Hannah Markus
Zusammenfassung der Magisterarbeit
Trotz des Stellenwerts, der Gedichtband wie Autor in der Literaturgeschichte der deutschen Nachkriegsliteratur ohne Zweifel zukommt, hat es die Literaturwissenschaft bisher versäumt, Thomas Braschs Lyrik als eigenständiges Phänomen zu behandeln. Dabei können durch eine genaue Analyse der Gedichte in ihrem Zusammenspiel als Zyklus wichtige Erkenntnisse über Braschs ästhetische Strategie gewonnen werden. Als Glücksumstand erwies es sich für diese Untersuchung, dass auch das im Thomas-Brasch-Archiv der Akademie der Künste nachgelassene Material (rund 500 zu großen Teilen unveröffentlichte Gedichte und Gedichtentwürfe) berücksichtigt werden konnte – Braschs Arbeitsweise steht nämlich offenbar in unmittelbarem Zusammenhang mit seinem Kunstverständnis, was die für diese Arbeit durchgeführten Fallstudien in Form von textgenetischenclose readings zu zentralen Texten des Bandes und die Analyse des zyklischen Zusammenspiels der Gedichte belegen.
Wie die von Brasch sorgsam erarbeitete Wechselbeziehung zwischen Form und Inhalt nahe legt, sind es gerade scheinbar konventionelle Gedichtformen, welche den zentralen Aussagen von „Der schöne 27. September“ Ausdruck verleihen: dem Leiden an der als katastrophal empfundenen gesellschaftlichen Gegenwart, die aus der Vergangenheit keine Lehren zieht und einer damit verbundenen resignativen Geschichtsauffassung, die eine Wiederkehr des ewig Gleichen erwartet. Aus ihr ergibt sichex negativo Braschs zentrale poetologische Forderung nach stetiger Veränderung. Braschs Plädoyer dafür, dass ein Künstler gerade das eigene Werk, die eigenen Ansichten immer wieder in Frage stellen muss, ist zugleich auch für seine eigene Arbeitsweise konstitutiv – dem im Gedichtband formulierten Kunstanspruch wird auf der Produktionsebene Rechnung getragen. Auffälligstes Charakteristikum von Braschs Schreibprozess ist die radikale Weiterentwicklung von Ideen und Formen, die nie zu einem Ende zu kommen scheint: Versatzstücke werden aus einem Gedicht in ein anderes montiert, abgeschlossen erscheinende Gedichte dienen als ‚Sprungbrett’ für neue, welche völlig andere Ideen in den Mittelpunkt stellen, und immer wieder verändert der Autor die Texte, zum Teil signifikant (mehrfach wechseln sogar die Gattungen), selbst noch nach der Veröffentlichung. Der Horror Braschs vor dem gesellschaftlichen Stillstand spiegelt sich also auch in seiner Abneigung gegen eineendgültige Textgestalt. Zugleich wollen Braschs Texte auch für den Rezipienten möglichst uneindeutig, nicht festlegbar bleiben: Die ästhetische Strategie des Autors in „Der schöne 27. September“, Gedichte durch das Zusammenspiel in andere Kontexte und zum Teil sogar in Frage zu stellen, ist ganz offensichtlich auf eine Verunsicherung der Leser ausgerichtet.
Lebenslauf
1986 - 1990 | Besuch der Grundschule Bovenden (Niedersachsen) |
1992 - 1999 | Besuch des Max Planck-Gymnasiums in Göttingen |
1997 | Besuch von Madras College in St. Andrews, Schottland |
1999 | Abitur am Max-Planck-Gymnasium in Göttingen |
WS 1999/2000 | Aufnahme des Magister-Studiums an der Humboldt-Universität zu Berlin: HF Theaterwissenschaft / Kulturelle Kommunikation, 1. NF Neuere deutsche Literatur, 2. NF Anglistik |
2001 | Wechsel zu: HF Neuere deutsche Literatur, 1. NF Theaterwissenschaft / Kulturelle Kommunikation, 2. NF Anglistik |
2002/2003 | Zwischenprüfungen in den genannten Fächern |
2003 - 2007 | Arbeit als studentische Hilfskraft am Institut für Deutsche Literatur bei Prof. Dr. Roland Berbig |
2006 - 2007 | Magisterabschlussprüfung im 1. NF Theaterwissenschaft / Kulturelle Kommunikation |
2006 - 2007 | Leitung des Projekttutoriums „Der Werkbegriff bei Ilse Aichinger“ am Institut für Deutsche Literatur |
Januar 2007 | Abgabe der Magisterarbeit im Fach Neuere deutsche Literatur |
Mai-Juli 2007 | Magisterabschlussprüfungen im HF Neuere deutsche Literatur und im 2. NF Anglistik |