Stalking
Was bedeutet Stalking?
Das Wort „Stalking“ stammt aus dem Englischen „to stalk“ und wird in der Sprache der Jäger benutzt. Wörtlich übersetzt, heißt es in etwa „auf die Pirsch gehen“, „jagen“.
Unter dem Begriff „Stalking“ wird eine Reihe von obsessiven, verfolgenden und belästigenden Verhaltensweisen subsumiert, die Leib und Seele der Betroffenen unmittelbar, mittelbar oder langfristig bedrohen, z.B.
- ungebetene Telefonanrufe
- Herumtreiben
- vor der Haustür stehen
- Kontaktaufnahme über Dritte
- Fragen im Umfeld
- SMS
- Nachlaufen
- unerwünschte Geschenke
- Briefe
- wortloses Dasitzen
- Nachrichten
- E-Mails
- Verfolgen mit dem Auto
- Beschädigung von Eigentum
- Eindringen in die Wohnung
- Be-bzw. Abbestellungen
- Kontaktaufnahme über das Internet
- falsche Informationen im Internet u.a.
Wer stalkt? Wer ist betroffen?
In einer repräsentativen Studie von Dreßing et al. (2020) waren die Stalker in mehr als 80% Männer.
Der Hauptanteil aller untersuchten Stalkingfälle wurde durch Ex-Partner*innen (45,8%) begangen. Am Zweithäufigsten stammten sie aus dem Freundes- und Bekanntenkreis (20,8%); nur selten aus dem Arbeitsumfeld (4,2%) oder dem Familienkreis (4,2%)
(vgl. Dreßing 2020, 274).
- Früheres Stalkingverhalten
- Eifersüchtiges, manipulatives und besitzergreifendes Verhalten
- Persönlichkeitsmerkmale wie emotionale Impulsivität mit schnellem Wechsel zwischen Idealisierung und Entwertung und sozialer Unsicherheit mit Neigung zu exklusiver Beziehungsgestaltung
- Geringe Frustrationstoleranz, Überempfindlichkeit, exzessive Abhängigkeit (narzisstische Pathologie)
- Soziale Inkompetenz und Isolation
- Neigung zu aggressivem Verhalten
(Fegert, Allroggen et al. 2010, 26)
- Laut einer aktuellen Studie von Dreßing et al. (2020) sind Frauen (14,4%) mehr als doppelt so oft von Stalking betroffen als Männer (5,1%).
- Das Risiko, zumindest einmal im Leben von Stalking betroffen zu sein (Lebenszeitprävalenz) beträgt zw. 8 bis 25% (ebd., 272).
- Keine Bereitschaft, gerichtliche Schritte oder Therapie/Beratung in Anspruch zu nehmen
- Anhaltender Kontakt zu*r Stalker*in (z.B. Arbeitsplatz, gemeinsame Kinder, Freundeskreis)
- Kontaktaufnahme zu*r Stalker*in (Schuldgefühle, Wunsch zu klären)
- Haltung, sich allein wehren zu müssen oder große Scham, Hilfe aufzusuchen
(Fegert, Allroggen et al. 2010, 26)
Welche Auswirkungen und Gefahren sind mit Stalking verbunden?
- Das Risiko, durch Stalking an depressiven Störungen und posttraumatischen Belastungen zu erkranken, ist erhöht (zit. nach Dreßing 2020).
- Angst- und Depressionswerte sind signifikant erhöht und das Wohlbefinden signifikant erniedrigt (vgl. ebd.)
- Betroffene ziehen sich häufig zurück und nehmen nicht mehr selbstverständlich am gesellschaftlichen Leben teil. Es kann zu einem Verlust der Arbeitsfähigkeit, Krankschreibungen und zu Beziehungsproblemen kommen.
- Studierende, die im Uni-Kontext betroffen sind, meiden Seminare und Vorlesungen, leiden unter Ängsten, Schlafstörungen, Konzentrationsproblemen, Niedergeschlagenheit und erleben starke Einschränkungen ihrer Studierfähigkeit.
- Laut Studien eskaliert Stalking häufiger in körperliche und sexuelle Gewalt; seltener stellt Stalking ein Risikofaktor für Tötungsdelikte dar (zit. nach Dreßing 2020, 273).
- In der Studie von Dreßing (2020, 274) führte Stalking in 50% der Stalking-Fälle zu sexueller und/oder körperlicher Gewalt gegen die Betroffenen.
Wie können sich Betroffene verhalten?
Betroffene sollten sich Unterstützung suchen (s.u.) und können gleichzeitig die folgenden Anti-Stalkingregeln nutzen:
- Nur einmal, dafür aber unmissverständlich erklären, dass kein Kontakt gewünscht wird.
- Weitere Kontaktangebote absolut ignorieren.
- Öffentlichkeit herstellen, das heißt, Nachbar*innen, Kolleg*innen und Freund*innen informieren.
- Alle Vorkommnisse in einem Stalkingtagebuch dokumentieren.
- SMS und E-Mails nicht löschen, da sie Beweise sind.
- Bei Telefonterror die alte Telefonnummer nicht abmelden, sondern damit die Stalkinganrufe auf einem Anrufbeantworter aufzeichnen. Gespräche unter einer Geheimnummer entgegennehmen.
- Geschenke de*r Stalker*in nicht zurückschicken, sondern aufbewahren. Das Zurückschicken stellt bereits eine Kontaktaufnahme dar.
- Frühzeitig Kontakt mit der Polizei aufnehmen.
- Frühzeitig rechtlichen Rat bei einer spezialisierten Rechtsanwältin einholen.
(Dreßing 2020, 274)
- Anzeige erstatten
Welche Hilfen gibt es für Betroffene von Stalking?
- Seit 2007 können Stalker*innen gemäß §238 StGB („Nachstellung“) strafrechtlich verfolgt werden.
- Die Polizei bietet eine umfassende Beratung zum Thema Stalking und vermittelt weitere hilfreiche Anlaufstellen.
Der WEISSE RING unterstützt und berät Kriminalitätsopfer und stellt u.a. Gutscheine für anwaltliche und psychotraumatologische Erstberatungen aus und begleitet bei der Durchsetzung des Gewaltschutzgesetzes.
Das Frida Frauenzentrum bietet ein umfassendes Beratungsangebot für Betroffene, Angehörige und Muliplikator*innen, auch zum Thema Cyberstalking.
Das HILFETELEFON ist eine vom Bundesamt für Familie und zivilrechtliche Aufgaben finanzierte Beratungsstelle und berät Betroffene telefonisch und online.
Stop-Stalking ist eine Berliner Beratungsstelle und bietet Betroffenen umfassende kostenfreie Unterstützung.
Wenn Stalking im Uni-Kontext auftritt, kann auch die Frauenbeauftragte der HU zu Rate gezogen werden oder die Psychologische Beratung der HU.
Stalking löst bei den Betroffenen vielfach ein starkes Stresserleben, Hilflosigkeit und Ohnmacht aus. Häufig entwickeln sich daraus psychische Erkrankungen. Eine Psychotherapie kann deshalb angezeigt sein. Wir beraten Sie, ob eine Therapie und welche Methode für Sie sinnvoll sein kann.
Welche Hilfen gibt es für Stalker?
Eine erste kostenfreie Anlaufstelle könnte die Beratungsstelle Stop-Stalking in Berlin sein.
Meist ist Stalking nur ein Teil einer komplexeren psychologischen Problemlage. Daher kann auch eine Psychotherapie angeraten sein. Wenn Sie an der HU studieren, beraten wir Sie hinsichtlich möglicher Therapiemethoden.
Was ist wichtig zu wissen für Berater*innen?
Meist erscheinen Betroffene mit einem diffusen Beschwerdebild in der Beratung. An die Möglichkeit von Stalking sollte gedacht und dies erfragt werden.
- Liegt Stalking vor, sollte umfassend informiert werden. Die Berater*in steht nicht allein hinter der Klient*in. Die Polizei, Ärzt*innen, Psychotherapeut*innen und ggf. Anwält*innen können Unterstützung bieten.
- Multiplikator*innen können sich auch an das Frida-Frauenzentrum wenden.
Welche Faktoren sind wichtig für die Einschätzung des Gewaltrisikos?
Da Stalking häufig in Gewalt mündet, sollte eine dynamische Risikoabschätzung vorgenommen werden, d.h. die Risikofaktoren sollten fortwährend neu eingeschätzt werden. Wesentliche Risikofaktoren sind (vgl. Dreßing 2020, 273):
- Konkrete Suizidpläne de*r Stalker*in
- konkrete Tötungsphantasien
- „last resort thinking“ („Wenn ich sie nicht haben kann, soll auch kein anderer sie haben.“)
- psychopathische Persönlichkeitsmerkmale de*r Stalker*in
- frühere Gewalthandlungen der Stalker*in
- Beschädigung des Eigentums der Betroffenen
- Zugang zu Waffen
- Physische Annäherung („zur Rede stellen“, ins Haus eindringen)
- Impulsivität
- Geringe Frustrationstoleranz
- Substanzmissbrauch
Kritische Ereignisse, die eine Eskalation hervorrufen können, sollten bei der Einschätzung berücksichtigt werden, z.B. ein gerichtliches Annäherungsverbot oder das Verbot, die gemeinsamen Kinder zu sehen. Während dieser Maßnahmen kann es notwendig werden, besondere Schutzmaßnahmen für die Betroffenen einzuleiten. Beratend steht die Polizei zur Seite.
Stalker*innen handeln nach unterschiedlichen Motiven. Diese Unterscheidung kann helfen, das Gewaltrisiko einzuschätzen (Fegert, Allroggen et al. 2010, 26-27):
- Zurückgewiesene Stalker*innen handeln nach dem Motiv Liebe und Wut und wollen eine ehemalige intime Beziehung wiederherstellen. Das Gewaltrisiko ist hoch.
- Nach Liebe suchende Stalker*innen wollen eine Beziehung zu einem Traumpartner oder eine Traumpartnerin herstellen, zu dem es bisher nur flüchtige oder zufällige Kontakte gab. Häufig sind Prominente betroffen. Sofern die Stalker*in nicht akut psychotisch ist, besteht ein eher niedriges Gewaltrisiko.
- Sozial inkompetente Stalker*innen handeln aus einem Beziehungswunsch heraus, wissen aber nicht, wie soziale Annäherung gelingen kann. Gerichtliche Maßnahmen sind erfolgversprechend und das Stalking meist nur von kurzer Dauer. Das Gewaltrisiko ist eher niedrig.
- Rache suchende Stalker*innen wollen sich bei Personen rächen, von denen sie sich ungerecht behandelt fühlen. Dies geschieht meist im Beratungs- und Arbeitskontext (Therapie, ärztliche/anwaltliche Betreuung). Das Gewaltrisiko ist zwar niedrig, aber es finden sich viele Drohungen und eine hohe Belastung bei den Betroffenen.
- Beutelüsterne Stalker*innen werden durch einen geplanten sexuellen Übergriff motiviert. Das Gewaltrisiko ist hier sehr hoch.
Quellen: Dreßing, H. et al. (2020). Häufigkeit und Auswirkungen von Stalking. Eine Replikationsstudie. In: PP Deutsches Ärzteblatt, Ausgabe Juni 2020, Heft 6. Hrsg. Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung. Fegert, J.; Allroggen, M. et al. (2010). Amok. Gewalt. Suizid. Stalking. Wahrnehmung von und Umgang mit Gefährdungspotentialen in der Beratung von Studierenden. Eine praktische Orientierungshilfe für Beraterinnen und Berater. Süddeutsche Verlagsgesellschaft, Ulm.