Porträtreihe "Prominente Ehemalige"
Einige tausend Abiturienten entscheiden sich jährlich, ein Studium an der Humboldt-Universität zu Berlin aufzunehmen. Im Wintersemester 2019/2020 studieren hier etwa 36.000 junge Leute. Viele Studierende der vergangenen Jahrzehnte sind inzwischen keine Unbekannten im öffentlichen Leben. Die Palette der prominenten ehemaligen Student*innen und Absolvent*innen ist beschaulich: Die Politiker Wolfgang Thierse, Gregor Gysi, Regine Hildebrandt wie auch die ehemalige Präsidentin des Berliner Abgeordnetenhauses Hanna-Renate Laurien, der Jurist Ernst Benda und der ehemalige Berliner Bürgermeister Klaus Schütz haben hier studiert, ebenso der Kunstmäzen Heinz Berggruen, der Theatermann Frank Castorf, der Radiomacher Jürgen Kuttner, der Liedermacher und Dissident Wolf Biermann oder die Schauspielerin Christiane Paul.
Eine Porträtreihe beleuchtet und hinterfragt in Wort und Bild diesen Lebensabschnitt einzelner prominenter Absolvent*innen. Sie offeriert Erlebnisse, Erfahrungen und Hindernisse in jener Zeit ebenso wie gesellschaftliche Hintergründe und persönliche Befindlichkeiten. Einige dieser Interviews sind in einem Buch veröffentlicht.
Videos der Interviews
- Mitschnitte der Interviews (Youtube)
- Mitschnitte der Interviews (HU-Podcampus)
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Interviews in Text und Bild
„Meine Trauer ist tiefer als der Hass.“
Dr. Dr. h.c. Hans Keilson (1909-2011) war einer der Autoren, dessen Bücher von den Nationalsozialisten in Deutschland verboten wurden. Der jüdische Mediziner und Autor, der einst an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität studierte, emigrierte 1936 in die Niederlande, wo er bis zuletzt wohnte. Hans Keilson hatte ein knappes Jahrhundert deutscher Geschichte am eigenen Leib erlebt, in Deutschland und im Exil. Im November 2008 kehrte der 98-Jährige noch einmal an diese Universität zurück, wo er für sein Lebenswerk mit der Universitätsmedaille geehrt wurde.
„Jedes noch so kleine Wegstück spielt eine Rolle“
Heinz Berggruen (1914-2007) galt als einer der bekanntesten Kunstsammler Europas. 1932 begann er ein Studium an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, der heutigen Humboldt-Universität. Später emigrierte er nach Frankreich und in die Vereinigten Staaten. Während des Zweiten Weltkrieges kam er mit der US-Army nach Deutschland zurück. Berggruen war ein Freund Picassos. Seine berühmte Sammlung schenkte er dem Bund. Im Gespräch erzählte er über sein Leben und darüber, welche Bedeutung die Berliner Universität für ihn hatte.
„Ich habe diese außerordentliche Scheu mich aufzudrängen“
Prof. em. Dr. rer. nat., Dr. h. c. Günter Tembrock (1918-2011) war Verhaltensphysiologe und mehr als 70 Jahre Angehöriger der Humboldt-Universität zu Berlin. 1955 habilitierte er sich über das Verhalten von Füchsen. 1968 wurde er Direktor des Bereichs Verhaltensphysiologie und Zoologie. 1983 emeritiert, forscht Tembrock bis heute am Institut für Biologie der Humboldt-Universität. Populär wurde er unter anderem mit seiner Fernsehsendung "Rendezvous mit Tieren". Bis ins hohe Alter vermittelte er in der URANIA anschaulich wissenschaftliche Themen. Wir sprachen mit dem Zoologen über das Sammeln von Tierstimmen, die Verantwortung von Wissenschaft und das Wirken als Verhaltensforscher in drei Gesellschaftsordnungen.
„Die Sprache, die den Gedanken formt, muss uns erhalten bleiben“
Im Jahre 1951 war Rita Schober (1918-2012) als Assistentin von Victor Klemperer von der Universität Halle an die Humboldt-Universität nach Berlin gekommen. Sie wurde Dozentin und trat seine Nachfolge am Institut für Romanistik an. Als Professorin, Dekanin und Emeritierte war sie 38 Jahre der Humboldt-Universität verbunden. Sie brachte von 1952-76 das Hauptwerk Emile Zolas "Die Rougon-Macquart" in einer Gesamtausgabe heraus. Bis zuletzt studiert sie die französische Gegenwartsliteratur und publizierte darüber. Im Jahr 2008 feiert sie ihren 90. Geburtstag. Wir sprachen mit ihr über ein Leben für die Wissenschaft, Parteiversammlungen und den Ruf als schönste Frau der Universität.
„Ich dachte, Lehrer wird es immer geben“
Klaus Schütz (1926-2012) studierte von 1946 bis 1949 an der Humboldt-Universität Geschichtswissenschaften und Germanistik. Von 1967 bis 1977 war er Regierender Bürgermeister von Berlin, anschließend vier Jahre Botschafter in Israel.
„Wir waren froh, wenn wir satt wurden“
Über Jahrzehnte führte Robert Kiepert (1928-2017) in Berlin den gleichnamigen Familienbetrieb mit mehreren Buchhandlungen - für viele eine Institution in der Stadt. Kiepert schrieb sich 1948 an der Humboldt-Universität für ein Studium der Landwirtschaft ein. Nach vier Semestern verließ er aufgrund der politischen Entwicklungen die HU und studierte an der TU im Westteil Berlins weiter. Im Interview sprach er über sein Studium in der Nachkriegszeit – und den Nutzen der Landwirtschaft für den Buchhandel.
„Dienstleister der Tiergesundheit: Das war hervorragend!“
Helmut Recknagel (*1937) war der erste deutsche Olympiasieger (1960) und Weltmeister im Skispringen (1962). Von 1964 bis 1970 studierte Recknagel an der Humboldt-Universität Veterinärmedizin und promovierte dort 1973. 2007 erschien seine Autobiografie: Eine Frage der Haltung. Erinnerungen (Verlag das Neue Berlin).
„Ein hohes Maß an Begeisterung, an Kenntnissen und eine gewisse Begabung“
Prof. Dr. Dieter B. Herrmann (*1939) war Direktor der Archenhold-Sternwarte und des Zeiss-Großplanetariums Berlin. Er studierte von 1957-63 Physik an der Humboldt-Universität zu Berlin. Bekannt wurde er als Moderator der Wissenschaftssendung "AHA" des DDR-Fernsehens. Herrmann ist Autor von 29 Büchern, 150 wissenschaftlichen und 2000 populärwissenschaftliche Publikationen.
„Es war eine großartige Zeit für mich. Und ein Schock.“
Prof. Dr. Jens Reich (*1939) studierte von 1956 bis 1962 Medizin und Molekularbiologie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er war im September 1989 Mitbegründer der Bürgerbewegung Neues Forum. 1994 wurde Reich von den Grünen als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten nominiert. Wissenschaftlich beschäftigte er sich bis zu seiner Emeritierung 2004 mit der Genom-Forschung. Jens Reich ist Mitglied im Deutschen Ethikrat.
„Wenn einer eine Pfeife ist, eignet er sich nicht, dass sie ihn verehren“
Als erste prominente Ehemalige wurde die ehemalige Biologiestudentin und spätere Brandenburger Sozialministerin Regine Hildebrandt (1941-2001) interviewt. Wir sprachen im Sommer 2001, ein paar Monate vor ihrem Ableben, mit ihr über ihre Zeit in Biologie- und Politikseminaren, über die gesellschaftlichen Verhältnisse, Zivilcourage, ausgebliebene universitäre Zeremonien und die Familie.
„Wir waren ziemlich frei in dem, was wir gemacht haben“
Monika Maron (geb. 1941) studierte von 1962 bis 1966 Theaterwissenschaften und Kunstgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin. Wir sprachen mit ihr über ihre Zeit im Institut "unter dem Dach", die Studentenbühne und Repressalien nach ihrer Buchveröffentlichung in Westdeutschland.
„Es war schon eine turbulente Zeit“
Wolfgang Thierse (*1943) war von 1998 bis 2005 Präsident des Deutschen Bundestags. Mit 21 Jahren schrieb sich Wolfgang Thierse 1964 für die Fächer Germanistik und Kulturwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin ein. Ein Forschungsstudium an der Universität schloss sich an. Danach arbeitete er an der Sektion Ästhetik/ Kunstwissenschaften als wissenschaftlicher Assistent.
„Ich will da sein für die Menschen in ihrem Schmerz“
Michelle Bachelet (*1951) war 2006-2010 sowie von 2014 bis 2018 chilenische Staatspräsidentin und damit die erste Frau in diesem Amt. In Folge des Militärputsches ging sie 1975 ins Exil. Sie studierte von 1978 bis 1979 an der Humboldt-Universität Medizin. 1979 kam sie nach Chile zurück, schloss dort ihr Studium ab und arbeitete als Kinderärztin und Chirurgin. Im Interview spricht sie über ihre Zeit des Exils in der DDR, ihr Studium, über Solidarität und den Wert einer guten Bildung.
„Das hatte etwas Verwunschenes, Dornröschenmäßiges“
Frank Castorf (*1951 in Berlin) ist Regisseur und ehemaliger Intendant der Volksbühne Berlin. Sein Vater war Binnenhandelskaufmann, seine Mutter Modezeichnerin. Nach der Schule absolvierte er von 1969 bis 1970 eine Ausbildung zum Facharbeiter für Betriebs- und Verkehrswesen bei der Deutschen Reichsbahn. Nach dem Wehrdienst bei den Grenztruppen der NVA an der Westgrenze der DDR studierte er von 1971 bis 1976 Theaterwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin.
„Schwierigkeiten mit dem verordneten Denken“
Eugen Ruge (*1954 in Soswa/UdSSR) ist bekannt als Schriftsteller; er erhielt für seinen Roman „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ 2011 den Deutschen Buchpreis. Sein Vater Wolfgang Ruge war Historiker und unter Stalin als Zwangsarbeiter in ein Straflager in den Ural verbannt. Ruge kam mit zwei Jahren in die DDR und studierte von 1975 bis 1980 Mathematik, Ausbildungsrichtung Wahrscheinlichkeitsrechnung/Statistik, an der Humboldt-Universität zu Berlin.
„Ich war froh, in das eigentliche Leben einsteigen zu können“
PD Dr. Karin Büttner-Janz (*1952) ist Weltmeisterin, zweifache Olympiasiegerin, vierfache Europameisterin und 20-fache DDR-Meisterin im Turnen. Sie studierte von 1971 bis 1978 Humanmedizin an der Humboldt-Universität, promovierte und habilitierte hier und war bis 1990 an der Orthopädischen Klinik der Charité tätig. Wie sich das "zweite Leben" der Karin Janz nach dem Leistungssport entwickelte, erzählt sie im Interview.
„Diese gedankliche Schärfe habe ich da gelernt, bei unglaublich großartigen Lehrern“
Hans-Eckardt Wenzel (*1955) studierte von 1976 bis 1981 an der Humboldt-Universität zu Berlin Kulturwissenschaften und Ästhetik. Er ist Mitbegründer des „Liedertheater Karls Enkel“. Der heute freischaffende Autor, Sänger, Musiker, Schauspieler und Regisseur erarbeitete zusammen mit Steffen Mensching Bühnenprogramme, wie die Vor-, Wende- und Nach-Wendestücke „Neues aus der Da Da eR“ (1982), „Altes aus der Da Da eR“ (1989) und „Letztes aus der Da Da eR“. Er war im Herbst 1989 einer der Hauptverfasser der Resolution von Rockmusikern und Liedermachern, die Veränderungen in der DDR forderten.
„Guck an, das kann ja toll werden“
Jürgen Kuttner, Jahrgang 1958, ist bekannt als Gründer der Ost-TAZ und Moderator beim Jugendradiosender Fritz. Von 1980 bis 1985 studierte er an der Humboldt-Universität zu Berlin Kulturwissenschaften und promovierte zwei Jahre später zum Doktor der Philosophie. Wir wollten von ihm wissen, wie sehr ihn dieses Studium prägte.
„Es war zu spüren, dass Frechwerden geht“
Thomas Oberender, geboren 1966 in Jena, ist Autor, Dramaturg und Essayist. Er studierte von 1988 bis 1994 Theaterwissenschaften an der Humboldt-Universität, wo er 1999 promovierte. Er befasste sich wissenschaftlich mit Reflexionen über Schauspielkunst, Regie und Theater von Botho Strauß. Er arbeitete in Bochum und Zürich, war von 2006 bis 2011 Schauspieldirektor der Salzburger Festspiele und ist seit 2012 Intendant der Berliner Festspiele.
„Es fühlte sich richtig an“
Henning Harnisch, Jahrgang 1968, ist Vizepräsident des Basketballbundesligisten Alba Berlin. Er zählte von 1985 bis 1998 zu den besten deutschen Basketballern mit 171 Länderspielen. Neben neun deutschen Meisterschaften mit Bayer 04 Leverkusen und Alba Berlin war sein größter sportlicher Erfolg der Gewinn der Europameisterschaft 1993. Wegen seiner spektakulären Spielweise wurde er auch Flying Henning genannt. Harnisch stammt aus Marburg. Nach dem Profisport studierte er von 1998 bis 2004 Kulturwissenschaft an der Humboldt-Universität und Filmwissenschaft an der Freien Universität.
Das Buch zu den Interviews
Unter dem Titel "Dem späteren Wissen voraus. Prominente über ihre Studienzeit an der Humboldt-Universität zu Berlin" sind sieben der Interviews erstmals in einem Buch versammelt. Das Buch, herausgegeben von der Stabsstelle Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, ist im Panama-Verlag erschienen und im Buchhandel erhältlich.
Dem späteren Wissen voraus
Prominente über ihre Studienzeit an der Humboldt-Universität zu Berlin
Herausgegeben von der Stabsstelle Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Panama-Verlag, Berlin 2007
106 Seiten, Hardcover; 9,90 €
ISBN 978-3-938714-03-4
Das Projekt wird gefördert durch die Humboldt-Universitäts-Gesellschaft.