Humboldt-Universität zu Berlin

Depression

Immer wieder wenden sich Studierende an uns mit der Sorge, depressiv zu sein. Sie wollen das nun von einem Fachmenschen überprüfen lassen. Oder wir stellen vielleicht im Laufe einer Beratung fest, dass hinter einem prokrastinierenden Verhalten oder einer Prüfungsangst eigentlich eine Depression zu entdecken ist. Bevor Sie selbst sich zu schnell eine Diagnose geben, möchten wir Ihnen erste seriöse Informationen für eine vorsichtige, grobe Selbsteinschätzung an die Hand geben.

 

Bitte bedenken Sie:

Diese Informationen können nur eine erste Selbsteinschätzung sein, aber keine professionelle Diagnostik ersetzen. Wenn Sie Ihre Vermutungen, eine Depression zu haben, eher bestätigt finden, dann lassen Sie das in einem zweiten Schritt von einem Fachmenschen beurteilen.

Ein erster Einstieg in das Thema

Einfach mal gegoogelt: Hab ich eine Depression?

Das ist doch nachvollziehbar, dass Sie erst mal einfach das Netz befragen, woran Sie eine Depression erkennnen können. Und dann nennt eine der zuerst auftauchenden Seiten folgende "Frühe Symptome und erste Anzeichen einer Depression":

•Schmerzen (z.B. unspezifische Kopf- oder Bauchschmerzen);

•ständige Müdigkeit, Energiemangel;

•nachlassendes sexuelles Interesse;

•Reizbarkeit, Angst;

•zunehmende Lustlosigkeit, Apathie;

•missmutige Stimmungslage;

•Schlafstörungen;

•Appetitlosigkeit.

 

Da können Sie sich schnell wiederfinden, denn diese Symptome zeigen sich beispielsweise auch bei massivem Stress. Und Müdigkeit, ängstlich sein oder schlecht schlafen - das kennen wir doch alle mal. Aber warum können viele Menschen einigen dieser Symptome spontan zustimmen ("Das hab ich doch!") und deshalb annehmen, sie hätten eine Depression? Dies liegt am nachfolgend erläuterten "Kontinuum psychischer Störungen".

 

Das Kontinuum psychischer Erkrankungen

Die Psyche hat nur eine beschränkte Auswahl an Gefühlszuständen zur Verfügung: Dies sind die Kategorien Glück, Trauer, Wut, Angst, Ekel und Überraschung. Sie kann diese letztendlich nur verändern und steigern, bis aus einem zu erwartenden (gesunden) emotionalen Zustand eine behandlungsbedürftige Erkrankung wird.

 

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 unauffällig                      störend                       auffällig

zu erwarten                 einschränkend           sehr einschränkend

   gesund                     zu bewältigen           behandlungsbedürftig

 

Wie das gemeint ist, verstehen Sie vielleicht am Beispiel einer Angst vor dem Fliegen:

  • Jemand hat zunächst gar keine ängstlichen Gedanken. Während des Fluges werden die Turbulenzen sehr stark. Viele Passagiere werden unruhig und man fragt sich, was los ist. Der Pilot teilt wenig später mit, dass eine ungeplante Zwischenlandung nötig wird. Die läuft mit sehr viel Unruhe des Personals und Wackeln des Flugzeugs ab. Nun wird Ihnen aber doch mulmig, Sie werden vielleicht aufgeregter und auf einmal hellwach. Auf ein Buch können Sie sich nicht mehr konzentrieren. Wir würden das so erwarten und es wäre eine gesunde Angstreaktion auf die ungünstigen Nachrichten und das tatsächliche Erleben.
  • Eine leichte Form der Ängstlichkeit wäre eine Aufregung bereits vor dem eigentlichen Flug, etwa in dem man schlecht schläft und wenig Appetit hat. Im Flugzeug wartend, steigt die Aufregung an. Diese ist störend, mit stärkeren physischen und psychischen Begleiterscheinungen - aber irgendwie auszuhalten und zu bewältigen. Man schränkt sich deshalb nicht im Verhalten ein, indem beispielsweise nie geflogen wird. Schließlich will man ja beruflich oder im Urlaub an ein begehrtes Ziel und nimmt die unangenehmen Gefühle dafür in Kauf.
  • Eine starke Angst vor dem Fliegen ist sehr auffällig mit vielen Symptomen. Sie ist vollkommend einschränkend, denn jemand mit einer ausgeprägten Flugangst würde nie ein Flugzeug betreten. Schon die bloße Vorstellung, man würde in einem Flugzeug sitzen, genügt, um eine starke Angstreaktion auszulösen. Entsprechende Reisen entfallen. Eine so starke Angst ist sehr einschränkend und kann nur durch eine Behandlung verändert werden.

Wir können also festhalten: Gefühle, wie beispielsweise Angst, kennen alle Menschen. Erst deren Stärke, Dauer und gefühlte Belastung/Einschränkung bestimmt einen Krankheitswert. In einer Beschreibung der Symptome einer Depression können wir uns durchaus wiederfinden, weil uns ein dort beschriebener Zustand durchaus bekannt vorkommen kann, aber eben nicht in der Ausprägung, wie dies bei einer Depression der Fall ist.

Mehr davon? Eine neuere Studie fand heraus, dass der Mensch weit aus mehr Empfindungen unterscheidet und zu den Gefühlen zählen würde, nämlich 27 (u.a. Sorge, Erleichterung, Langeweile). Siehe "Quellen".

 

Ein paar Zahlen

Depressionen gehören mit zu den am häufigsten gestellten Diagnosen:

  • 5 % der Bevölkerung sind akut betroffen (wie auch bei Bluthochdruck und Diabetes Mellitus).
  • Frauen dabei etwa doppelt so häufig wie Männer.
  • Und 20 % der Menschen erkranken irgendwann im Laufe des Lebens (also in jedem Lebensalter) an einer Depression - die Hälfte davon vor dem 31. Lebensjahr.
  • ca. 9.000 Suizide jährlich (das sind mehr Tote als durch Autounfälle).

 

Woran erkennt man eine Depression?

Zuerst auffällig: Körperliche Beschwerden

Viele Betroffene beobachten bei sich zuerst körperliche Beschwerden. Diese sind häufig Schlaf- und Appetitstörungen, Kopfschmerzen und Kreislaufbeschwerden.

Daher wird auch zunächst ein*e Ärzt*in aufgesucht und symptomatisch behandelt. Nur selten wird bei Fortbestehen der Symptome der Verdacht einer möglichen Depression geäußert, eher schon, "dass die Probleme psychosomatisch sein könnten".

Im Zusammenhang mit einer Depression vereinzelt auftretende körperliche Beschwerden sind:

•Körperliche Abgeschlagenheit, Mattigkeit

•Ein- und/oder Durchschlafstörungen

•Appetit, Magendruck, Verdauungsprobleme

•Schmerzen aller Art, Verspannungen

•Druckgefühl in Hals und Brust, Globusgefühl

•Atemnot, Herz-/Kreislaufprobleme

•Schwindel, Flimmern, Sehstörungen

•Libidoverlust, ausbleibende Monatsblutung, Impotenz, sex. Funktionsstörungen

•Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen

-> Tatsächlich können also körperliche Beschwerden ein Hinweis auf eine Depression sein. Für eine Depression müssen aber mindestens zwei Haupt- und zwei Nebensymptome vorliegen und wenigstens zwei Wochen lang anhalten.

 

Hauptsymptome & Nebensymptome: Es ist gar nicht so leicht, eine Depression diagnostiziert zu bekommen

Wenn Sie auch mal eines der Symptome an sich beobachten können, dann haben Sie deshalb noch lange keine Depression. Denn schon für eine "leichte depressive Episode" müssen mindestens 2 Hauptsymptome und dazu 2 Nebensymptome für mind. 2 Wochen vorhanden sein! Und für eine chronische Erkrankung mehr als 2 Jahre anhalten.

  • Hauptsymptome (mindestens zwei)

    •Gedrückte „depressive“ Stimmung

    •Interessenverlust und Freudlosigkeit

    •Antriebsmangel mit erhöhter Ermüdbarkeit

 

  • + Nebensymptome (mindestens zwei)
  • •Verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit
  • •Übertriebene Zukunftsängste und Pessimismus
  • •Reduziertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen
  • •Schlafstörung, Appetitverlust, Libidoverlust
  • •Suizidgedanken und –versuche, Selbstverletzungen

 

Drei Schweregrade: leicht - mittel - schwer

Die Behandlung einer Depression ist abhängig von der Schwere der Erkrankung. Diese wird bestimmt anhand der Kombination aus Haupt- und Nebensymptomen:

  • LEICHTE DEPRESSIVE EPISODE 2 Hauptsymptome + 2 Nebensymptome
  • MITTELGRADIGE DEPRESSION 2 Hauptsymptome + 3-4 Nebensymptome
  • SCHWERE DEPRESSION 3 Hauptsymptome + 4 und mehr Nebensymptome

 

Eine besondere Form ist die Saisonal-Abhängige Depression (sog."Winter-Depression"), die hauptsächlich Folge des fehlenden Sonnenlichts in den Wintermonaten zu sein scheint.

 

Wie wird eine Depression behandelt?

Ein erster Überblick

Laien denken im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen schnell an Psychopharmaka. Und es bestehen große Ängste, diese dauerhaft nehmen zu müssen oder davon abhängig zu werden. Tatsächlich gibt es aber unterschiedliche Herangehensweisen, die eben vom Schweregrad und letztendlich auch Ihrer Entscheidung abhängen.

  • Psychotherapie + evt. Psychopharmaka: Psychotherapie sollte immer die erste Wahl sein. Sie kann evt. durch die Einnahme von Medikamenten unterstützt werden. Ist bei einer schweren Depression zunächst eine Medikation notwendig, sollte diese nicht ohne begleitende, zeitnah beginnende Psychotherapie gegeben werden. Häufig verschriebene Antidepressiva sind: Citalopram, Fluoxetin, Fluvoxamin oder Paroxetin. Bedenken Sie: es braucht ca. 2 Wochen Wartezeit, bis ein Antidepressivum Wirkung zeigt. Wenn dann aber keine Besserung eintritt,  sollte eine Therapieumstellung erfolgen.

  • Johanniskraut: Viele versuchen mit nicht-verschreibungspflichtigem Tee, Kapseln oder Tropfen eine Selbstmedikation. Johanniskraut hilft aber nur hochdosiert und nur bei leichter und mittelgradiger Depression. Die Einnahme sollten Sie mit Ihre*r Ärzt*in erläutern, da auch Heilpflanzen Nebenwirkungen hervorrufen können. Hochdosiertes Johanniskraut ist ohnehin verschreibungspflichtig.
  • Sport: Eine Studie hat gezeigt, dass 3x die Woche moderater Sport bei einer leichten Depression wirksamer ist als eine alleinige Pharmakon-Therapie. Bei der Behandlung schwererer Depressionen kann er diese ergänzen.
  • Eine Lichttherapie zur Behandlung der der leichten Form "Winter-Depression" kann auch Zuhause durchgeführt werden. Dabei kommt eine dem Tageslicht entsprechende Leuchte zum Einsatz. Behandler*innen haben in den Praxen größere und stärkere Lichtduschen. Bei der Behandlung schwererer Depressionen kann eine Lichttherapie diese ergänzen.
  • Neu sind die von Psycholog*innen entwickelten Online-Gesundheitskurse von "Selfapy" (manche Krankenkassen übernehmen die Kosten) und die von der Australian National University in Canberra und der Uni Leipzig gemeinsam entwickelte (anonyme und kostenlose) App "moodgym". Auch von einigen Krankenkassen wurden Apps entwickelt. Letztere sollen vor allem die Wartezeit mit Übungen und Selbstbeobachtungen überbrücken helfen, bis eine Psychotherapie beginnen kann. Digitale Angebote können bei einer leichten Depression eine sinnvolle Unterstützung sein. Bei der Behandlung schwererer Depressionen können digitale Angebote diese ergänzen.

 

Welche Profis können mir helfen?  

Die Psychologische Beratung der HU

Sie sind ja schon auf unserer Internet-Seite und haben unser kostenloses Angebot vielleicht schon gesehen? Sie können mit uns ein erstes Beratungsgespräch vereinbaren, wo wir uns Ihre Situation in Ruhe anschauen und die nächsten Schritte erarbeiten.

Die Psychologisch-psychotherapeutische Beratungsstelle des Studierendenwerks

Diese Beratungsstelle mit zwei Standorten sind eine Alternative zu unserem Angebot: auch dort können Sie eine Beratung oder eine inhaltlich passende Gruppe kostenlos nutzen. Wenn die Wartezeiten bei uns zu lang sind, gibt es dort vielleicht eine frühere Möglichkeit. Und für manche ist es angenehmer, nicht an der Uni selbst diese Angebote zu nutzen. Oder die beiden Standorte sind für Sie besser erreichbar?

Psychologische und ärztliche Psychotherapeut*innen

Psychotherapeut*innen mit einer Kassenzulassung bieten für eine erste Abklärung eine einmalige "Sprechstunde" an. Dazu vereinbaren Sie einen Termin, bei dem eine ausführliche Diagnostik stattfindet. Als Ergebnis erhalten Sie ein ausgefülltes Formular, das die Diagnose und eine Empfehlung für die Therapieform (Verhaltenstherapie, Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, Systemische Therapie oder Psychoanalyse) nennt. Damit können Sie sich auf die Suche nach ein*r Behandler*in begeben, denn in der Regel kann dies nicht in der Praxis erfolgen, welche die Sprechstunde durchgeführt hat. Sie können daher für diese einmalige Sprechstunde irgendeine Praxis mit dem nächsten freien Termin aufsuchen. 

Depressions- und Kriseninterventionszentren & Berliner Krisendienst

In einer massiven Krise oder bei Suizidgedanken ist es ratsam, unmittelbar die Profis zu kontaktieren, um sofort Hilfe und Unterstützung zu bekommen.

Gute Kriseninterventionszentren finden Sie im St. Hedwigs Klinikum (Mitte), im Urban Krankenhaus (Kreuzberg) und Klinikum Neukölln.

Soforthilfe persönlich und am Telefon 24/7 bietet der "Berliner Krisendienst".

Unsere Infoseite "Was ist Psychotherapie? Wie wird sie finanziert?"
Auf dieser Seite erläutern wir ausführlicher, welche Psychotherapieverfahren es gibt, wie eine Psychotherapie abläuft und was Sie tun können, um einen freien Therapieplatz zu finden. Der Shortlink "hu.berlin/psyber_psychotherapie" bringt Sie auf diese Infoseite.

 

Quellen: www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org>fruehsymptome

S3-Leitlinie und Nationale Versorgungsleitlinie (NVL) Unipolare Depression, 2. Auflage 2016

Alan S. Cowen & Dacher Keltner: Self-report captures 27 distinct categories of emotion bridged by continous gradients. University of California Berkeley 2017

M. Babyak u.a.: Exercise Treatment for Major Depression: Maintenance of Therapeutic Benefit at 10 Months. American Psychosomatic Society 2000

Informationen nach der EU-DSGVO

Bei der Kontaktaufnahme zu Einrichtungen der Studienabteilung werden zum Teil personenbezogene Daten erfasst und bearbeitet. Die Verarbeitung personenbezogener Daten, beispielsweise des Namens, der Anschrift, E-Mail-Adresse oder Telefonnummer einer betroffenen Person, erfolgt stets im Einklang mit der Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO) und in Übereinstimmung mit dem für die Humboldt-Universität geltenden Berliner Datenschutzgesetz (BlnDSG). Weitere Informationen dazu, zu Ihren Rechten und Möglichkeiten finden Sie unter https://www.hu-berlin.de/de/hu/impressum/datenschutzerklaerung

 

 

Kontakt

Beratungsbüro Adlershof: Brook-Taylor-Str. 2, Aufgang C, 1. Etage, Raum 1`302

Beratungsbüro Mitte: Unter den Linden 6, Erdgeschoss, Raum 1047, Terminvereinbarung für Präsenztermine und Informationen Do 13-14 Uhr unter Tel. 030 2093-70298 

Außerdem erreichen Sie uns unabhängig von den o.g. Zeiten über unser Kontaktformular

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