„Die strafrechliche Verantwortlichkeit der Organmitglieder mit Kontrollbefugnissen einer Aktiengesellschaft “
Für seine Dissertation der Juristischen Fakultät erhielt Dr. Alexander Mezari, LL.M. den Humboldt-Preis 2022.
Angesichts gravierender Unternehmenskrisen und Skandale, die für das Unternehmen, seine Kunden, Mitarbeiter und ggf. die Gesellschaft grundlegende Folgen haben können, stellt sich in der Praxis immer wieder die Frage, ob auch die Mitglieder des Aufsichtsrats, also des Überwachungsorgans, einer Aktiengesellschaft ihre Pflichten verletzt haben. Dabei ist zu beachten, dass die Bedeutung und die Aufgaben des Aufsichtsrats in den letzten Jahren vor dem Hintergrund zahlreicher Gesetzesreformen und der BGH-Rechtsprechung enorm zugenommen haben. Hiermit sind allerdings stärkere Haftungsrisiken für seine Mitglieder verbunden, insbesondere bei einer Verletzung der Überwachungspflicht oder, wenn der Aufsichtsrat eigene, unternehmerische Entscheidungen trifft, z.B. bei einer pflichtwidrigen Festsetzung der Vorstandsvergütung.
In der Arbeit werden die Voraussetzungen und Grenzen der strafrechtlichen Verantwortung von Aufsichtsratsmitgliedern umfassend analysiert und dabei die neueren, praxisrelevanten Entwicklungen im Bereich der Untreue-, der Unterlassungsdogmatik und des Nebenstrafrechts berücksichtigt. Die Arbeit nimmt zudem rechtsvergleichende Aspekte in den Blick. Anders als in Deutschland, wo bei Aktiengesellschaften ein Leitungsorgan (Vorstand) und ein getrenntes Überwachungsorgan (Aufsichtsrat) vorgesehen sind (sog. Two-Tier Corporate Governance-System), gilt in vielen Ländern (etwa in Großbritannien, in der Schweiz und in Griechenland) das sog. One-Tier Corporate Governance-System, wonach ein einheitliches Verwaltungsorgan (Board bzw. Verwaltungsrat) besteht, das sich allerdings aus geschäftsführenden und nicht geschäftsführenden Mitgliedern zusammensetzt. In der Arbeit wird die Strafbarkeit der Aufsichtsratsmitglieder einer deutschen Aktiengesellschaft mit der Strafbarkeit der vorrangig überwachungsverantwortlichen, nicht geschäftsführenden Verwaltungsratsmitglieder einer nach dem monistischen Modell organisierten Aktiengesellschaft – am Beispiel Griechenlands – verglichen.
Anschließend wird das Verhältnis der Corporate-Governance-Systeme (Konvergenz und Unterschiede) zueinander rechtsvergleichend dargestellt und die Rolle des Strafrechts hervorgehoben. Hierbei wird aufgezeigt, dass sich auch im Bereich der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Organmitglieder mit Kontrollbefugnissen einer Aktiengesellschaft allgemeine Grundsätze und Entwicklungslinien formulieren lassen. Eine strafrechtliche Verantwortlichkeit steht heute keinesfalls mehr „nur auf dem Papier“. Sie darf aber nur dann in Betracht kommen, wenn ein eindeutiges, schwerwiegendes Fehlverhalten der Organmitglieder vorliegt.
Autor: Dr. Alexander Mezari, LL.M.