Achtsamkeit
Wir kennen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Unser Gehirn kann sich in diese drei Zeitzonen hineindenken. Und das tut es leider auch. Zu häufig. Wie oft denken Sie über Vergangenes nach, spielen es noch mal in Gedanken durch, freuen oder ärgern sich, wie etwas gelaufen ist? Und switchen genauso schnell in die Prognosen: Was bringt die Zukunft? Was ist, wenn ich wieder durch diese Prüfung falle?
Beides ist grundsätzlich gut und hat schon vielen Menschen das Leben gerettet. Aber genauso viel Stress und Ärger verursacht. Die Zeitzone, in der wir wirklich real sind, ist die Gegenwart.
Achtsamkeit will die Wahrnehmung genau dahin verlagern: Wer achtsam ist, ist mit dem Geist, der Aufmerksamkeit und der Wahrnehmung gegenwärtig und nicht "in Gedanken woanders".
Ist das eine seriöse Methode gegen Stress?
Die Achtsamkeit ist eine Übung aus dem Buddhismus und wird dort im Zusammenhang mit Meditation praktiziert. Sie müssen jetzt aber nicht erst Meditieren lernen, denn das Prinzip der Achtsamkeit macht auch allein Sinn und passt auch gut zu unserer westlichen Weltanschauung.
- Die Methode ist umfangreich wissenschaftlich überprüft worden.
- Sie zeigt Effekte in der Bewältigung von Stress, macht belastbarer und reduziert viele Symptome chronischer Erkrankungen.
- Am häufigsten wird der amerikanische Professor Jon Kabat-Zinn genannt, der u.a. den achtwöchigen Kurs "MBSR" (Mindfulness-Based Stress Reduction) entwickelt hat.
In den Alltagsübungen sollen sich die Grundideen des Konzepts wiederfinden. Diese sind:
- Wahrnehmen ohne zu werten,
- Sich immer nur einer Sache widmen,
- Automatismen bewusst machen,
- Zeit und Empathie für andere haben und dabei wertschätzend kommunizieren.
Wie funktioniert nun Achtsamkeit im Alltag?
Hier zwei Übungen, mit denen Sie Achtsamkeit einmal ausprobieren können. Wenn Ihnen dieser neue Umgang mit Sich selbst gefällt, finden Sie noch viele weitere Anregungen für Ihren Alltag.
- Machen Sie einen kleinen Selbstversuch: Setzen Sie sich bequem hin und schauen vor sich auf den Boden. Gehen Sie nun die einzelnen Sinne durch: Was sehe ich gerade? Was höre ich gerade? Was spüre ich jetzt? Rieche und schmecke ich etwas? Sie glauben ja gar nicht, wie schnell man denkt "Ich könnte doch jetzt auch... Ach, ich muss ja noch..." Wenn diese Gedanken kommen, geben Sie Ihnen keine Aufmerksamkeit, sondern Sie folgen weiterhin den einzelnen Sinnen und deren Wahrnehmung. Mehr nicht. Das ist gar nicht so leicht, oder?
- Vorurteilsfrei wahrnehmen bedeutet, sich bewusst machen, was gerade ist und es stehen zu lassen. Daraus können dann weitere Konsequenzen folgen. Die Kunst ist es nun, dementsprechend zu handeln. Ein Beispiel: Heute Abend wollte ich ursprünglich vielleicht ins Kino. Ich merke jetzt aber, wie müde ich bin und lieber gemütlich Zuhause bleiben möchte. Eine übliche Reaktion wäre mit Ärger verbunden: "Mist, ich wollte doch ins Kino - jetzt bin ich doch tatsächlich müde! Mist!" Der Achtsamkeit praktizierende Mensch würde dagegen denken: "Ursprünglich wollte ich ins Kino. Jetzt merke ich, wie müde ich bin und es würde mir wohl besser tun, einen gemütlichen Abend zuhause zu verbringen. Genau das tue ich und kann an einem anderen Tag ja immer noch ins Kino gehen".
- Ich machen immer (nur) genau das, was ich gerade mache, und nicht zwei Dinge gleichzeitig. Z.B. nehme ich beim Duschen das warme Wasser und den Geruch des Shampoos wahr, anstatt mir zu überlegen, was ich heute alles erledigen muss.
- Ich mache mir Automatismen und routinierte Abläufe bewusst und ändere sie bewusst. Z.B. gehe ich mal einen anderen Weg nach Hause oder steige eine U-Bahn-Station früher aus, um andere Eindrücke zu bekommen.
- Ich lese und arbeite nicht beim Essen, sondern ich schaue mir den gefüllten (und dekorierten?) Teller an und nehme Geruch und Geschmack der Mahlzeit wahr.
- Musik läuft nie im Hintergrund. Entweder höre ich sie mir an oder widme mich nur der anderen Sache.
Hier nun geht es um die Art und Weise, ob und wie Sie Ihre Umwelt und die anderen Menschen wahrnehmen und auf sie reagieren:
- Beim U-Bahn-Fahren sich nicht mit Musik "wegstöpseln", sondern - wie beim Sitzen in einem Straßencafé - sich umschauen und beobachten.
- Auf eine spontane Einladung ("Komm doch mit!") oder eine eben ankommende Mail, SMS u.a. (z.B. eine Nachricht, die ärgerlich macht) nicht unmittelbar antworten. Geben Sie sich Bedenkzeit ("Ich sag dir in 10 Minuten Bescheid"), überlegen Sie, was Ihnen gut tun würde und antworten Sie dann entsprechend.
- Zeit und Empathie für andere: Wirklich Zuhören ist eine Kunst! Meistens nehmen wir Bemerkungen anderer eher zum Anlaß, Entsprechendes von uns zu berichten: "Was? Nee, bei mir ist das aber nicht so." Achtsames Zuhören schwingt mit, fragt nach, kommentiert, aber redet weniger als sein Gegenüber.
Welche Profis können mir helfen?
Sie sind ja schon auf unserer Internet-Seite und haben unser kostenloses Angebot an drei Standorten vielleicht schon gesehen? Sie können mit uns ein erstes Beratungsgespräch vereinbaren, wo wir uns Ihre Situation in Ruhe anschauen und die nächsten Schritte erarbeiten.
Und Sie können an einem unserer Vorträge, einer Gruppe oder einer sonst. Veranstaltung teilnehmen. Diese sind immer zu speziellen Themen.
Diese Beratungsstelle ist eine Alternative zu unserem Angebot: auch dort können Sie eine Beratung oder eine Gruppe kostenlos nutzen. Wenn die Wartezeiten auf ein Gespräch bei uns zu lang sind, gibt es dort vielleicht eine frühere Möglichkeit. Und für manche ist es angenehmer, nicht an der Uni selbst diese Angebote zu nutzen. Oder die beiden Standorte sind einfach für Sie besser erreichbar?
Sport ist ein super Stress-Killer: ein körperlicher Ausgleich für die geistige Anspannung, den "Kopf frei kriegen".
Verzichten Sie gerade NICHT auf Ihren Sport, wenn Sie glauben, keine Zeit dafür zu haben. Die Zeit, die Sie dafür aufwenden, zahlt sich am nächsten Tag in Form von mehr Energie und Konzentration aus.
Wenn Sie bisher keinen Sport machen oder eine Entspannungsmethode suchen, dann schauen Sie mal in das Angebot unseres Hochschulsports: Viele Sportarten, aber auch Yoga oder Progressive Muskelentspannung gehören regelmäßig dazu.
Die Krankenkassen bieten sehr unterschiedliche, kostenlose Kurse für ihre Mitglieder an - schauen Sie auf der Homepage Ihrer Krankenkasse nach passenden Angeboten.
Quellen: Achtsamkeit bei der Arbeit. In: arbeit & gesundheit, 17. Jahrgang 5/2019 Deutsche gesetzliche Unfallversicherung (Hrsg.) Berlin.