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Die Berliner Kriminalpolizei in den Jahren 1925 bis 1937 - Eine rechtshistorische Untersuchung der Wechselwirkung zwischen Polizei, Strafrecht und Kriminalpolizeipraxis

Für seine Dissertation an der juristischen Fakultät wurde Nils Alexander Hauser mit dem Sonderpreis für Forschung zu Judentum und Antisemitismus ausgezeichnet

Anhand von Archiv- und zeitgenössischen Literaturquellen analysiert Nils Hauser die janusköpfige Aufgabenstellung der Kriminalpolizei zwischen Justiz und Polizei. Nach einem rechtshistorischen Überblick über die Entstehung von Polizei und Kriminalpolizei wendet er sich den (kriminal-)polizeilichen Rechtsgrundlagen zu. Sodann untersucht er den Aufbau und die personelle Zusammensetzung der Berliner Kriminalpolizei im betrachteten Zeitraum und insbesondere die personellen Veränderungen durch „Preußenschlag“ und „Machtergreifung“. Abschließend betrachtet er die sich wandelnde Kriminalpolizeipraxis, insbesondere die Verfolgung von „Berufsverbrechern“, „Asozialen“ und Juden sowie die Entstehung einer polizeilichen Justiz.

Jene Sichtung der archivalisch überlieferten Ermittlungsakten und behördeninternen Kommunikation zeigt auf, dass die Kriminalpolizei bereits zu Weimarer Zeiten abseits der Strafverfolgung kriminalitätsverwaltend tätig war. Nach Machtantritt wurde diese präventive Tätigkeit mit den Erlassen zur polizeilichen Vorbeugungshaft und planmäßigen Überwachung ausgebaut. Die intendierte Prävention verkehrte sich jedoch in ein eigenständiges Polizeistrafrecht. Überdies entwickelten die Kriminalbeamten, abgeleitet aus der Befähigung zur planmäßigen Überwachung der „Berufsverbrecher“, die Überzeugung, für die Überwachung aller Vorbestrafter zuständig zu sein. Oberstes kriminalpolitisches Ziel wurde der „Rassenschutz nach außen und innen“ gegen zuvorderst Juden und „Berufsverbrecher“, wobei Juden, die ins Raster der Kriminalpolizei gerieten, eine Nähe zu „Berufsverbrechern“ und „Asozialen“ unterstellt wurde.

Die Verfolgung der „Rassedelikte“ nach dem „Blutschutzgesetz“ übernahm die Kriminalgruppe M unter Leitung des bis heute als demokratisch und den Nationalsozialisten gegenüber abgewandt rezipierten Ernst Gennat. Seine Polizeikarriere in Kaiserreich und Republik setzte er bis zu seinem Tod 1939 unbeirrt fort. Die Vorwirkung der Ermittlungsverfahren wegen „Rassedelikten“ war gravierender als jede Verurteilung. Insbesondere für die – pro forma straffreien – Jüdinnen bargen sie die Gefahr der Deportation ins Konzentrationslager.

Der nationalsozialistische Antisemitismus durchdrang, wie die Untersuchung anhand der erstmals gesichteten Tagebücher der Reviere Marienfelde und Kreuzberg aufzeigen kann, auch den größtenteils profanen Alltag des Revierbeamten. Politische Delikte wurden umgehend an die Gestapo gemeldet, Juden – selbst als Opfer von Straftaten – mit rotem „J“ gekennzeichnet. Ab Mitte 1937 begann die Berliner Kriminalpolizei mit der systematischen Erfassung aller „Viertel-, Halb- und Volljuden“ und schuf damit eine Grundlage für die Deportation und Ermordung der jüdischen Bevölkerung Berlins ab Oktober 1941.

All dies stieß nicht auf nennenswerten Widerstand. Im Führungspersonal der Kriminalpolizei kam es nach Machtantritt zu einigen Entlassungen, überwiegend herrschte jedoch, wie im Falle Gennats, personelle Kontinuität.