„The Cultural Work of Algorithms: Digital Construction of Collective Memory on Facebook“
Lucy Viola Pagel studierte Amerikanistik und Medienwissenschaft an der Humboldt-Universität. Für ihre Bachelorarbeit wurde sie mit dem Humboldt-Preis 2018 ausgezeichnet.
Lucy Viola Pagel, Foto: privat
Zusammenfassung
Der immerwährende technologische Fortschritt von digitalen Medien zur Speicherung, Verarbeitung und Verbreitung von Information jeglicher Art verlangt eine ständige Kuration durch computergesteuerte Sortier- und Filteralgorithmen. In der Kultur- und Medienwissenschaft eröffnen sich damit neue Perspektiven für das Verständnis von sozialer Zugehörigkeit, Identität und Gedächtnis im vernetzten Raum. Die ubiquitäre Nutzung von sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter und YouTube verändert wie Informationen geteilt und rezipiert werden. Proprietäre Algorithmen der sozialen Plattformen erstellen, basierend auf Nutzerverhalten, eine individuelle und kohärente Chronik von Inhalten für jeden Nutzer.
In dieser Arbeit habe ich anhand einer exemplarischen Studie des Facebook “News Feed” die Implikationen dieser algorithmisch-generierten Realitätsdarstellung auf das kulturelle und kollektive Gedächtnis herausgearbeitet. Zu diesem Zweck habe ich die Nachrichtenverbreitung auf Facebook durch den Algorithmus “EdgeRank” im Kontext des “fake news” Skandals während der US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen von 2016 unter den Gesichtspunkten der kulturellen Gedächtnistheorie sowie Medientheorie analysiert um ein Verständnis für das kollektive Gedächtnis im digitalen Zeitalter zu formulieren.
Anhand der Untersuchung von Falschmeldungen, die durch Facebook’s EdgeRank eine ungeahnte Reichweite erzielten, wird das immense Einflusspotential von algorithmischer Informationsverarbeitung auf die kollektive Wahrnehmung von Realität beleuchtet. Durch die undurchsichtige Wechselwirkung zwischen Nutzer und Algorithmussystem entstehen pseudolegitimierte “Echokammern”, die sich innerlich selbst reproduzieren und dadurch weiter voneinander abgetrennt werden. Daraus manifestiert sich auch außerhalb des digitalen Raums der sozialen Netzwerke, ein verzerrtes kollektives Verständnis von Sachverhalten und Begebenheiten. Diese digitale Konstruktion eines kuratierten Archivs von Informationsknoten ist ein andauernder Prozess, der das Konzept des kollektiven Gedächtnisses verändert und um das digitale Gedächtnis erweitert. Dieses Verständnis von Algorithmen als Informationsverwalter und -filter wird in dieser Arbeit herausgestellt und als interdisziplinäres Konzept in der Kultur- und Medienwissenschaft verortet.