Humboldt-Universität zu Berlin

Selbstwert

Selbstwert, Selbstwertgefühl, Selbstwertstreben, Selbstbewusstsein – dies sind weitreichende Begriffe, die wir hier nicht in Gänze erklären und erläutern können. Aber wir wollen Ihnen einen Einblick in typische Fragestellungen Studierender im Beratungskontext geben sowie in die daraus entstehenden gemeinsamen Reflexionen.

 

Willst du dich deines Wertes freuen, musst der Welt du Wert verleihen. (Goethe 1827, Gedichte. Ausgabe letzter Hand)

 

Welche Begriffe sind für das Verstehen des Selbstwertes wichtig?

Selbst
  • Der Begriff „Selbst“ steht in der Tradition der Aufklärung. Durch Vernunft und Erkenntnis soll versucht werden zu erfassen, was der Mensch ist. Gibt es das Selbst überhaupt? Ist es ein abgekapseltes Ding in uns und von Anfang an vorhanden? Gibt es ein „wahres Selbst“ (Karen Horney)? Kommt der Mensch als „Tabula rasa“ auf die Welt (John Locke) und erwirbt ein Selbst durch Sinneseindrücke (David Hume)?
  • In der Psychotherapie verstehen wir unter „Selbst“ einen reflexiven Persönlichkeitsanteil i.S. von: Das handelnde Ich schaut in den Spiegel und erkennt sich selbst. Wir haben also die Fähigkeit, uns selbst und unsere Handlungen zu reflektieren.
  • Das Selbst enthält demnach unsere Vorstellungen über uns selbst und die Welt, die Menschen um uns herum. Diese Vorstellungen werden auch als Selbst- und Objektrepräsentanzen bezeichnet (Edith Jacobson). Sie sind keine 1:1 Abbildung dessen, was wir erlebt haben, sondern ein kreativer Akt unserer Psyche.
  • Das Selbst entsteht durch einen Austausch mit der Umwelt. Eine erste Vorstellung darüber, wer wir sind, erhalten wir von wichtigen Bezugspersonen. Mit zunehmender kognitiver und körperlicher Reifung erleben wir uns als Handelnde und bilden auf dieser Basis selbst Vorstellungen darüber aus, wer wir sind.
Wert
  • Werte sind regulative Ideen (Immanuel Kant), die uns eine Richtung vorgeben. Wir messen uns an ihnen ebenso wie unsere Taten und Leistungen: Wir be-Wert-en.
  • Es gibt unterschiedliche Auffassungen darüber, ob Werte schon immer da sind und wir sie nur ergreifen müssen (Nicolai Hartmann) oder sie kulturell und gesellschaftlich bedingt sind (Friedrich Nietzsche).
Streben
  • Wir alle kennen den Begriff „Streber*in“, der eher mit negativen Assoziationen verbunden ist. In der Individualpsychologie (Alfred Adler) wird „Streben“ positiv und in einem humanistischen Sinne verstanden: Eine Person, die strebt, richtet ihr Leben (bewusst oder unbewusst) auf ein Ziel hin aus und lebt in die Zukunft hinein.
  • Anders formuliert: Sie haftet nicht nur an der Vergangenheit oder lebt nur im Moment. In der Individualpsychologie kann das Streben also ein Akt der Freiheit und Gestaltung sein.
Selbstwert
  • Selbstwert ist der Wert, den wir uns und unseren Taten beimessen. Er gibt Auskunft darüber, ob wir unseren Werten, eben jenen regulativen Ideen, gerecht geworden sind.
  • Schwankungen im Selbstwert können anzeigen, dass wir unseren eigenen Anspruch nicht erfüllen konnten oder aber auch, dass unsere Werte, gemessen an unseren aktuellen Taten, Fähigkeiten und Ressourcen, (noch) nicht erreichbar sind. 
  • Eine häufige Schwierigkeit bei Selbstwertproblemen ist, dass die betroffene Person den angestrebten Wert nicht mehr als Richtung oder Orientierung erlebt, d.h. also als etwas, auf das man sich zubewegt, sondern als Ziel, das es zu erreichen gilt. Das verursacht oft einen überhöhten Anspruch. Vergleichbar wäre dies, wenn sich die Navigatorin eines Schiffs nicht mehr nur am Polarstern orientiert, sondern ihn selbst erreichen will.
  • In der psychologischen Forschung wird der Selbstwert zum einen als ein Zustand untersucht und zum anderen als Persönlichkeitsmerkmal. So kann es sein, dass unser Selbstwert über mehrere Jahre hin gesehen, stabil ist, aber in bestimmten Situationen auch schwanken kann, z.B. in Prüfungssituationen.
  • In der Alltagssprache werden häufig auch Synonyme für den Begriff „Selbstwert“ verwendet, z.B. Selbstvertrauen, Selbstbewusstsein, Selbstachtung und Selbstwertschätzung.
Selbstwertstreben
  • Das Streben nach Selbstwert ist ein grundlegender menschlicher Antrieb. Es beschreibt die Beziehung, in der wir zu uns selbst stehen. Dabei orientieren wir uns an bestimmten Werten und streben dabei nach Stabilisierung und Steigerung unseres Selbstwerts und nach Selbstentfaltung. (vgl. Kaminski 2014)
  • Wenn wir nach Selbstwert streben, dann richten wir unseren Blick in die Zukunft, in der wir einer Idee gerecht geworden sein wollen. Dies gelingt über Taten. Wir wollen uns als Jemand erleben, den wir uns so oder so vorgestellt haben, je nach Wahl dessen, was uns wichtig ist.
  • Können wir unser Selbst, unsere Taten mit einem Wert in Übereinstimmung bringen, dann empfinden wir Freude und Genugtuung ebenso wie ein Gefühl der Kontrolle, Stimmigkeit und Kompetenz. Gelingt uns das nicht, empfinden wir Spannung, Unlust, Unzufriedenheit bis hin zu Scham und Angst. Eine zu starke Diskrepanz zwischen "So bin ich" (gespiegelt durch meinen Taten) und "So will ich sein" (gespiegelt durch meine Vorstellungen) stellt unsere Identität in Frage. Nicht zu wissen, wer man ist oder nicht die Person zu sein, die man sich vorstellt hat, kann Angst machen.

 

Wie entsteht Selbstwert?

Positive Bezugsperson
  • Eine positive Bezugsperson stellt einen starken Schutzfaktor dar und kann die Selbstwertentwicklung enorm fördern. Gute Beziehungen helfen uns eine realistische Wahrnehmung von uns selbst und der Welt zu entwickeln und uns selbst zu steuern, Probleme zu lösen, Stress zu bewältigen und soziale Kompetenz aufzubauen.
Beziehungsfähigkeit
  • Beziehungsfähigkeit meint die bewusste Gestaltung von Beziehungen: Beziehungen zu anderen Menschen aufzunehmen, zu halten und zu lösen. Dies fördert Empathie, Kooperationsbereitschaft aber auch Abgrenzung und beugt Vereinsamung und Angst vor.
  • Im Austausch mit anderen können wir uns selbst erkennen. Hilfreiche und Selbstwert-fördernde Beziehungen werden uns ermutigen, unseren geistigen Horizont zu öffnen, Neues zu wagen, uns mit der Welt zu verbinden, Mitgefühl zu empfinden und unsere Fähigkeiten zu entwickeln.    
Gefühlsentwicklung
  • Selbstwert entsteht durch die Fähigkeit, Gefühle zu empfinden, wahrzunehmen und zu kommunizieren. Auch hierzu brauchen wir unsere Mitmenschen und zumindest ein liebevolles Gegenüber, das uns diesbezüglich fördert.
Lebensmut und Lebensstil
  • Wir brauchen Mut, Zuversicht und Hoffnung, also eine positive und förderliche Stimmungslage, um uns dem Leben und seinen Aufgaben zu stellen. Dieser Lebensmut ist meist das Ergebnis von Verbundenheit mit Menschen und kulturellen Leistungen. Trennendes, negative Affekte, wie Hass und Wut, Entwertung und übermäßige Kritik führen eher zur Vereinsamung und Verunsicherung.
  • Laut der Stoiker und der Epikureer wird der Lebensgenuss durch zwei Defizite gemindert: (1) die mangelnde Beherrschung der Affekte und (2) durch die Tendenz, statt im gegenwärtigen Augenblick, eher mit vergangenen oder zukünftigen Dingen beschäftigt zu sein. Sie übten sich außerdem in der Kunst, Extreme zu vermeiden. Weder übermäßige Euphorie noch Verzweiflung oder Leidenschaften sollten ausgelebt werden. Es galt sich zu mäßigen und ein Gleichgewicht zu finden, das sie ataraxia nannten. (vgl. Bakewell 2019) Dieser Lebensstil kann zur Stabilisierung des Selbstwertes beitragen und schafft die Ruhe und Energie, die zur Selbstentfaltung notwendig sind.
Humanismus
  • Humanistisch geprägte Werte bauen eine Verbindung zum Mitmenschen auf und fördern das Gemeinschaftsgefühl. Hierin liegt das Potential für eine Selbstwertsteigerung. 
Kulturleistungen
  • Kulturleistungen aufzunehmen und zu reflektieren, sich zu ihnen zu positionieren, erweitert zum einen den geistigen Horizont und ermöglicht zum anderen ein breites Feld von Identifizierungspotential.
  • Die Dynamik von Identifizierung ("So will ich auch sein") und Distanzierung ("So will ich nicht sein") stärkt die Vorstellungen davon, wer wir sind und sein wollen und die bewusste Gestaltung unseres Selbst. Hilfreich hierbei sind Vorbilder und vor allem die Lektüre von Biographien.

 

Wie zeigt sich ein stabiler Selbstwert?

Balance zwischen Aktivität und Muße
  • Ein stabiler Selbstwert entsteht durch Tun. Lob durch andere kann nur einen kurzfristigen Effekt haben, doch kompetent erleben wir uns erst im Handeln. Erst dann können wir zudem erkennen, wer wir sind.
  • Menschen mit stabilem Selbstwert sind aktiv und packen ihre Aufgaben an, können sich aber auch Ruhe und Entspannung gönnen. Sie wissen, dass sie Kraft brauchen, um aktiv zu sein. Die Dynamik von Aktivität vs. Passivität, von Tun vs. Muße löst keine Unruhe aus, sondern wird als Möglichkeit genutzt, sich in verschiedenen Stadien zu erleben und Genuss dabei zu empfinden.
Balance zwischen Selbstbewahrung und Selbstaufgabe
  • Beziehungen zu gestalten und zu regulieren ist für die meisten eine Herausforderung, denn es gilt die eigenen Wünsche und Bedürfnisse in Kooperation mit einem Gegenüber umzusetzen und sich auf dessen Bedürfnisse einzustellen. Zwei (oder mehr) "Welten" treffen aufeinander und müssen sich verständigen und im besten Falle verstehen.
  • Menschen mit stabilem Selbstwert können Beziehungen aufbauen und über eine längere Zeit halten, Nähe und Distanz so regulieren, dass die eigenen Bedürfnisse und jene des Gegenübers berücksichtigt werden und sie haben eine gute Balance erreicht zwischen Selbstbewahrung (i.S. von „für sich selbst“) und Selbstaufgabe (i.S. von „für andere“).
Kommunikation nach Außen und nach Innen 
  • Wir kommunizieren ständig mit anderen und erhalten ständig Rückmeldung, die uns Aspekte unseres Selbst spiegelt bzw. uns Auskunft über unser Gegenüber gibt. Menschen mit stabilem Selbstwert können nicht nur kommunizieren, sondern auch zuhören und die Perspektive des Gegenüber einnehmen. Eine andere Position wird sie nicht sonderlich beunruhigen. 
  • Neben der Kommunikation nach Außen gibt es aber auch eine Kommunikation nach Innen. Es ist der innere Dialog, den wir mit uns selbst führen können. Sie können sich fragen: Kann ich diesen Dialog mit mir führen? Wie spreche ich eigentlich mit mir? Menschen mit stabilem Selbstwert praktizieren einen eher liebevollen, gelassenen Umgang mit sich. Sie haben Kontakt zu ihrer Innenwelt, zu ihren Bedürfnissen und Wünschen als auch eine Vorstellung darüber, wer sie sind, was sie können und wo ihre Grenzen liegen.
Gelassenheit bei Differenz 
  • Konfliktfähigkeit und Spannungstoleranz zeigen an, ob der Selbstwert stabil ist. Konflikte können Angst und Unsicherheit auslösen, denn sie verdeutlichen die Kluft zwischen einem selbst und einem Gegenüber, zwischen dem eigenen Sein und dem eines Anderen.
  • Es ist ein Erleben von Differenz und Anderssein, was an unsere existenzielle Einsamkeit (Irvin Yalom) erinnern kann. Jedoch das Wissen darum, dass wir alle mit ähnlichen existenziellen Fragestellungen im Leben zu tun haben, kann die Gelassenheit auslösen, die wir brauchen, um diese Kluft mental zu überwinden.
Arbeiten und Lieben können
  • Arbeitsfähigkeit war neben Liebesfähigkeit ein wesentliches Merkmal für geistige Gesundheit, das Sigmund Freud beschrieben hat.
  • Arbeitsfähigkeit im Studium meint Studierfähigkeit. Wie können Sie die Herausforderungen eines Studiums bewältigen? Studieren Sie das richtige Fach? Können Sie auch schwierige Aufgaben im Studium angehen?
  • Schwierige Aufgaben im Studium werden von Studierenden mit stabilem Selbstwert eher als Herausforderung als als Affront, Überwältigung oder Zumutung interpretiert. Scheitern wird als Möglichkeit in Betracht gezogen und als Erfahrung für den weiteren Weg genutzt.
  • Lieben können kann sich in allen Bereichen des Lebens zeigen: einen Menschen lieben und fördern, ein Fach lieben und darin Kompetenz erlangen, eine Sache oder Aufgabe lieben und darin wirken.
  • Wer liebt, geht Risiken ein und die sind oft nur mit einem stabilen Selbstwert zu ertragen. Liebe bedeutet Öffnung hin zur Welt; ein "Sich-in-die-Welt-Hineinwerfen" ohne Garantien. Angst hingegen löst den Wunsch nach Schutz aus und führt eher zur Verschlossenheit oder zu Feindseligkeit. 
Gemeinschaftsgefühl
  • Gemeinschaftsgefühl (Alfred Adler) meint nicht nur Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft, sondern auch Sozialinteresse, Entwicklungsbereitschaft und das Vorhandensein von verbindenden Gefühlen statt trennenden Affekten.
  • Nach Adler heißt es: „Mit den Augen des anderen sehen, mit den Ohren des anderen hören und mit dem Herzen des anderen fühlen.“ (Alfred Adler „Individualpsychologie in der Schule“ von 1929). Er meint ein „Mitsein“, Mitgefühl, Solidarität, Verstehen auf der Basis einer Gleichwertigkeit aller Menschen.
Unterscheidungsfähigkeit
  • Nicht alles sollte vorbehaltlos angenommen, nicht jeder Konflikt glattgebügelt werden. Das Erkennen und Unterscheiden von förderlichen und repressiven Elementen in der Gesellschaft ist wichtig für eine emanzipatorische Selbstentwicklung. Menschen mit stabilem Selbstwert passen sich nicht einfach an, sondern sie überprüfen. Sie können wertschätzen und konstruktiv kritisieren.

 

Wie zeigt sich ein fragiler Selbstwert?

Angst und Aggression
  • Angst und Aggression sind zwei Seiten einer Medaille und zentrale Indikatoren für einen fragilen Selbstwert. Übermäßige Angst führt zu Rückzug und zur Vermeidung. Übermäßige Aggression ist ein trennender Affekt und führt zur Distanz. Wachstum und positive Erfahrungen im mitmenschlichen Kontext sind in diesem verschlossenen Seinszustand kaum möglich. Oft steht der Wunsch nach Schutz eines fragilen Selbst dahinter. 
  • Eine hohe Meinung von sich in Kombination mit Angst davor, erniedrigt zu werden, schafft außerdem Feindseligkeit, d.h. also auch ein vermeintlich hoher Selbstwert in Kombination mit Fragilität, fehlender Spannungstoleranz und leichter Kränkbarkeit schafft Aggression.
Hemmung
  • Ein gehemmtes Streben nach Selbstwert kann als „Werdenshemmung“ (Victor-Emil v. Gebsattel) bezeichnet werden. Unser Selbst ist nicht gegeben wie unser Körper. Es muss entwickelt und entfaltet werden.
  • Diese „Selbstauszeugung der Person“ (s.o.) ist ein aktives Gestalten durch Entscheidungen, die Übernahme von Verantwortung und durch die Orientierung an und die Auseinandersetzung mit Idealen, Werten und humanistischen Richtbildern. Diese Werdensbewegung ist nie abgeschlossen.
Selbstüberschätzung
  • Menschen neigen zur Selbstüberschätzung, was in der Psychologie als „selbstwertdienliche Verzerrung“ bezeichnet wird. Dementsprechend können Prüfungssituationen Krisen auslösen, denn sie konfrontieren uns mit der Realität und unseren Grenzen.
Abwendung und Kritiklosigkeit
  • Selbstwerdung erscheint undenkbar in der Abwendung von der Kultur, in einer fraglosen, in Konformismus mündende Assimiliation. Eine differenzierte Kulturkritik in einem humanen Sinne ist eine Säule der Selbstentwicklung. (vgl. Kaminski 2014)

 

Wie kann ich meinen Selbstwert fördern?

Sich an Werten orientieren und Vorbilder nutzen
  • Werte entstehen vor dem Hintergrund eines kulturellen und sozialen Kontexts und können je nach Situation unterschiedliches bedeuten und von unterschiedlicher Wichtigkeit sein. Dadurch sind sie relativierbar und verhandelbar. Eine Wertorientierung ist dennoch notwendig, denn sie geben uns eine Richtung, an der wir uns orientieren können. (vgl. Kaminski 2014)
  • Hilfreich wäre eine Antwort auf folgende Fragen zu finden: (1) Was ist mir wichtig und warum? (2) Welche Werte stehen hinter meinen Wünschen? (3) Wie kann ich meine Werte realisieren? (4) Wenn ich mich selbst fünf/zehn/fünfzehn Jahre in die Zukunft projiziere und zurückschaue, was möchte ich getan oder realisiert haben? Lassen Sie sich Zeit für die Beantwortung dieser Fragen. Sie könnten darüber auch schriftlich über einen längeren Zeitraum reflektieren. 
  • Wenn Sie Schwierigkeiten haben zu erkennen, was Ihnen wichtig ist, können Sie sich fragen: (1) Welche Vorbilder haben mich bisher inspiriert und warum? (2) Wie und wo haben meine Vorbilder gewirkt und was haben sie erreicht? (3) Wofür genau bewundere ich sie? Das Lesen von Biographien kann Ihnen bei der Beantwortung dieser Fragen helfen. 
Gefühle entwickeln
  • In der Tiefenpsychologie wird zwischen Affekten und Gefühlen unterschieden.
  • Affekte sind sehr körpernah, kurz und heftig; den meisten bekannt als schnell hochschießende Wut, die allzu oft heftige Wortgefechte und auch Tätlichkeiten nach sich ziehen können. Aber auch starke Begierde und Leidenschaften gehören dazu. Es sind meist Zustände, die uns den Schlaf rauben können. 
  • Gefühle entstehen durch Umformung von Affekten. Sie entstehen durch Empathie und Reflexion. Reflektieren statt Agieren. Sie gehen nicht mit plötzlicher, heftiger körperlicher Spannung einher, sondern sie sind „leiser“, sanfter und halten länger an. Dazu zählen z.B. Heiterkeit, Gelassenheit, Freude.
  • Affekte können durch Reflexion und Verbalisierung umgewandelt werden. Statt sprachlich oder körperlich Zuzuhauen, könnte man Beziehungserhaltend und mit dem Angebot der Kooperation seinen Ärger ausdrücken oder zunächst aus der Situation gehen, um sich zu beruhigen.
Sich freiwillig selbst gestalten
  • Die Entwicklung des Selbst ist eine freiwillige Angelegenheit. Sie braucht dazu aber auch entsprechende Umstände, um sie zu realisieren. Eine freiheitliche, auf humanistischen Werten basierende Gesellschaft ist förderlicher als eine rigide, autoritäre Gesellschaftsstruktur. (vgl. Kaminski 2014)
  • Sie könnten sich dafür entscheiden, sich selbst ein wenig nachzuerziehen. Für diese Selbsterziehung (Josef Rattner) ist hilfreich, wenn Sie sich als eine wohlwollende Bezugsperson für sich selbst begreifen. Spielen Sie mit dieser Vorstellung! Wohin könnten diese Selbstgestaltung gehen? Wer oder was wäre hierzu förderlich? Wie können Sie sich selbst motivieren, aus Ihren Wünschen Ziele zu machen? 
Eigenleistung erbringen
  • Selbstwert entsteht am besten durch eigenes Tun, durch eine schöpferische Eigenleistung. Die wenigsten gehen hier mit Gelassenheit und Heiterkeit ans Werk. Die meisten empfinden Einsamkeit und Überforderung, wenn sie merken, dass sie auf sich selbst zurückgeworfen sind und die Gestaltung ihres Lebens von ihnen selbst abhängt (Søren Kierkegaard).
  • In welchem Bereich könnten Sie wie dennoch schöpferisch tätig werden? Lassen Sie sich von Ihren (häufig hoch gesteckten) Zielen nicht umhauen. Am ehesten gelingt eine schöpferische Eigenleistung in kleinen Schritten, mit einem guten Zeitmanagement und Motivationsstrategien, also einer guten Selbststeuerung. 
Den liebenden Blick einüben
  • Ein wohlwollender, ermutigender und liebender Blick (Nicolai Hartmann) auf sich selbst schafft die Grundlage für geistiges und emotionales Wachstum.
  • Fragen zur Reflexion: (1) Welche Gefühle haben Sie sich selbst gegenüber? (2) In welcher Beziehung stehen Sie zu sich selbst? (3) Wie achten Sie auf Ihre geistige und körperliche Gesundheit? Vielleicht lohnt es sich für Sie, sich über diese Fragen auch mit vertrauten Menschen auszutauschen.
  • Der liebende Blick bezieht sich natürlich nicht nur auf sich selbst, sondern auch auf unsere Mitmenschen. Wie könnten Sie dies im Alltag ausprobieren und umsetzen? 
Sich als werdend begreifen
  • Ziel von Förderung und Psychotherapie ist es, Selbstwertschwankungen auszuhalten und im fortgeschrittenen Fall sich selbst als werdend zu begreifen und dies gemeinsam und solidarisch, was wiederum das Gemeinschaftsgefühl fördert. 
  • Das heißt: Ein Wachsen und Werden im Sinne von Goethe: „Und solang du das nicht hast, Dieses: Stirb und werde! Bist du nur ein trüber Gast /Auf der dunklen Erde.“ (Johann Wolfgang v. Goethe 1819 aus „Buch des Sängers. West-östlicher Divan“)
  • Es geht also um Ihre Einstellung. Sie könnten ein Veränderungstagebuch führen, um über Ihr Wachsen und Werden zu reflektieren. Der Vergleich mit sich selbst an unterschiedlichen Zeitpunkten ("Wie und in welchem Bereich habe ich mich im letzten Jahr oder in den letzten fünf Jahren entwickelt?") ist sinnvoller als der Vergleich mit anderen, die andere Startbedingungen oder Lebensumstände mitbringen. 
Andere fördern
  • Wer jemanden in seinem Selbstwertstreben fördern will, kann dies nur indirekt tun, z.B. durch Ermutigung, Ansprechbarkeit, vorbildhaftes Verhalten und Sein, Anerkennung und Respekt vor den Unterschieden des Anderen. (vgl. Kaminski 2014)

 

Quellen: Kaminski, K. (2014). Selbstwertstreben und Selbstwertgefühl. Traditionen und Perspektiven. Göttingen: V&R unipress. Bakewell, S. (2019). Wie soll ich leben? oder Das Leben Montaignes in einer Frage und zwanzig Antworten. München: Verlag C.H.Beck, 2. Aufl. 

 

 

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