tendenz zu runden Zahlen hat sicher mit der Kommunizierbarkeit zu tun. Man darf nicht vergessen: Das sind politische Ziele. Die Wissenschaft sagt: Wir werden bestimmten Klimarisiken begegnen – je nachdem, welches Level von Erwärmung wir erreichen. Weil wir die Klimarisiken recht gut mit dem Anstieg der globalen Mitteltemperatur beschreiben können, ist sie schon lange in der Diskussion. Dabei ging es historisch gesehen vor allem um das Zwei-Grad-Ziel. Schon 2008 aber haben sich die besonders vom Klimawandel betroffenen Ländern dieser Welt, darunter zum Beispiel kleine Inselstaaten, zum 1,5-Grad-Ziel bekannt. Sie sagten: „Wir haben nicht mal ein Grad Erwärmung, aber die Folgen des Klimawandels sind für uns sehr spürbar. Mehr als Doppelte ist für uns schlichtweg kein akzeptables Ziel.“ Ich glaube, dass wir diese Forderungen und Sorgen als Europäer und auch als Wissenschaftler früher nicht so wahr- oder ernstgenommen haben. Unsere Forschungen haben aber gezeigt, dass die Unterschiede zwischen 1,5 Grad und 2 Grad erheblich sind. Unsere Erkenntnisse wurden auch im Sonderbericht des Weltklimarates zur Vorbereitung der UN-Klimakonferenz 2018 in Katowice zusammengefasst. Man kann sagen, dass die kleinen Inselstaaten und die besonders vulnerablen Länder von der Wissenschaft Recht bekommen haben.
Sie unterstützen die Forderungen der „Fridays-for-Future-Bewegung“. Warum? Was wird sich verändert haben, wenn die Jugendlichen von heute erwachsen sind?
Wenn wir das 1,5-Grad-Ziel überschreiten, wird ein heute 16-Jähriger mehr als die Hälfte seines Lebens in einer Welt über 1,5 Grad leben – und möglicherweise fast die Hälfte seines Lebens in einer Welt über zwei Grad. Das heißt: Die Frage, ob wir die Erwärmung auf 1,5 Grad oder zwei Grad begrenzen – oder ob wir sogar beides überschreiten – ist für das Leben heutiger junger Menschen bestimmend. Darin liegt auch die Verbindung zwischen meiner wissenschaftlichen Arbeit und Fridays-for-Future. Die Bewegung hat die Problematik begriffen und fordert von politischen Entscheidungsträgern Konsequenzen.
Das Interview führte Inga Dreyer.
Weitere Informationen
Pressemitteilung über die Fortsetzung der Vorlesungsreihe Humboldt For Future ab Oktober
Der Wissenschaftspodcast der HU mit Dr. Carl-Friedrich Schleussner
Sommerthema 2019: Wie wollen wir zusammen leben?
Folge 1 mit der Ethnologin Prof. Dr. Silvy Chakalakkal: "Ich gehe davon aus, dass Zeit nicht einfach da ist."
Folge 2 mit dem Soziologen Prof. Dr. Steffen Mau: Erkundungen in der ostdeutschen Heimat
Folge 3 mit dem Makroökonomen Prof. Marcel Fratzscher (PhD): Für einen starken Sozialstaat
Folge 4 mit Prof. Dr. Patricia Ribault vom deutsch-französischen Projekt Behavioral Matters
Folge 5 mit Prof. Dr. Sebastian Markett: Wie das Smartphone das Gehirn verändert
Folge 6 mit Prof. Dr. Philipp Staab: Szenaristisch über die Zukunft nachdenken