„You only live once“
Philosophie-Professor Philipp Hübl hat vor 20 Jahren sein Studium an der HU begonnen
Philipp Hübl erlebte 1996 sein erstes
Semester an der Humboldt-Universität.
Foto: Juliane Marie Schreiber
„Ich bin damals mit einem Schulfreund in einem abrissreifen Haus in Lichtenberg untergekommen“, erinnert sich Philipp Hübl an seine ersten Uni-Tage in Berlin. „Der Herbst war kalt, der Winter eisig. Mein Logikseminar begann um acht Uhr in der Früh. Das hieß: halb sieben aufstehen, die Kohle unterm Boiler anfeuern, um eine halbe Stunde später mit lauwarmem Wasser duschen zu können.“ Braungrau sei die Luft in der Stadt damals gewesen, sie habe nach Trabis und Kohleöfen gerochen.
Damals, das war im Herbst 1996. Hübl war frisch an der Humboldt-Universität immatrikuliert, ein Magister-Studium der Philosophie und Linguistik. Was ihn zu dieser Fächerwahl bewogen hat? „Als Abiturient wollte ich Romane schreiben und dachte, Linguistik und Philosophie böten da eine gute Grundausbildung“, erzählt er. Außerdem wollte er unbedingt nach Berlin. Mit den eigentlichen Studieninhalten habe er sich zu diesem Zeitpunkt erschreckend wenig beschäftigt, gesteht er. Auch ist der Neuling sehr still gewesen. „Die Leute in den Seminaren waren unglaublich belesen, sie drückten sich gewählt aus und widersprachen sogar den Professoren. Das hat mich so beeindruckt, dass ich in den ersten Semestern gar nichts gesagt habe“, so Hübl.
Von der Sprachwissenschaft zur Sprachphilosophie
Auch wenn seine Erfahrungen als Erstsemester inzwischen 20 Jahre zurückliegen, sind sie denen heutiger Studienanfänger sicher nicht unähnlich – abgesehen von der schmutzigen Luft und der Kohle. Es dauert eine Weile, bis man sich einlebt an der Universität und in der Stadt. Später ergeben sich Dinge von selbst, eins führt zum andern, und irgendwann ist man angekommen. So auch Philipp Hübl. Er wurde Tutor in der Linguistik, redigierte Texte, seine für heutige Verhältnisse natürlich eher schmalen Word-, Excel- und PowerPoint-Kenntnisse verhalfen ihm zu weiteren Jobs. Auch im Studium selbst kam er mehr und mehr an. In der Sprachwissenschaft gelangte er über die formale Semantik und die Bedeutungstheorie zur Sprachphilosophie.
In der Philosophie haben ihn Herbert Schnädelbach mit seinen Vorlesungen, die den großen Bogen von Platon bis in die Gegenwart spannten, und Geert Keils Oberseminare zur Sprachphilosophie, Philosophie des Geistes und Metaphysik am meisten geprägt. Letzterer wurde später sein Doktorvater. Spätestens jetzt verlor Hübl seine ursprüngliche Motivation, Schriftsteller zu werden, aus den Augen. Auch weil er erkannte, „dass ich mich in der Philosophie mit allem befassen kann, während man sich in der Linguistik auf etwas spezialisieren muss, zum Beispiel auf den Dativ im Deutschen“. Nicht zuletzt erwerbe man in dieser Disziplin fast alle Schlüsselqualifikationen für das Berufsleben, etwa analytisches Denken, eine kritische Haltung gegenüber Ideologien und Worthülsen oder einen klaren Ausdruck im Vortrag.
Tipp an Erstsemester
Für Hübl folgten 2002 der Magisterabschluss, danach die Promotion, während der er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der RWTH Aachen und von 2010 bis 2012 Dozent an der HU war. Heute ist er Juniorprofessor für Theoretische Philosophie an der Universität Stuttgart Buchautor und Journalist.
Den Erstsemestern von heute rät Philipp Hübl, viel zu arbeiten und sich keine Sorgen zu machen, wenn sie mal eine Party oder ein Festival verpassen. „YOLO – you only live once“ sei zwar „vielleicht sogar eine metaphysische Wahrheit“, doch daraus ein Argument für den Hedonismus abzuleiten, sei falsch, denn „nur Disziplin führt zu Erfolg und zu langfristiger Zufriedenheit – das ist jedenfalls eine wichtige empirische Erkenntnis“. In der neuen und nicht immer einfachen Lebensphase empfiehlt Hübl, zunächst in eine WG oder ein Wohnheim zu ziehen. Zudem sei eine gute Basis – nicht nur finanziell – wichtig.
An der Uni selbst können „eine gute, selbstorganisierte Fachschaft, die die Studierenden empfängt und von Anfang an begleitet, sowie geduldige Studienberater, die auf alle Fragen und Nöte eine Antwort haben“, wertvolle Unterstützung bieten. Alle wichtigen Infos wie Studienordnungen, Semestertermine oder Lektürelisten gelte es online zu recherchieren. Dort finde man auch alle Seminartexte – eine Verbesserung gegenüber 1996. „Damals wurden die entsprechenden Kopiervorlagen in der Bibliothek ständig geklaut“, erinnert sich Hübl mit einem Schmunzeln.
Autor: Michael Thiele