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Essays on the Economics of Structural Change. Evidence from the Division and Reunification of Germany

Dr. rer. pol. Hannah Liepmann hat an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität promoviert. Für ihre Dissertation wurde sie mit dem Humboldt-Preis 2019 ausgezeichnet.

Zusammenfassung

Im Kontext der Teilung und Wiedervereinigung Deutschlands untersuche ich in meiner Dissertation den kausalen Einfluss ausgewählter ökonomischer Faktoren auf sozio-ökonomische Ergebnisse.

Der erste Artikel der kumulativen Dissertation wurde von mir alleine verfasst und in der Zeitschrift Labour Economics veröffentlicht. Er behandelt den historisch einmaligen Einbruch der ostdeutschen Geburtenrate nach 1989. Da dieser mit ökonomischer Unsicherheit erklärt wird, analysiere ich den Einfluss der beruflichen Situation ostdeutscher Frauen auf Fertilitäts-Entscheidungen. Panel-Daten der deutschen Sozialversicherung erlauben es mir, Fertilität über 17 Jahre zu verfolgen. Als methodische Innovation verknüpfe ich meine Analyse zudem mit der industriellen Restrukturierung Ostdeutschlands: einige Industriezweige wurden härter von der Marktwirtschaft getroffen als andere. Diese Variation ist für meine Analyse ideal, da sie unerwartet, exogen und permanent die berufliche Situation von Frauen prägte; je nachdem, wo sie zuvor tätig waren. Dies nutze ich aus, um den Einfluss der Arbeitsmarktsituation auf Fertilitäts-Entscheidungen zu isolieren. Überraschend zeigt sich, dass Frauen, die stärker vom negativen Arbeitsnachfrage-Schock betroffen waren, in den 1990ern relativ mehr Kinder bekommen haben als jene Frauen, die weniger stark betroffen waren. Der Schock hat also nicht nur die Geburtenrate insgesamt gesenkt, sondern auch die Zusammensetzung der Mütter geprägt. Ich argumentiere, dass Frauen mit relativ besseren Jobs diese in Zeiten großer Unsicherheit nicht riskieren wollten und daher relativ weniger Kinder bekommen haben. Dies unterstreicht die besondere Wichtigkeit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in ökonomisch prekären Zeiten.

Im zweiten Artikel untersuchen Sandra E. Black (Columbia University), Camille Remigereau, Alexandra Spitz-Oener (beide Humboldt-Universität Berlin) und ich den Einfluss staatlicher Hilfen auf den späteren ökonomischen Erfolg junger Flüchtlinge. Wir untersuchen dies anhand von Ostdeutschen, die von 1946 bis 1961 nach Westdeutschland geflohen sind. Nur als solche eingestufte „politische Flüchtlinge“ hatten ab 1953 Anspruch auf Flüchtlingshilfen. Dieser historische Umstand und Mikrozensus Daten erlauben uns die Verwendung statistischer Methoden, die von Selektions-Effekten abstrahieren. Wir finden positive Effekte der Hilfen auf die Bildung, Jobs und das Einkommen von Personen, die als junge Erwachsene flohen. Da diese Gruppe zwischen dem schnellen Berufseinstieg und einer vertiefenden Ausbildung wählen musste, hatten staatliche Hilfen für sie einen hier erstmals nachgewiesenen, entscheidenden Einfluss. Das Ergebnis ist somit auch für die aktuelle Integration von Flüchtlingen relevant.

Der letzte Artikel, gemeinsam mit Dana Müller (IAB Nürnberg) verfasst, entstand im Rahmen einer Kooperation zwischen der Humboldt-Universität, dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und dem Bundesarchiv. Er präsentiert Ergebnisse eines Projektes, das partiell die Lücke schließt, die derzeit für Ostdeutsche in den Sozialversicherungsdaten existiert. Durch die Verknüpfung letzterer mit dem „Datenspeicher Gesellschaftliches Arbeitsvermögen“ der DDR haben wir einen neuen Datensatz geschaffen, der dazu beitragen kann, existierendes Wissen über die individuellen Arbeitsmarktkonsequenzen des Mauerfalls zu erweitern.

Zusammengefasst wende ich quantitative Methoden der Arbeitsökonomik auf Themen der deutschen Teilung und Wiedervereinigung an. Die besondere Phase strukturellen Wandels ermöglicht es, ausgewählte kausale Zusammenhänge zwischen ökonomischen Faktoren und sozio-ökonomischen Ergebnissen aufzudecken.