Humboldt-Universität zu Berlin

Die Kreuztragungsgruppe der Magdalenenkirche in Breslau (Wrocław)

Orsolya Borbála Szender hat an der Humboldt-Universität Kunst und Bildgeschichte studiert. Für ihre Masterarbeit wurde sie mit dem Humboldt-Preis 2016 ausgezeichnet.
Orsolya Borbála Szender

Abbildung: privat

Zusammenfassung

In meiner Masterarbeit habe ich eine kunsthistorisch bisher nur wenig bearbeitete, aus elf lebensgroßen Skulpturen bestehenden Kreuztragungsgruppe (datiert auf 1500), die heute aus ihrem ursprünglichen räumlichen Kontext herausgelöst im Nationalmuseum in Breslau (Wrocław) aufgestellt ist, einer umfassenden Analyse unterzogen und auf ihre religiöse Funktion der Passionsmeditation hin befragt. An diesem Beispiel konnte eine Methode entwickelt werden, die religionsgeschichtliche und kunsthistorische Ansätze kombiniert und die das Aufzeigen von Wechselwirkungen zwischen der Gestaltung der Skulpturen sowie deren ästhetischer Wahrnehmung bzw. deren religiösem Bildgebrauch ermöglichte.

Die Grundlage für die Analyse der Gruppe bildete eine detaillierte Beschreibung, die Bezüge zwischen den Einzelfiguren der Gruppe ebenso berücksichtigte, wie das Kommunikationspotenzial zwischen den Skulpturen und dem Betrachter. Mithilfe dieser Beschreibung erfolgte überhaupt erst die Rekonstruktion der Gruppe, die auch Änderungsvorschläge für die heutige museale Präsentation mit sich brachte.

Die Annäherung an die Passionsmeditation, die als wichtiger religiöser, funktionaler Bezugsrahmen der Gruppe angesprochen werden konnte, erfolgte aus zwei Richtungen: Einerseits wurde die Passionsmeditation als äußerst wichtige Form der Frömmigkeit im Rahmen der religiösen Bewegung der Devotio moderna bestimmt. Sie sorgte für die Verbreitung der Passionsmeditation in Kreisen eines Laienpublikums und trug zu einer Popularisierung dieser traditionsreichen religiösen Praxis bei. Andererseits wurden gestalterische Wirkungsfaktoren und religiöse Implikationen der einzelnen Figuren sowie der Gesamtgruppe untersucht und Wirkungsmechanismen der Gruppe beobachtet, die in vielerlei Hinsicht ebenfalls eine Deutung der Gruppe im Rückbezug auf die Passionsmeditation stützen. In methodischer Hinsicht erforderte diese Aufgabenstellung zum einen die Analyse diverser Gestaltungsmittel der Skulpturen, zum anderen die Auswertung religions- und frömmigkeitsgeschichtlicher Quellen sowie Forschungsliteratur aus der Theologie und der Geschichte.

Weitreichendes Ziel der Arbeit war es, am Beispiel meines Untersuchungsgegenstandes ein stabiles methodisches Gerüst zu schaffen, das für zahlreich vorhandene, vergleichbare Gruppen einen Zugang zu den heute verlorenen ursprünglichen religiösen Funktionsbestimmungen und Wirkungspotenzialen ermöglicht. In diesem Sinne lieferte die Arbeit thematisch einen grundlegenden Beitrag zur Bildpraxis des späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit und methodisch eine religionsgeschichtlich informierte Bildgeschichte für dieses Themenfeld.