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Spoliation als kulturelle Praxis im 20. Jahrhundert

von Prof. Dr. Hans-Rudolf Meier (Bauhaus-Universität Weimar)

Meier Abb 1
München, Hild und K,
Wohnsiedlung Klostergarten, 2009
Abbildung: Thomas Will, Dresden

Der Spolienverwendung – der intentionalen Wiederverwendung von Baugliedern – geht die Spoliation voran, der (im eigentlichen Wortsinn) „Raub“ oder die Demontage, bei der ein Bauteil durch die Entfernung aus dem angestammten Kontext zur Spolie wird. Überblickt man entsprechende Prozesse im 20. Jahrhundert, stellt man fest, dass die Spolien in der Regel entweder der Bewahrung oder Behauptung von örtlichen Kontinuitäten dienen – häufig praktiziert als Kontinuitätsversprechen bei wirtschaftlich motivierten Abbrüchen (Abb. links) oder als partielle Rettung nach katastrophalen Zerstörungen –, oder aber es geht um den Erhalt besonders markanter und als hochwertig erachteter Teile, die dann entsprechend ihrer ästhetischen Qualität recht frei neu verbaut werden. (1)

Semantische Aufladungen der Entfernung und/oder der Neuverwendung sind vergleichsweise selten und beschränken sich im Wesentlichen auf eindeutig politisch motivierte Fälle wie jener des sogenannten Liebknechtportals am ehemaligen Staatsratsgebäude in Berlin.

Meier Abb 2
Berlin, Korn,Bogatzky & Kollektiv,
ehem. Staatsratsgebäude, 1962/64
Abbildung: Hans-Rudolf Meier

Mit Blick auf das am Kolloquium zur Debatte stehende Beispiel ist zu konstatieren, dass die Wiederverwendung von Statuen, von figürlichen Bauteilen insgesamt, im 20. Jahrhundert kein großes Thema ist. Zur Frage einer Re-Spoliation, der erneuten „Beraubung“ aus dem aktuellen Kontext zur vermeintlichen Wiederherstellung eines „Ursprungsbaus“ lassen sich dagegen Vergleiche nennen und Schlüsse daraus ziehen: stets bedeutet die Wiederentfernung von Spolien nicht nur die Zerstörung einer historischen Zeitschicht, sondern auch einer (neuen) ästhetischen Einheit. Dem „Zauber“ des Ein- oder Zusammenfügens geht der harte Akt des Entfernens als zumindest Teilabbruch voran. Die denkmalpflegerische Position dazu hat Joachim Glatz schon in den 1980er-Jahren formuliert (2), in dem er die Frage „Neu- und Wiederaufbau mit originalen Teilen – noch ein Denkmal?“ verneint hat.

(1) Vgl. Hans-Rudolf Meier: Rückführungen. Spolien in der zeitgenössischen Architektur, in: Stefan Altekamp / Carmen Marcks-Jacobs / Peter Seiler (Hg.): Perspektiven der Spolienforschung 1. Spolierung und Transposition. Topoi. Berlin Studies of the Ancient World Vol. 15, Berlin / Boston 2013, S. 333-349.
(2) Joachim Glatz: Neu- und Wiederaufbau mit originalen Teilen – noch ein Denkmal?, in: Kopie, Rekonstruktion, historisierende Erneuerung. Tag der Denkmalpflege Rheinland-Pfalz und Saarland 1983. Denkmalpflege in Rheinland-Pfalz 1984, S. 122–132, hier: 127.

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